Duft von frischem Heu

Er hat keine gute Nachricht für mich, als ich auf dem Hof ankomme. „Es dauert no a Stund“, berichtet Josef Stadler, Landwirt auf dem „Webermo-Hof“ in Rottach-Egern. Das Heu ist noch nicht ganz so weit wie gedacht.

Das Thermometer zeigt zwar 28 Grad Lufttemperatur im Schatten, und die Sonne brennt gnadenlos vom Himmel. Aber das Gras trocknet erst seit knapp eineinhalb Tagen. Da ist es sowieso schon erstaunlich, dass es heute überhaupt eingebracht werden kann.

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Wer jetzt denkt, man hat die Stunde Zeit, Däumchen zu drehen, der irrt. Auf einem Bauernhof gibt es immer genug zu tun, gerade jetzt im Sommer zur Erntezeit. Während Ludwig, der jüngste Sohn der Stadlers, die Kühe von der Weide holt, ist sein Bruder mit dem Maschinenpark beschäftigt. Vater Josef lädt die vergangene Fuhre Heu vom Ladewagen ab, um Platz zu schaffen für die kommende.

Die vergangene Ernte verstauen

Routiniert steuert er sein langes Vehikel – bestehend aus Traktor und Ladewagen – rückwärts über den höfischen Kiesweg zu dem langen, roten Laufband auf der Nordseite des Anwesens. Der Ladewagen entlässt hinten seine luftige Ladung auf das Band, von wo aus diese per Gebläse in die Scheune transportiert wird.

Die Verfütterung von frischem Heu ist die ursprünglichste aller Milcherzeugungen. Gerade die wertvollen Bestandteile im Futter machen die Milch so besonders. Heumilchkühe genießen den ganzen Sommer frische Luft und eine Vielzahl an saftigen Gräsern und Kräutern auf der Weide. Je höher der Artenreichtum, desto höher sind auch Qualität und Aroma der Milch.

Zurück zum „Webermo“ in die Scheune zum Abladen der Fuhre. Eine Heutrocknungsanlage, wie mancher der rund 20 Bauern, die die Naturkäserei beliefern, hätte Stadler auch gerne. Sie würde die Abhängigkeit von wechselhaftem Wetter reduzieren, da das Gras kürzer auf der Wiese trocknen müsste, um anschließend in der Scheune maschinell belüftet zu werden.

Heu für den langen Winter

Aber die Investition in eine Kondensationsheutrocknungsanlage wäre im Moment zu groß. Geschätzte 25.000 Euro würde so eine Maschine kosten. Da das bestehende Betriebsgebäude aber nicht optimal geeignet dafür ist, wäre noch ein zusätzlicher Anbau nötig. Und damit wäre man dann schon bei rund 150.000 Euro. Deshalb muss es einstweilen noch so gehen.

16 Hektar Grünland hat der 46-Jährige zur Verfügung, um das Futter für seine Tiere zu ernten. Wenn das Wetter mitspielt, kann man viermal pro Saison heuen. „Die werden es heuer nicht“, bedauert er. Bisher hatte es Petrus noch nicht so gut gemeint mit den Bauern. Regen floss reichlich. Und es war zu kalt. „Dafür gibt es mehr Menge, das gleicht’s wieder aus“, sagt der Landwirt.

Josef und seine Frau Anastasia haben jahrzehntelange Erfahrung mit dem Heuen. Im Jahr 1993 hatten seine Eltern ihnen den Hof übergeben, auf dem die beiden zusammen mit ihren drei Kindern seither leben. Die Arbeitsteilung ist klar definiert: Anastasia ist als Gastgeberin für die am Hof und im Almhaus – einem Ferienhaus in den Bergen – untergebrachten Feriengäste ausgelastet. Ihr Mann stemmt alle Arbeiten rund um die Landwirtschaft, unterstützt von den 14- und 16-jährigen Söhnen. Tochter Sophia ist gerade mit ihrem Studium beschäftigt.

