„Ernst nehmen sollte man das nicht“

Wildbad Kreuth soll umgebaut werden. Bei ihrer Anfrage im Gemeinderat sprach die Eigentümerin Herzogin Helene in Bayern zweimal von einer Klinik. Den Begriff Sanatorium verwendete sie dagegen nicht. Warum? Und wie passen ihre jetzigen Aussagen mit den Spekulationsvorwürfen aus dem letzten Jahr zusammen?

Wird aus dem Wildbad Kreuth eine Klinik oder eine Sanatorium? Und was ist überhaupt der Unterschied zwischen beiden? Diese Fragen stellten sich auch Leser der Tegernseer Stimme nach der Veröffentlichung der Pläne am vergangenen Freitag .

Dabei wird zumindest aus dem Fragenkatalog der Wildbad-Eigentümerin Herzogin Helene in Bayern an die Gemeinde Kreuth klar, dass sie das einstige Bildungszentrum in eine „Klinik“ abändern will. So wollte sie unter anderem wissen, ob in der „Klinik“ untergeordnete Nutzungen wie das Musikfest und Seminare möglich sind. Den Begriff Sanatorium verwendete die Wittelsbacherin bislang öffentlich nicht. Dieser wird ihr nur von den Medien zugeschrieben.

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Sanatorium oder Klinik?

In den Monaten zuvor sprach die Herzogin zunächst nur davon, dass aus dem einstigen Sanatorium, das die Hanns-Seidel-Stiftung 40 Jahre beherbergte, ein „gutgeführtes Resort-Hotel“ werden soll. Erst Ende Juli vergangenen Jahres sickerte dann aus der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderates durch, dass sie als Investor einen „Experten aus dem Gesundheitsbereich“ vorgestellt habe, wie die Tegernseer Stimme Anfang August exklusiv meldete. Schnell wurden von der Herzogin diese Informationen als spekulativ abgetan: „Ernst nehmen sollte man das nicht“, erklärte Sie im August gegenüber dem BR.

Muss man aber offenbar doch. Denn inzwischen wird von ihr die damalige Meldung bestätigt. Der Name des “Gesundheits-Experten” soll allerdings erst genannt werden, wenn die Unterschriften auf allen Verträgen trocken sind. Bei den herzoglichen Umbauplänen, über die die Tegernseer Stimme im August schon in Teilen berichtete, geht es im weitesten Sinne um die Gesundheit, ob in einem Sanatorium oder einer Klinik.

Dies in Einklang zu bringen, ist eine Frage der Definition. Laut Wikipedia ist eine Klinik das Synonym für Klinikum. Das hat die Herzogin wohl nicht im Auge. Denn ein Klinikum stellt ganze andere Anforderungen im medizinischen Bereich als ein Sanatorium. Für eine Klinik wie Agatharied bräuchte die Herzogin auch eine staatliche Zulassung. Dies dürfte ausscheiden, weil der Landkreis mit Agatharied gut versorgt ist.

„Sanatorium für Nachbehandlungen würde Sinn machen“

Bleibt also nur eine Nutzung als Sanatorium oder Reha-Klinik. Doch darüber erfuhr man im Kreuther Gemeinderat am Freitag nichts, die Räte fragten aber auch nicht nach. Sinn machen würde nach Meinung des Gesundheitsexperten Dr. Jörg Rippe aber ein Sanatorium. Rippe war zuletzt Geschäftsführer des Jodbads in Bad Wiessee und zuvor AOK-Abteilungsleiter für Kassenzulassungen. Er kennt die Materie und betont:

Ein Sanatorium ist eine Rehabilitationseinrichtung. Dort sind Leute, die noch in der Therapie sind und die dort weitergeführt wird. Dort bleiben die Patienten in der Regel länger als in einer Reha-Klinik. Sowohl ein Sanatorium als auch eine Klinik können qua Definition alles sein.

Er glaubt, dass ein Sanatorium eine „geniale Lösung“ sei, auch für den Ort selbst. Kreuth könnte davon besser profitieren, als mit einer klassischen Reha-Klinik. Deren Patienten würden kaum etwas im Ort lassen. In einem Sanatorium würden die Leute länger verweilen. Entscheidend seien die „richtigen Anwendungsfelder“.

Als Beispiel nennt Rippe psychische Erkrankungen mit Schwerpunkt Burnout. Dafür wäre Wildbad Kreuth der ideale Standort, „denn es gibt kaum Kliniken, die so etwas anbieten“. Die zweite Möglichkeit wäre die Krebsnachsorge. Hier habe die Onkologie des Klinikums München-Großhadern enormen Bedarf. „Dort sucht man seit Jahren nach einem Standort, wo man Patienten in der Zeit unterbringen kann, in der sie nicht krankenhauspflichtig sind“ und sie in ein Loch ärztlicher Versorgung fallen würden.

Unnötiger Zeitverlust?

Bedenken äußert Rippe allerdings zum Vorhaben der Herzogin, die 120-Betten-Klinik auch als Tagungs- oder Seminarhotel zu nutzen. Dies ginge nur, wenn das Bettenhaus für Sanatoriumsgäste von den Zimmern für Tagungsteilnehmer getrennt werde. Dann könne man Wildbad Kreuth für beide Möglichkeiten nutzen. Das Publikum könne man nur „mischen“, wenn die Patienten keine schweren Leiden hätten. Entscheidend sei, ob der enorme Gebäudekomplex in ein Betten- und ein Gästehaus mit einem Tagungsbereich geteilt werde könne.

Ungläubiges Staunen über den zeitlichen Ablauf der Planungen kommt aus Architektenkreisen im Tegernseer Tal. Da der Herzogin spätestens im Juli klar war, dass sie statt mit einem Hotel mehr mit dem „Gesundheitsbereich“ punkten will, hätte sie bereits in der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats vor über einem halben Jahr die geplante Nutzungsänderung in eine Klinik ansprechen können, ebenso die dafür notwendigen Stellplätze.

Bei den Stellplätzen gibt es in der Ortsplanungssatzung Vorgaben. Dies hätte der Architekt schon im Vorfeld klären können. In der Regel fragt man nur nach, wenn man eine Befreiung von der Stellplatzverordnung will.

Viele Dinge hätte man vorab klären können und nicht erst jetzt in der Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend, so ein Architekt, der namentlich nicht genannt werden will. Er frage normalerweise relativ früh eine Gemeinde ab, was könnt ihr euch vorstellen. „Dies mache ich, bevor ich einen Strich zeichne“.

Bei der Herzogin und ihrem Münchner Architekten Robert Ketterer war dies offenbar anders. Ein halbes Jahr verstrich, bis nun die entsprechenden Fragen eingereicht wurden. Vertane Zeit? Denn der Herzogin ist es offenbar eilig mit ihrem Projekt. Auch für Wildbad Kreuth gelte, wird sie zitiert, „Zeit ist Geld“.

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