Ein asphaltiertes Stück Zeitgeschichte

Die legendären Autorennen machten sie berühmt. Alles, was im Motorsport Rang und Namen hatte, gab auf ihr Gas. Heute rollen bis zu 10.000 Fahrzeuge pro Jahr die legendäre Panoramastraße auf den Wallberg in Rottach-Egern hinauf. Die Geschichte einer Touristenattraktion.

Wallbergrennen, 14. Mai 1960. Am Start der spätere Sieger Eberhard Mahle (Startnummer 128) in der Grand-Tourisme-Klasse mit Mercedes-Benz Tourensportwagen Typ 300 SL Roadster ( W 198 II). / Quelle: www.mercedes-benz-publicarchive.com

Sie führt direkt neben der Talstation auf den Wallberg in Rottach-Egern und gilt als eine der schönsten Bergstraßen Bayerns. Vor 80 Jahren wurde sie eröffnet. Noch heute erinnern unzählige aufgetürmte Steinquader unterhalb des Setzberges daran, welche kühnen Pläne mit der in den Berg getriebenen Trasse verbunden waren. Bereits 1930 gab es Überlegungen, die von Lindau bis Berchtesgaden projektierte Queralpenstraße auch über das Wallberghaus, Plankensteinsattel, Riedereck, Sutten und Firstalm zu führen.

Das damals zuständige Bayerische Innenministerium legte jedoch am 21. Februar 1934 das Projekt auf Eis. Es schrieb an den Rottacher Gemeinderat, die Queralpenstraße solle einen kürzeren Verlauf nehmen, von Rottach über den Kühzagl-Sattel nach Schliersee. Die politischen Umstände stoppten den Höhenflug. Er wurde auf eine kleine Lösung reduziert, eine Bergtrasse bis zum Wallberghaus. Auch daraus wurde letztlich nichts. Geblieben ist ein Torso mit der Wallbergstraße bis zur Gaststätte Wallbergmoos in 1117 Metern Höhe.

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Mit dem Schweiß der Legionäre

Mit ihrem Bau konnte bereits 1935 begonnen werden, da billige Arbeitskräfte zur Verfügung standen: Nationalsozialisten aus Österreich, deren Staatsstreich 1934 fehlschlug. In der Folge flohen hunderte von österreichischen SA-Leuten über die Grenze nach Bayern. Damit „kehrten sie Heim ins Reich“, vier Jahre bevor Hitler die „Ostmark“ dem großdeutschen Reich einverleibte. Ihre Flucht nutzte man zum Arbeitseinsatz beim Bau der Wallbergstraße.

Nach den Plänen der Nazis sollte die Wallbergstraße unter dem Setzberg vorbei Teil der Queralpenstraße sein.

Allen Beteiligten war damit geholfen: den 600 österreichischen „Legionären“, wie man sie damals im „Hilfswerk Nord-West“ nannte, dem 1887 gegründeten Verkehrsverein Rottach-Egern als Bauherrn, der für die Arbeitsstunde nur 40 Pfennige zahlen musste, und dem Staat, der mit dieser Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die Arbeitslosenquote senken konnte. Untergebracht wurden die billigen Arbeitskräfte in einigen Lagern, eines davon stand in Trinis unterhalb des Wallberges.

Die Kosten für den Verkehrsverein waren mit 240.000 Reichsmark veranschlagt. Zur Finanzierung wurden Anteilsscheine zur Zeichnung ausgelobt, „um das große Werk der Volksgemeinschaft, das dem Wohl der Allgemeinheit dient, zu vollenden“, so seinerzeit der Prospekt des Rottacher Vereins. Damit sollten „Freunde und Gönner des Tales“ animiert werden, „fehlende Beträge“ aufbringen. Dabei entstehe „kein Wagnis“, weil „Generalinspekteur Todt“ seine Hand schützend über das Projekt halte. Seine „Organisation Todt“ leitete unter anderem den Bau der Reichsautobahnen. Die Zeichner von damals sind teilweise über Generationen auch heute noch an der Straße beteiligt.

Nur zwei Jahre Bauzeit

Sieht man die massiven Brücken und Durchlässe aus bestem Naturstein der Wallbergstraße heute, dann versteht man den Begriff: Gebaut für ein „1000-jähriges Reich“, so die Wahnvorstellung der Nazis. „Es müssen gigantische Sprengungen erfolgt sein“, erzählt Peter Eiler, der die Strecke kaum wie ein anderer kennt. Er ist Straßenmeister und Hüter der Mautschranke, im Hauptberuf jedoch Radio- und Fernsehtechniker mit einem Geschäft in Reitrain. „Für den Abraum wurden extra Feldgleise für die Loren verlegt“, so Eiler. „Sie hatten aber immerhin schon Dampfwalzen zur Verfügung“.

Dampfwalzen halfen den “Legionären” beim Bau der Wallbergstraße.

1937 wurde die Panoramastraße fertig und für den Verkehr freigegeben. Das geplante zweite Teilstück zum Wallberghaus wurde von der Weltgeschichte eingeholt und die Bauarbeiten gestoppt. Die Österreicher kehrten beim „Anschluss“ wieder heim. Das NS-Regime hatte kein Interesse mehr an der Wallbergstraße. Es brauchte Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie für Hitlers Kriegsgelüste.

Oldtimer statt Rennboliden

Es dauerte Jahre, bis man sich wieder der Hinterlassenschaft besann, da die Wallbergstraße von Beginn an bei Autofahrern das ganze Jahr über sehr beliebt war. Als logische Folge folgte dann 1959 das erste ADAC Wallbergrennen – mit dabei der legendäre ‘Bergkönig’ Hans Stuck. Auch der automobile Fortschritt hielt bei diesen Rennen später Einzug: Die Formel 2 im Jahr 1984 fuhr bereits mit Katalysator, bleifreiem Benzin und Geräuschdämpfung. Doch es half nichts.

1988 stoppten die Grünen die Raserei. Auf ihre Initiative traten das Landratsamt Miesbach und der Freistaat auf die Bremse. Ab 1962 wurde die Straße für den Autoverkehr im Winter zugunsten der Skiabfahrt gesperrt. 2001 wurde daraus die längste Naturrodelbahn Deutschlands. Heute finden im Sommer auf der Panoramastraße die speziell bei Oldtimerfahrern sehr beliebten „Gleichmäßigkeits-Berg-Prüfungen für historische und klassische Automobile“ statt, so der Rottacher Verkehrsverein.

Peter Eiler als Straßenmeister der Wallberg-Panorama-Straße.

Dessen Vorsitzende Anastasia Stadler sieht ihre Panoramastraße als „familienfreundliche Alternative“ zur Wallbergbahn. „Das ganze Auto“ koste nur vier Euro. Im Tal sei es zudem die einzige Möglichkeit für Menschen mit Handicap oder ältere Menschen mit Bewegungseinschränkung, vom Wallbergmoos „den traumhaften Ausblick über den Tegernsee zu genießen“.

Der Verkehrsverein feiert am Montag anlässlich seiner Jahreshauptversammlung um 20 Uhr im Gasthof Alpenwildpark das 80-jährige Jubiläum der Wallbergstraße.

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