15 Milchkühe gehen täglich auf die nahen Weiden, um Gras zu fressen. 13 Jungtiere sind seit Kurzem auf der Alm, wo sie den Sommer verbringen. Auch ein paar Kälber stehen im Stall. Das Heu ist hauptsächlich für die Zeit gedacht, in der nichts Grünes draußen wächst. Teilweise wird es aber auch jetzt zugefüttert. Gleich wird die Melkmaschine angeworfen. Auf Hygiene wird allergrößter Wert gelegt, denn der Milchprüfring und auch die Naturkäserei überprüfen regelmäßig die Keimzahlen und nehmen Rohmilchgärproben.

Hohe Milchqualität durch Verzicht auf vergorene Futtermittel

Um den hohen Qualitätsstandard zu halten, sind alle bemüht, bestens zu wirtschaften. Wichtig ist sowohl die Tiergesundheit mit möglichst homöopathischen Behandlungsmethoden. Außerdem eine naturnahe und nachhaltige Landwirtschaft. Kein Einsatz von Kunstdünger. Täglicher Weidegang. Geringer Kraftfuttereinsatz. Gentechnikfreies Futter. Keine Fütterung von Silage, einem durch Milchsäuregärung konserviertem Futtermittel.

Dadurch ist nicht nur der Geruch auf dem Hof besser geworden. Der wichtigste Grund für Heumilch ist ein anderer. In der Silage befinden sich Buttersäurebakterien – sogenannte Clostridien. So füttert man heute Heu statt Silo. Durch den konsequenten Verzicht von vergorenen Futtermitteln kann Käse ohne Zusatz von Konservierungsmitteln erzeugt werden. Der Gärprozess im Käse setzt sich nicht fort. Ansonsten würde es ihn “blähen”, und daraufhin würde der Käse reißen, vor allem beim lange gereiften Bergkäse.

Quelle: Naturkäserei Tegernseer Land

Rund 300 Liter Milch fährt der Milchfahrer täglich morgens um 6:25 Uhr vom Hof zur Naturkäserei. Zusätzlich wird in der „Milchkammer“ selbst pasteurisiert. Diese Methode, bei der für eine halbe Stunde eine Temperatur von 65 Grad Celsius erreicht wird, macht die Milch länger haltbar.

Außerdem sollen damit eventuell in der Milch vorkommende unerwünschte Mikroorganismen unschädlich gemacht werden. Das Milcheiweiß wird gering denaturiert, die Vitamine bleiben jedoch nahezu völlig erhalten. Die Milch wird dann – in Kannen gefüllt – an örtliche Hotels und andere Abnehmer ausgefahren.

Vom Feld in die Scheune

Damit die wertvolle Heumilch das ganze Jahr über hergestellt werden kann, muss Stadler aber jetzt erst mal aufs Feld zum Heuen. Dazu schwingt er sich auf den Fahrersitz seines Traktors. Ich darf mitfahren. Das Mähen des Grases sowie das sogenannte „Kreiseln“ – bei dem das Heu gewendet wird, damit es von allen Seiten trocken wird – sind bereits geschehen. Jetzt kommt der sogenannte Schwader zum Einsatz, der hinten am Traktor angehängt ist.

Damit wird das Heu zusammengerecht und zu langen Wellen aufgehäuft. So kann es die Nacht über draußen liegen, und der Tau befeuchtete nur die äußere Schicht. Morgens wird das Heu dann wieder „gekreiselt“ – zum Trocknen auseinandergezogen und gewendet –, um es jetzt ein weiteres Mal zu Wellen zu formen.

Schließlich nimmt es der Bauer mit dem ratternden Ladewagen auf, um es in der Scheune unterzubringen. Mit dieser traditionellen Bewirtschaftung tragen Heumilchbauern zur Artenvielfalt bei. Und die Käsemacher schwören seit jeher auf den reinen Geschmack von Heumilch.

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