Im Kampf um die Gams

In den Bergen des Oberlands tobt der Kampf um die Gams. Deren Bestand sei gefährdet, davon ist die Rottacher Wildtierbiologin Dr. Christine Miller überzeugt und beklagt: „Nur noch junge Tiere werden geschossen, weil alte kaum da sind“. Unterstützung bekommt sie nun von der Deutschen Wildtier Stiftung. Die Jäger dagegen sind verärgert.

Dr. Christine Miller auf der Hegeschau in Miesbach.
Dr. Christine Miller auf der letzten Hegeschau in Miesbach.

Die Wellen zwischen Dr. Christine Miller und den Forstleuten schlagen ziemlich hoch. Das Gefecht findet bereits auf offener Bühne statt. Die engagierte Wissenschaftlerin will im Rahmen eines Projekts Daten über den Gamsbestand in Bayern sammeln. Doch das Alter der geschossenen Tiere ist schwer zu ermitteln. Die Bayerischen Staatsforsten verhindern dies bei den gesetzlich vorgeschriebenen Hegeschauen, wie zuletzt im Berchtesgadener Land und auch in Miesbach.

Die Forstleute argumentieren, dass durch das Jagdgesetz nicht vorgeschrieben werde, das genaue Alter der Gämsen zu erfassen. Altersangaben der Böcke erfolgen in zwei Klassen: ist der geschossene Bock jünger oder älter als acht Jahre. Diese grobe Klassifizierung reicht Miller für ihr Forschungsprojekt nicht. Sie braucht es genauer und erhebt das Alter der Tiere auf eigene Faust.

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Dies kann man bei der Gämse durch Abzählen der Jahresringe am Horn. Ein aufwändiges Unterfangen bei mehr als hundert Gams-Krücken auf den jeweiligen Trophäenschauen im Oberland. In Miesbach fehlten die Altersangaben auf den angehängten Zetteln gänzlich, in Garmisch waren sie geschwärzt.

Kartell des Schweigens?

Normalerweise steht auf den Zetteln das Revier, oft auch der Erleger und das geschätzte Alter. „Bei den Geißen ist bei der Abschussplanung keine Klassifizierung vorgesehen. Ihr Alter in Jahren steht auf keinem dieser Zettel“, schimpfte Miller in Miesbach und forderte eine Wiederholung der Hegeschau. Sie spricht inzwischen von einem „Kartell des Schweigens“.

Das Alter einer erlegten Gams lasse sich gar nicht verheimlichen, erwidert dagegen Rudolf Plochmann von den Bayerischen Staatsforsten, denn durch das Abzählen der Ringe an der Krücke lasse sich das jährlich erfolgte Wachstums bestimmen. Er wisse daher auch nicht, warum hier so ein Kleinkrieg begonnen wurde. Der Leiter des Tölzer Forstbetriebs sagt aber auch:

Wir wünschen uns eine objektive und ergebnisoffene Forschung und nicht den offensichtlichen Versuch, uns als Ausrotter des heimischen Gamswildes an den Pranger zu stellen.

Plochmann aber will das Wohl der Gams in einen Zusammenhang mit dem Wohl des Waldes und der Waldverjüngung stellen.

Wald vor Wild

Flankenschutz bekommt Miller dagegen seit einer Woche von der Deutschen Wildtierstiftung, die nun ein Gamswild-Projekt in Bayern startet. Denn gerade im Oberland werden die Tiere in öffentlichen Wäldern sehr intensiv gejagt, „weil Gamswild durch seine Fraßeinwirkung die sogenannte Schutzwaldsanierung gefährdet“, erklärt Dr. Andreas Kinser, Referent für Forst und Jagdpolitik der Hamburger Stiftung.

gams

Nach europäischem Recht dürften Gämsen aber erst gejagt werden, wenn die Population stabil sei. „Der Populationszustand der Gams wird derzeit am grünen Tisch beurteilt“, kritisiert Kinser. Darum will die Deutsche Wildtier Stiftung jetzt die aktuelle Gams-Population im Bayerischen Alpenraum erforschen. „Denn erst, wenn Zahlen zum Zustand der Art in Bayern vorliegen, dürfen Entscheidungen über vernünftige Jagd- und Schutzwaldkonzepte getroffen werden“, heißt es in der Pressemitteilung. Partner für das Projekt sind Christine Millers Büro für Wildbiologie und die Universität für Bodenkultur in Wien.

Eines hat die kämpferische Wildtierbiologin Miller aus Rottach offenbar bewirkt: Nun räumen auch etliche Jägerfunktionäre inzwischen ein, dass „die Gams am Abgrund steht“. Deshalb wollen auch die Staatsforsten in diesem Jahr noch ein Forschungsprojekt starten, um das Gamswild in Zusammenhang mit seinem Lebensraum zu betrachten. Doch Millers Befürchtung ist, dass die Ergebnisse “zielgerichtet” sein dürften. Dabei stellt sie klar: „Ein bisschen Licht in das Dunkel solcher Politik tut sicher nicht nur dem Gamsbestand in Bayern gut“.

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