Junge Familien kommen kaum zum Zug

Ergänzung vom 29. November / 17:12 Uhr
Die Themen bezahlbarer Wohnraum und Einheimischenprogramm beschäftigen uns ja bereits seit einiger Zeit. Erst vor wenigen Tagen haben wir über lange Wartelisten für Gemeinde- und Sozialwohnungen sowie den wenigen Einheimischenprogrammen berichtet. Nun ist der Brennpunkt “Bezahlbarer Wohnraum” erneut auf die Tagesordnung gerückt.

Friedericke Enders und Hanni Lorenz, die beiden Initiatorinnen des vor wenigen Wochen gegründeten Tegernseer Familienforums haben sich auf der gestrigen Bürgerversammlung energisch zu Wort gemeldet und klare Aussagen von Bürgermeister Peter Janssen gefordert.

Konkrete Projekte

Ihr Anliegen: Mehr bezahlbaren Wohnraum für junge einheimische Familien schaffen. Lorenz erläuterte das gestern Abend mit den folgenden Worten:

Ich habe im Freundeskreis einige junge Familien, die trotz eines beträchtlichen Budgets von circa 800.000 Euro niemals zum Zuge kommen, da es immer jemanden gibt der einfach noch etwas mehr Geld bietet. Zur Zeit ist es nur sehr schwer möglich für ortsansässige Familien noch etwas zu finden.

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Enders und Lorenz wollten darüber hinaus wissen, wie die Stadt mit diesem Problem in Zukunft umgehen wird. Die beiden Frauen nannten auch gleich noch ein konkretes Projekt, um für den Mangel schnell Abhilfe zu schaffen. “Die Stadt könnte sich doch bei dem brachliegenden Tegernseer Krankenhausareal um einen sozialverpflichteten Investor bemühen.”

Bei der gestrigen Bürgerversammlung in Tegernsee

Den selben Wunsch hatten sie bereits im Rahmen einer Pressemitteilung zur Gründung des Tegernseer Familienforums vor wenigen Wochen geäußert.

“Haben schon viel getan”

Bürgermeister Janssen wollte sich zu einer Nutzung des Krankenhausareals in dieser Form nicht äußern und verwies auf den noch gültigen Vertrag zwischen der Wittelsbacher Park Immobilien GmbH und dem Landratsamt Miesbach: “Der Vertrag läuft noch. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.”

Wie bereits zuvor berichtet ist dies vielleicht theoretisch der Fall. Praktisch sind sich beide Parteien – Investor und Landratsamt – einig, dass der Vertrag aufgelöst wird.

Der Bürgermeister blieb somit eine konkrete Antwort schuldig, wie auch Fredericke Enders anmerkte: “Das war aber jetzt keine Antwort, auf die Frage was die Stadt für die jungen Familien in Zukunft tun will.” Janssen ließ auch dies unbeantwortet und erklärte stattdessen:

Wir haben schon viel für junge Familien getan und werden auch weiterhin einiges tun.

Ursprünglicher Artikel mit der Überschrift: Für Einheimische in Zukunft unbezahlbar?

Wir leben in einer der teuersten Ecken Deutschlands. Für 140 Quadratmeter Einfamilienhaus werden beispielsweise in Tegernsee bis zu 1.200.000 Euro aufgerufen. Doch nicht alle Bürger im Tegernseer Tal haben das Glück, vermögend oder im Besitz einer eigenen Immobilie zu sein. Sehr viele können sich eine eigene Wohnung nicht leisten oder kommen sogar trotz Berufstätigkeit Monat für Monat finanziell gerade so über die Runden.

Doch welche Möglichkeiten haben auch weniger finanziell gutgestellte Talbürger und junge Menschen in Zukunft um im Tal zu wohnen? Wir haben unterschiedliche Ansätze von der Sozialwohnung bis zum Einheimischenprogramm betrachtet.

Soziales Wohnen in Tegernsee. Hier in der Seestraße sind acht Wohnungen vorhanden.
Soziales Wohnen in Tegernsee. Hier in der Seestraße sind acht Wohnungen vorhanden.

Es gibt Talbürger, bei denen das monatliche Einkommen nicht einmal ausreicht, um die laufenden Kosten, wie etwa für die Wohnungsmiete oder die Grundbedürfnisse zu decken. Eine Hoffnung für die finanziell Schwächsten sind Sozialwohnungen. Doch die Chance, am Tegernsee eine solche Wohnung zu bekommen, ist derzeit eher gering. Es sind zwar einige dieser Wohnungen vorhanden, die hohe Nachfrage sorgt jedoch für lange Wartelisten.

Sozialwohungen als Lösung für Geringverdiener

Sozialwohnungen sind in der Regel im Besitz von Gemeinden und über staatliche Zuschüsse finanziert. Doch um Anspruch auf eine solche Wohnung zu haben, benötigen Interessierte einen Wohnungsberechtigungsschein, ausgestellt vom Landratsamt Miesbach. Grundvoraussetzung dafür ist unter anderem die konkrete Angabe, warum man sich selbst als sozial bedürftig einstuft.

