Rottacher „Badewannenmord“ neu aufgerollt

Im Oktober 2008 wurde Liselotte Kortüm in ihrer Rottacher Wohnung tot in der Badewanne aufgefunden. Ihr Hausmeister Manfred Genditzki soll sie erschlagen haben. Er wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Süddeutsche Zeitung erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Münchner Justiz.

Der verurteilte Manfred Genditzki vor dem Landgericht München II / Quelle: Süddeutsche Zeitung

Hausmeister Manfred Genditzki, 56, sitzt seit acht Jahren im Gefängnis. Er soll die 87-jährige Liselotte Kortüm, um die er sich jahrelang mit großem Enagagement gekümmert hat, in der Badewanne ermordet haben. Er bestreitet die Tat an der ehemaligen Besitzerin eines Schuhgeschäfts.

Tatsache ist, dass die Witwe am 28 Oktober 2008 in ihrer Drei-Zimmer-Wohnung in der Steinfeldstraße 2 vollständig bekleidet leblos in der mit Wasser gefüllten Badewanne lag. Das linke Bein hing über den Wannenrand, der Kopf ist unter Wasser.

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Zunächst ging die Kripo in Miesbach von einem Unfall aus, von einem unglücklichen Sturz als Todesursache. Am Hinterkopf fand ein Gerichtsmediziner jedoch zwei Einblutungen unter unverletzter Kopfhaut. Obwohl dies nicht notwendigerweise auf eine gewaltsame Ursache schließen lässt, da Kortüm einen Blutverdünner einnahm, wurde Genditzki deswegen im Februar 2009 unter Mordverdacht verhaftet.

Zweifel am Schuldspruch

Das Landgericht München II verurteilte Genditzki am 12. Mai 2010 „wegen Mordes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung“ zu einer lebenslangen Haftstrafe. Der Bundesgerichtshof hob jenes Urteil im Januar 2011 auf und verwies die Sache zurück an das Landgericht. Auch in dem zweiten Prozess verurteilte das Landgericht München II Genditzki am 17. Januar 2012 zu lebenslanger Haft.

Für Prozessbeobachter blieben aber erhebliche Zweifel an diesem Schuldspruch. Die Verteidiger und Beobachter der Hauptverhandlung hatten fest mit einem Freispruch gerechnet. Eine Revision gegen diesen zweiten Schuldspruch scheiterte beim Bundesgerichtshof.

Vertrauen in die Justiz erschüttert

Seitdem schreibt der Gerichtsreporter der Süddeutschen Zeitung, Hans Holzhaider, über diesen Fall, der ihm keine Ruhe lässt. Nun hat er in einem dreiseitigen Dossier „Im Zweifel“ den Fall akribisch neu aufgerollt. Nachdem Holzhaider in 20 Jahren Hunderte Prozesse erlebt hat, ist es dieser „Badewannenmord“, der sein Vertrauen in die Münchner Justiz „erschüttert hat“, schreibt er. „Für die Schuld Manfred Genditzkis gibt es keinen Beweis, für die Tat, die man ihm zur Last legt, gibt es kein Motiv. Und es gibt viele Indizien dafür, dass der angebliche Mord in Wirklichkeit ein häuslicher Unfall war. Trotzdem wurde Manfred Genditzki verurteilt: Im Zweifel gegen den Angeklagten“, so Holzhaiders verbitterter Vorwurf.

In dieser Rottacher Wohanlage am Weißachdamm wurde Liselotte Kortüm tot in der Badewanne aufgefunden.

Genditzkis Problem: Er konnte seine Unschuld nicht beweisen. “Das muss er auch nicht“, stellt der Journalist klar. “Seit der Antike gilt im Strafrecht das Prinzip, dass nicht der Angeklagte seine Unschuld, sondern das Gericht seine Schuld beweisen muss”.

Der Grundsatz “im Zweifel für den Angeklagten” sei einer der tragenden Pfeiler des Rechtsstaats, so Holzhaider. Für ihn ist es der Stoff für Albträume: Verurteilt zu werden für ein Verbrechen, das man nicht begangen hat. Den Spruch des Richters zu hören: “Im Namen des Volkes: Schuldig des Mordes, verurteilt zu lebenslanger Haft”, und zu wissen: Es gibt keine Chance mehr, dass die Wahrheit ans Licht kommt.

Staatsanwaltschaft schweigt

Für den SZ-Gerichtsreporter war klar, dass die Indizien „nie und nimmer ausreichen würden, um diesen Angeklagten zu verurteilen“. Doch dann kam das Urteil: Schuldig des Mordes. Lebenslange Haft. „Die Revision, eingelegt von einem der fähigsten Anwälte Deutschlands, wurde mit einem Federstrich abgewiesen“, so Holzhaider. Hinter Manfred Genditzki schloss sich das Gefängnistor.

Aber erst jetzt bekam Holzhaider Gelegenheit, die vollständigen Akten des Falles zu studieren. Doch bleibt es für ihn nach wie vor rätselhaft, „wie ein Gericht zu diesem Urteil kommen konnte“. Für Holzhaider darf jedenfalls „kein Gras über die Sache wachsen“. Die Staatsanwaltschaft wollte ihm keine Fragen mehr zu dem Fall beantworten. „Mit rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren beschäftigen wir uns nicht“, beschied ihm Sprecher Ken Heidenreich.

Die Chancen von Genditzki, nach 15 Jahren auf Bewährung frei zu kommen, seien gering, befürchtet Holzhaider. Ein Gefangener, der sich nicht einsichtig zeige, könne sich in Bayern wenig Hoffnung auf vorzeitige Entlassung machen. Doch der Kampfgeist des Rottacher Familienvaters ist ungebrochen. Seit über einem Jahr durchforstet nun die Münchner Strafverteidigerin Regina Rick die Akten nach einem Ansatzpunkt für ein Wiederaufnahmeverfahren. Genditzkis allerletzter Strohhalm.

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