Der Tegernsee soll Wiessee wärmen

„Die Kommunen sind eine wichtige Schnittstelle bei der Energiewende“, sagte kürzlich Bayerns zuständige Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, als das Pilotprojekt „Energiecoaching für Gemeinden“ abschließend vorgestellt wurde.

Bad Wiessee ist eine von 25 Gemeinden in Oberbayern, die im vergangenen Jahr auf den Prüfstand gestellt wurden. Doch die Vorschläge der Experten – Kleinkraftwerk an der Schwarzentenn, Tegernsee als Energiespeicher, Wasserkraft am Söllbach – stoßen auf Widerstand.

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Nicht um einzelne Häuser, sondern um die komplette Gemeinde ging es bei der Energieberatung in Bad Wiessee.

„Beim Energiecoaching handelt es sich um eine sogenannte Initialberatung, also eine Art Zündfunke zur Energiewende vor Ort“, erläuterte Regierungspräsident Christoph Hillenbrand die mit 150.000 Euro geförderte Studie für Oberbayern. Ziel sei, dass die Kommunen den entscheidenden Anstoß bekommen, um das gemeindliche Engagement in Sachen Energie weiter voranzutreiben.

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Für Bad Wiessee gebe es, so die „Energiecoaches“ der Firmen K.Greentech und IB VDI Fleckner, drei Säulen der Energiegewinnung: Nutzung der Wärme des Tegernsees, ein Kleinkraftwerk unterhalb der Schwarzentenn-Alm und die Biomasse durch Hackschnitzel. „Damit könnte die Gemeinde“, prophezeien die Energieberater „ihren kompletten Energiebedarf mithilfe erneuerbarer Energien decken. Bislang sind es in Wiessee erst 16 Prozent des gesamten Strombedarfs.

Mitte Dezember bekam auch der Gemeinderat die 30-seitige Studie zu Gesicht. „Wir haben positiv reagiert“, erklärt Bürgermeister Peter Höß (Wiesseer Block), „denn wir müssen alle Möglichkeiten ausloten, alternative Energien nutzen zu können.“ Das angedachte Kleinkraftwerk bei der Schwarzentenn-Alm, so glauben die Energieberater, könne schon bald entstehen.

315.000 Euro für Wasserkraft

Erste Hochrechnungen würden Kosten von etwa 315.000 Euro für eine Wasserkraftschnecke vorsehen. Der erzeugte Strom könnte den Jahresbedarf von etwa 70 bis 80 Haushalten in Bad Wiessee decken. Zehn Jahre würde es nach Angaben der Energie-Coaches dauern, bis sich die Investitionen amortisieren.

Doch Höß winkt ab: „Das geht so nicht. Denn die Quelle des Gurnbachs, der Ursprung des Söllbachs, versorgt über ein Leitungssystem in erster Linie den Bauern in der Au“. Die Gemeinde überlege aber, ob der Söllbach im Ort nicht zu einer weiteren Stromgewinnung genutzt werden könnte. „Unter Umständen ist hier noch Potenzial vorhanden“, so Höß.

Für die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) klingt ein Kleinkraftwerk am Gurnbach im Landschaftsschutzgebiet „ziemlich beunruhigend“, so deren Vorsitzende Angela Brogsitter-Finck. Deutlicher wird Werner Fees vom Bund Naturschutz (BUND): „Ich kann mich nicht damit abfinden, dass man jetzt auch noch die letzten Alpenbäche angreift, um unter dem Mäntelchen “Energiewende” finanziellen Nutzen zu ziehen“.

Naturschützer stellen sich gegen Wasserkraft

Grundsätzlich halte der BUND von weiteren Eingriffen in unsere Gewässer gar nichts. Dies gilt auch für den Tegernsee als Energiespeicher. „Das ist eine Chance, wie sie kaum eine Gemeinde hat“, betont dagegen K. Greentech-Geschäftsführer Erich Monhart. Gewässer wie der Tegernsee haben in der Tiefe das ganze Jahr über eine nahezu konstante Temperatur von vier Grad Celsius. Zur Energiegewinnung würde dem See über eine Rohrleitung Wasser aus der Tiefe entnommen und zu einer Wärmepumpe geleitet werden.

Die Pumpe kühlt das Wasser auf eine Temperatur von einem Grad Celsius herunter und leitet es anschließend zurück in den See. Die für diesen Vorgang notwendige Energie muss von außen durch Elektrizität in die Anlage eingespeist werden. Zur Gewinnung von drei Kilowattstunden Energie durch das Seekraftwerk ist dabei eine Kilowattstunde Strom vonnöten. Unter dem Strich stehe so ein deutlicher Energiegewinn, glauben die Verantwortlichen des Projekts und verweisen auf den Silser See in St. Moritz. Dort funktioniere dieses Prinzip bereits im Alltag.

Das Konzept des Seewasserkraftwerks, erklärt am Beispiel eines Luxushotels in St. Moritz. (Zur großen Ansicht auf das Bild klicken)
Das Konzept des Seewasserkraftwerks, erklärt am Beispiel eines Luxushotels in St. Moritz. (Zur großen Ansicht auf das Bild klicken)

Auch Bürgermeister Höß zeigt sich beim Thema Wärmegewinnung aus dem See aufgeschlossen. Darüber sei er bereits mit Norbert Kruschwitz vom E-Werk Tegernsee im Gespräch. Die Nutzung der Biomasse durch Hackschnitzel kann sich Höß ebenfalls in absehbarer Zukunft vorstellen: „Hier haben schon die Bayerischen Staatsforsten und Franz Josef Haslberger Interesse gezeigt, Holz zu liefern.“

Nachdem aber die Gemeinde noch nichts über die konkrete Zukunft des Jodschwefelbades und seines Energiebedarfs wisse, habe dies noch keine Priorität. „Im Wesentlichen wird man bei uns aber Biomasse nutzen können, denn die wächst bei uns nach“, da ist sich Höß sicher.

Wiessee setzt auf Solarenergie

Auch beim Ausbau von Solarenergie sei in Wiessee noch viel Luft nach oben. In der Gemeinde seien erst 36 Solaranlagen installiert, so die Studie. Zurzeit werde geprüft, welche Gebäude im Gemeindebesitz sich besonders für Solaranlagen eignen würden. „Auch müssten die zweifellos vorhandenen Einsparpotenziale stärker genutzt werden“, betont der Bürgermeister. Beispiel sei die energiesparende LED-Straßenbeleuchtung. Sie werde schon bald kommen. Man habe zwar noch funktionierende und umfangreiche alte Technik, „aber bei neuen Straßen strahlen nur noch LED-Leuchten“.

Ein großer Schritt hin zur Energiewende ist dies zweifellos noch nicht. Ilse Aigner hatte sich da wohl etwas mehr Effizienz ihres Pilotprojekts „Energiecoaching für Gemeinden“ erhofft. Aber sie weiß aus ihren täglichen Erfahrungen mit Horst Seehofer: Bei den erneuerbaren Energien braucht es in der Politik, ob im Bund oder in Kommunen, einen langen Atem.

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