Bei Tempo 30 scheiden sich die Geister

Die Stadt Tegernsee will den Rasern an den Geldbeutel. Doch welche Maßnahme ist geeignet? Der Bürgermeister ist gegen eine Tempo-30-Zone. Doch damit dringt er nicht durch.

Mit Tempo 30 in der Bahnhofsstraße will man den Rasern an den Geldbeutel.

Die Geschwindigkeitsüberschreitungen seien „minimal“, so Bauamtsleiterin Bettina Koch, deshalb sei die Ausweisung einer Tempo-30-Zone in der Bahnhofstraße nicht „rechtmäßig“. Koch beruft sich dabei auf die Untere Straßenverkehrsbehörde des Landratsamts.

Vorausgegangen waren Verkehrsmessungen an drei Standorten im Oktober und November. Ecke Bahnhofstraße und Max-Josef-Straße wurden über 40.700 Fahrzeuge gemessen. Knapp 31.000 Autos davon fuhren nicht schneller als 39 km/h. Weitere knapp 10.000 fuhren nicht schneller als 59 km/h. 118 Fahrzeuglenker lagen darüber und gaben mehr Gas. Dies entspreche einer Quote von 0,29 Prozent, die man mit einem Bußgeld hätte belangen können.

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Noch weniger „Raser“ waren es am zweiten Messpunkt beim ehemaligen Postamt. Nur 13 Fahrer waren zu schnell unterwegs. Nicht viel anders waren auch die Ergebnisse an der dritten Messstelle, der Einmündung Karl-Stieler-Straße. Koch verwies darauf, dass eine verkehrsrechtliche Anordnung nicht im Wirkungskreis einer Gemeinde oder der Zuständigkeit des Stadtrates liege.

„Jedes fünfte Auto fährt zu schnell”

„Die Verengung von Fahrbahnbreiten würde bei der gegebenen Verkehrsbelastung, dem hohen Buslinien-Verkehr und der anstehenden Baustellen auf dem ehemaligen Krankenhausgelände zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit führen“, so der ablehnende Bescheid des Landratsamts. Ein sicherer und geordneter Verkehrsablauf wäre nicht mehr gewährleistet. Das Fazit aus Miesbach: „Eine Tempo30-Zone hier wäre unzulässig“.

Dies sah die Mehrheit der Ausschussmitglieder anders. Martina Niggl-Fisser (Bürgerliste): „Es gibt relativ viele vernünftige Autofahrer, aber über 20 Prozent fahren in meinen Augen zu schnell“. Genau für die aber solle die Tempo-30-Zone gelten. „Wenn sich alle an die erlaubten 50 km/h halten würden, müsste ich keine Beschränkung machen“. Ähnlich sieht es Rudolf Gritsch (CSU): „Jedes fünfte Auto fährt zu schnell“. Damit war Gritsch beim Lärmschutz. „Es ist klar, dass eine erheblich geringere Geschwindigkeit auch eine geringere Lärmemission aufweist“.

“Nur Wenige fahren zu schnell”

Zum anderen seien in der Bahnhofstraße äußert kritische Sicherheitspunkte. Als Beispiel nannte er den nicht durchgängigen Fußweg beim Schuhhaus Angl. Hier müssten Behinderte sogar die Straße queren. Für ihn sei die Bahnhofsstraße auch keine Durchgangsstraße, sondern eine innerörtliche Straße zu Wohngebieten. Deshalb könne man an jeder Kreuzung oder Einfahrt ein Vorfahrtszeichen anbringen.

Dies erlaube auch die Straßenverkehrsordnung. „Für mich sind alle Punkte, die gegen eine Tempo-30-Zone sprechen, entkräftet“. Er schließe sich in keiner Form der Verwaltung an, so Gritsch, da wir die Argumentation, es würden nur Wenige zu schnell fahren, „nicht nachvollziehen dürfen“. In der Hochfeldstraße, in der er wohne, erwiderte Bürgermeister Johannes Hagn(CSU), könne man keine 50 km/h fahren. Er verwies darauf, dass bei Tempo 30 die Busse in einen höheren Gang wechseln würden und dadurch wesentlich lauter seien.

„Tut mir leid, aber das ist meine Erfahrung“, sagte Hagn an Gritsch gewandt. Doch Hagn hatte an diesem Abend mit seinem Parteifreund Gritsch seinen härtesten Widersacher. Der verwies auf Beispiele in München, wo dies problemlos ginge, oft auch nur mit der Reduzierung einer Straße auf Tempo 30. „Für mich ist es eine Frage des Wollens“, so Gritsch. Er halte nichts davon, sich auf Andere zu berufen, dass Tempo 30 nicht ginge.

„Wir sind nicht im rechtsfreien Raum“

Für Hagn, der seine Verwaltung nicht im Regen stehen lassen wollte, ging es darum, ob eine Verkehrsberuhigung vor dem Gesetzgeber umsetzbar ist oder nicht. Zudem sei München eine kreisfreie Stadt. „Das Landratsamt ist gehalten, Tempo-30-Zonen, die nicht rechtmäßig ausgewiesen werden, zu beanstanden. Eine Beschilderung wie in der Hochfeldstraße führt in der Bahnhofstraße ins Chaos. Wir sind hier nicht im rechtsfreien Raum“, erklärte Koch mit Nachdruck.

„Das ist falsch“, erwiderte Gritsch, „es gibt genügend Beispiele, wo dies mit anderen Maßnahmen geregelt wird“. Als Kompromiss schlug Andrea Köstler (FWG) vor, einfach einmal Tempo 30 auszuprobieren. „Denn wir dürfen alle froh sein, dass auch angesichts der vielen Schüler bis jetzt noch nichts passiert ist“. „Aber wenn die Tempo-30-Schilder aufgestellt werden, muss die Geschwindigkeit auch kontrolliert werden“, empfahl Andreas Obermüller (FWG).

Hochgradig gefährlich findet es Thomas Mandl (SPD), „wenn die Leute sonntags mit der BOB kommen und die Bahnhofsstraße herunter strömen“. Er verstehe nicht, wieso man keine Schwellen einbauen könne, auch mit Blick auf das Hotel, das dort entstehen soll. Bei so viel Druck auf eine Tempo-30-Zone resignierte Hagn und beugte sich der Mehrheit: „Dann beschildern wir die Bahnhofstraße vom Steinmetzplatz bis zur Max-Josef-Straße mit Tempo 30. Koch: „Dafür müssen wir aber vorher die Polizei fragen“. Mit der Überwachung der Geschwindigkeit auch auf der Bundesstraße in Höhe des Gymnasiums wurde der Zweckverband Kommunale Verkehrssicherheit Oberland in Bad Tölz beauftragt.

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