So darf das Einkommen eines Alleinverdieners im Landkreis Miesbach jährlich nicht mehr als 14.000 Euro Brutto betragen. Bei einem Zweipersonen-Haushalt ist die Einkommensgrenze 22.000 Euro. Jede weitere Person im Haushalt darf jährlich nicht mehr als 4.000 Euro zur Haushaltskasse beisteuern.

Viele Bewerber auf wenige Wohnungen

Wenn man vom Landratsamt Miesbach also anhand der Angaben als „sozial bedürftig“ eingestuft wird und daher eigentlich einen Anspruch auf eine Sozialwohnung hat, heißt das allerdings noch lange nicht, dass auch eine solch kostengünstige Wohnung zur Verfügung steht. Rund um den Tegernsee gibt es derzeit nur in zwei Orten Sozialwohnungen. In Tegernsee sind es laut Geschäftsleiter Hans Staudacher acht. In Bad Wiessee spricht Petra Bollen in der Sölbachtalstraße von 23 solcher Objekte. Kreuth, Rottach und Gmund haben laut Auskunft aus den jeweiligen Verwaltungen keine Sozialwohnungen.

Die wenigen vorhandenen Wohnungen sind derzeit aber alle belegt. Darüber hinaus gibt es in den Gemeindeverwaltungen Wartelisten, die nach den sozialen Gesichtspunkten der Berechtigungsscheine und auch nach Eingangsdatum der Anträge bearbeitet werden. So gibt es beispielsweise in Bad Wiessee laut der Verwaltungsmitarbeiterin Bollen derzeit noch 17 offene Anträge, die nicht bedient werden können.

Alternative: Gemeindewohnung

Neben Sozialwohnungen gibt es am Tegernsee auch zahlreiche Gemeindewohnungen. Dabei ist es interessant zu wissen, dass, sobald die Gemeinden den Kredit für den Bau der sozialen Gebäude abbezahlt haben, die Häuser und die darin befindlichen sozialen Wohnungen zu Gemeindewohnungen werden. “Dann fällt die sogenannte Sozialbindung für die Gemeinden weg”, erklärt Tegernsees Geschäftsleiter Hans Staudacher.

Die Laufzeit für die Kredite beträgt in der Regel 20 bis 25 Jahre. Im Anschluss an den getilgten Kredit steht dann die Entscheidung an, welcher Antragsteller zukünftig eine Wohnung bekommt. Die Entscheidung treffen die Gemeinden und die Voraussetzungen, um eine solche Wohnung zu bekommen, sind dabei nicht gar so “streng”. So muss man beispielsweise nur eine beinahe formlose Selbstauskunft ausfüllen.

In Wiessee existieren derzeit rund 200 Gemeindewohnungen, die laut Geschäftsleiter Michael Herrmann aber auch alle komplett belegt sind. Eine Warteliste gibt es auch hier. “Auf der stehen derzeit über 100 Personen,” so Herrmann weiter. Wenn einmal eine Wohnung frei wird, erfolgt die Vergabe nach dem Eingang der Anmeldung und unter Berücksichtigung sozialer Belange.”

In der Setzbergstraße in Bad Wiessee befindet sich eine Siedlung mit vielen Gemeindewohnungen.
In der Setzbergstraße in Bad Wiessee befindet sich eine Siedlung mit vielen Gemeindewohnungen.

Dabei hatte es im letzten Jahr zuletzt im letzten Jahr Streit um die Vergabe der Gemeindewohnungen gegeben. CSU Gemeinderätin Ingrid Versen hatte der Verwaltung “willkürliches Verhalten” bei der Vergabe vorgeworfen. Dass die Wohnungsvergabe sehr wohl objektiv erfolgt, erläuterte Bürgermeister Peter Höß im Nachgang mit den folgenden Worten:

Die Wohnungsvergabe erfolgt auf Grund verschiedener Kriterien wie erforderliche Raumgröße, Personenzahl, finanzielle Situation des Antragstellers und sozialer Gesichtspunkte. Hierzu wird eine Warteliste geführt, die von unseren Mitarbeitern in der Reihenfolge der eingegangen Bewerbungen abgearbeitet wird.

Doch auch ein objektiver und nachvollziehbarer Prozess ändert nichts an dem Umstand, dass sozial-verträglicher Wohnraum im Tegernseer Tal knapp ist. So ist auch in Rottach-Egern laut Geschäftleiter Josef Brummer derzeit keine der 140 gemeindlichen Wohnungen frei. 42 Bewerber müssten vorerst noch auf Antwort warten.

