Aus ganz besonderem Holz

Es ist ein normales Wohnhaus in St. Quirin, in dem Erich Faltermeier mit seiner Familie zu Hause ist. Eine lange Hecke. Dahinter die Auffahrt zum Hof. Ein großer Garten. Nur ein paar unfertige Holzstücke vor einem Tor im Erdgeschoss verraten, dass hier irgendwo eine Drechslerwerkstatt sein muss.

Im Haus der Faltermeiers stehen einige der Arbeiten. Bauchige Vasen, Schüsseln, Schalen. Kunstvolle Holzzeichnungen überziehen teilweise die glänzend glatte Oberfläche einer “liegenden Vase” aus gelblichen Birkenholzes. „Das sind Verpilzungen. Die mag ich besonders“, erzählt Erich Faltermeier über den Alterungsprozess beim Holz.

Stühle, Spinnräder oder Lampen – man kann vieles drechseln

Schnell wird eines klar, wenn man mit Faltermeier spricht. Das Drechseln scheint eine recht aufwendige Geschichte zu sein. Heute ist der Beruf fast ausgestorben, auch wenn er auf eine lange Tradition zurückblicken kann.

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In der der zweiten Hälfte des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts wurden noch viele Alltagsgegenstände gedrechselt: Spinnräder, Stühle, Notenständer, Uhren oder Lampen. Aber auch Schalen, Schüsseln, Teller oder gedrechselte Knöpfe für Schränke, Kommoden und Truhen waren darunter. Nach und nach übernahmen immer mehr Möbelfabriken die Drechslerarbeiten und automatisierten sie.

Eine Findung mit Umwegen

In der Familie Faltermeier hat Holzarbeit Tradition. Erich Faltermeier übernahm in den 1980er-Jahren den elterlichen Betrieb in München.

Der heute 53-Jährige suchte irgendwann nach einer Tätigkeit, um sich zu entschleunigen, und entdeckte vor rund zehn Jahren das Drechseln für sich. Allein schon das Stehen an der Drehbank, dem wichtigsten Werkzeug eines Drechslers, sei vergleichbar mit der Haltung im Qi Gong, erzählt Faltermeier, für den Drechseln mehr Kunst als Handwerk ist.

Angefangen hatte alles mit einem Drechslerkurs, den er von seine Ehefrau geschenkt bekam. Später besuchte Faltermeier zahlreiche Kurse und suchte den Austausch mit anderen Drechslern. Er knüpfte Branchenkontakte – national und international. Es folgten Ausstellungen in Deutschland und in England. Unter anderem auch im Gmunder Jagerhaus stellten „Erich und die Anderen“ ihre Drechselkunst aus.

Und obwohl ein großer Teil der Kenntnisse, die früher von Generation zu Generation weitergegeben wurden, scheinbar verloren gegangen ist, tauscht man sich heute rege aus. Einmal im Monat treffen sich die Drechsler zu Vorträgen und praktischen Vorführungen, bei denen jeder seine geheimsten Techniken verrät. Auf diese Weise will man das Handwerk vor dem Aussterben bewahren.

Arbeitsintensives Zusammenspiel mit lebenbendigem Material

Meist sind es runde Formen, die Faltermeier an der Maschine bearbeitet. Faltermeier stellt am liebsten Schmuckdosen her. Eine besonders aufwendige holt er aus der Vitrine heraus. Mit einem schwarzen Spreißel und einer raffinierten Drehtechnik lässt sie sich öffnen. Innen eingelassen sind echtes Perlmutt und falsches Elfenbein.

In der Werkstatt wird schnell klar, wie arbeitsintensiv es ist, die häufig recht kleinen Werke herzustellen. Manchmal messen sie gerade mal eine Handbreit. Viele Stunden braucht es, bis ein Stamm oder ein Stückchen Edelholz die Form hat, die Faltermeier sich vorgestellt hat. Das Werkstück wird fest in der Drehbank eingespannt. Wenn der Motor erst einmal zu laufen anfängt, flöge es sonst genauso durch den Raum wie die Hobelspäne, die wie Girlanden die Werkstatt schmücken.

Im Anschluss wird das Material mit Handwerkzeugen bearbeitet. Sauber sortiert hängen sie hinten an der Wand. Der Gewindestrehler ist sein Lieblingswerkzeug, erklärt Faltermeier. Er benötigt es, um die Passung seiner Dosen anzufertigen. Das macht diese auch so aufwendig.

Bis alles passt, dauerts. Denn das Holz arbeitet. Ist ein lebendiges Material. „Wir Drechsler geben den Bäumen neues Leben.“ Dies sagt er nicht ohne Stolz. Denn so mancher der Stämme, die er sich im Laufe der Jahre zusammengesammelt hat, wäre sonst verrottet.

Altes Holz aus der Umgebung

Jetzt lagern die Stämme im Freien hinter dem Haus. Meistens ist es einheimisches Holz, das verarbeitet wird: Buchsbaum, Birke, Ahorn, Kirsche, Vogelbeere oder das Stück Apfelbaum, das ihm gerade ein Bekannter vorbeigebracht hat. Damit es keine Risse bekommt oder krumm wird, lagert er es unter dem Dach.

Auch ein paar unfertige Schüsseln liegen hier. Für die Verpilzungsspuren, auf die es ihm ankommt, hat er sich ein ganz eigenes Verfahren ausgedacht: Er steckt den Stamm in eine Plastiktüte und wartet so lange, bis die Spuren genau die Zeichnung haben, die er sich vorstellt.

Das Schöne an den Gebrauchsgegenständen ist, dass sie alle ihre Eigentümlichkeiten haben, gewissermaßen die Handschrift ihres Meisters aufweisen. Jedes Stück unterscheidet sich vom anderen. Vielleicht merkt man dem Ergebnis aber auch einfach an, dass es mit viel Herzblut und Liebe hergestellt wurde.

In einem ist sich Erich Faltermeier nämlich sicher: „Die Zeit spielt keine Rolle, wenn ich drechsle.“ Und so soll es für ihn auch bleiben. Drechseln ist sein Hobby, seine Leidenschaft. Sein Beruf ist es nicht ‒ und das soll es auch nie werden. Allein aus der Angst, dass dann das Beruhigende, der Spaß und die Normalität verloren gehen könnten.

Anmerkung: Der Artikel stammt aus dem Dezember letzten Jahres. Wir haben ihn wieder hochgeholt, da in einer Woche Erich Faltermeier zusammen mit ein paar anderen Künstlern seine Drechselkunst im Gmunder Jagerhaus vorführt.

Vom 12. bis 14. Oktober kann man sich dabei Drechselvorführungen anschauen oder die Ausstellung besichtigen. Eine Vernissage mit allen Künstlern findet am Freitag, den 12.10. um 19 Uhr statt.

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