In Kreuth sind es derzeit 24 Wohnungen. Auch die sind im Moment jedoch alle belegt. Ein weiteres Problem ist, dass bei einer Vielzahl der Gemeidewohungen die soziale Bindung bereits seit längerem ausgelaufen ist. Die Kommunen können die Objekte daher langsam aber sicher auf das normale Mietpreisniveau im Tal anpassen. Viele Gemeindewohungen werden daher in zukunft teurer werden.

Einheimischenprogramme für junge Familien

Betrachtet man die Nachfrage, sind Gemeindewohnungen also eine sehr beliebte Einrichtung. Es wird jedoch auch deutlich, dass es noch immer deutlich zu wenig solcher Angebote gibt. Warum, das erläutert der Kreuther Bürgermeister Josef Bierschneider folgendermaßen:

Die Gemeinden sind hier auf Grundstückseigentümern angewiesen, die bereit sind ihre Grundstücke zu einem vernünftigen Preis an die Kommunen zu verkaufen. Diese Bereitschaft ist aber leider nicht immer vorhanden

Eine Tatsache die auch bei einer weiteren Möglichkeit der Förderung von bezahlbarem Wohnraum eine große Rolle spielt. Die Rede ist von Einheimischenprogrammen mit deren Hilfe vor allem jungen Familien ein finanzierbarer und kostengünstiger Baugrund zur Verfügung gestellt werden soll. “Die Idee hinter einem solchen Einheimischenprogramm ist es, eine bestimmte Fläche im Hinterland bebaubar zu machen und dort jungen Familien eben die Möglichkeit zu geben zu vergünstigten Konditionen zu bauen”, so der Tegernseer Geschäftsleiter Hans Staudacher.

Doch auch hier gilt das gleiche wie bei Sozialwohnungen. “In Tegernsee haben wir nur wenig geeignete Flächen, die sich auch in Gemeindebesitz befinden”. Aus diesem Grund sind solche Programme derzeit in keiner der Kommunden geplant. Das letzte Einheimischenprogramm wurde vor zwei Jahren in Gmund und in Kreuth verwirklicht. In Kreuth hatten sich am Ende 17 Bewerber auf ein 400-Quadratmeter großes Grundstück in Scharling beworben.

In der Nähe der ehemaligen Tennishalle gab es vor einigen Jahren ein Einheimischenprogramm der Gemeinde Kreuth

Doch auch in Weissach in der Nähe der ehemaligen Tennishalle konnte die Gemeinde vor über sechs Jahren Bauland erwerben und bot dieses Einheimischen zu Sonderkonditionen an. Interessenten mussten hierfür einen von der Gemeinde erstellten Fragebogen ausfüllen. Somit sollte die Berechtigung eines jeden Bewerbers auf ein Grundstück evaluiert werden.

“Der Fragebogen war an ein Punktesystem gekoppelt. Kriterien waren unter anderem wie lange eine Familie bereits in Kreuth wohnt, die Kinderzahl und natürlich das Einkommen. Am Ende bekam der Bewerber den Zuschlag der bei allen Bewertungseinheiten am besten abgeschnitten hatte,” so beschreibt Geschäftsleiter Hans Patzelsperger das Vorgehen der Kreuther.

Stirbt das Tal aus?

Diese Projekte stellen – mangels geeigneter Flächen – allerdings die Ausnahme im Tegernseer Tal dar. Eine Entwicklung, die Markus Wrba, Mitglied des Kreuther Gemeinderates mit Sorge betrachtet.

Hier geht die Entwicklung ganz klar an den jungen Einheimischen vorbei. Die Kommunen müssen mehr Augenmerk auf sozialen Wohnungsbau und Einheimischenprogramme legen. Durch die zunehmende Verdichtung und die Freihaltung von Grünflächen wird das Baulannd immer teurer. Daher wird es gerade für junge Leute immer teurer, hier zu leben.

Als Folge einer solchen Entwicklung sieht Wrba, dass viele junge Menschen aus dem Tal abwandern und prognostiziert für Kreuth aber auch für die anderen Kommunen daher einen deutlichen Anstieg der Altersstruktur. Die aktuellen Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik stützen Wrbas These.

“Derzeit haben wir ein Durchschnittsalter von 46,8 Jahren. Machen wir so weiter, ist es 2030 bei 56, und irgendwann sterben wir aus”, so Wrba. Der Rechtsanwalt bezieht sich bei seinen Aussagen auch auf Zahlen aus dem Landratsamt. Demnach gibt es im Landkreis Miesbach und besonders im Tegernseer Tal nicht genügend bezahlbaren Wohnraum für junge Familien.

Dabei warnt der FWG-Gemeinderat auch davor, dass bei der derzeitigen Entwicklung die Schulen in absehbarer Zeit nicht länger erhalten werden könnten. “Irgendwann wird sich die Überalterung auch auf das tägliche Leben negativ auswirken. Und dem müssen wir aktiv vorbeugen.”

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