Eberwein schließt für immer

Aldi, Lidl und Co. machen den kleinen Traditionsbäckereien mit ihren Angeboten zu schaffen. Dabei ist auch der Nachwuchsmangel ein großes Problem für die kleinen Bäcker. In Tegernsee erwischt es nun den nächsten: Traudl Eberwein wird Ende Januar ihren Betrieb einstellen.

Traudl Eberwein (re.) schließt muss ihre Bäckerei Ende Januar schließen.
Traudl Eberwein (re.) muss ihre Bäckerei Ende Januar schließen.

Seit 1948 verkauft Familie Eberwein in der Schwaighofstraße in Tegernsee ihre Semmeln, Plundergebäck und eine kleine Auswahl an Lebensmitteln. Doch bald gehört der Laden der Vergangenheit an. Ende Januar schließt die Traditionsbäckerei. Eigentümerin Traudl Eberwein bedauert zwar das Ende, aber der Konkurrenzdruck der gegenüberliegenden Lidlfiliale samt Backshop sei einfach zu groß geworden:

Der Hauptgrund, warum wir schließen müssen, ist der Strukturwandel. Durch die Backwaren der Supermärkte ist unser Geschäft einfach nicht mehr finanzierbar.

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Die Kunden könnten heutzutage billigere Möglichkeiten nutzen, um an ihre Ware zu kommen, stellt die ehemalige Oberstudienrätin fest. „Die Tabakinsel, Tankstelle und der Lidl – Hier im Umkreis gibt es viele preisgünstigere Alternativen.“

Bürgermeister verliert Stammcafé

Bis 2011 war Traudl Eberwein im Schuldienst, dann hat sie die Bäckerei von ihrem Vater Richard übernommen. Trotz der schwindenden Umsätze innerhalb der vergangenen zwei bis drei Jahre schätzt die 63-Jährige ihre Stammkunden nach wie vor. Sie berichtet von vielen treuen und qualitätsbewussten Stammkunden, „aber die alleine halten leider keinen Betrieb aufrecht. Trotzdem möchte ich mich bei all meinen Stammkunden für die langjährige Treue bedanken“, so Eberwein.

Zu den besagten Stammkunden gehört bislang auch Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn. Auch er findet es schade, dass die Traditionsbäckerei schließen muss:

Die Traudl Eberwein kenne ich als Stammgast schon länger persönlich. Dass ich mein Stammcafé verliere, ist für mich tatsächlich ein Verlust.

Für Tegernsee endet damit eine Ära. Doch Eberwein selbst kann die Türen ihrer Filiale mit ruhigem Gewissen schließen. Ihre neun Mitarbeiter haben eine andere Arbeitsstelle gefunden. „Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt aufzuhören“, sagt die Besitzerin.

Bis zu 80 Stunden Wochenarbeitszeit

Eberweins Geschichte ist kein Einzelschicksal. Bäckermeister Johann Gschwendtner betreibt schon seit vielen Jahren seinen Laden am Steinmetzplatz in Tegernsee. Er weiß, wovon seine Mitbewerberin spricht. „Wenn man die Arbeitszeiten eines Bäckers bedenkt, kann er nicht mit den Discounterpreisen mithalten. Ich arbeite im Winter im Schnitt 50 bis 60 Stunden pro Woche.”

Im Sommer steigt Gschwendtners Wochenarbeitszeit sogar auf 80 Stunden pro Woche. Dann macht der 54-Jährige selbstgemachtes Eis. Bäcker Hans betreibt seine Bäckerei alleine, weil er den Mindeststundenlohn von 8,50 Euro nicht bezahlen könne. In der Nacht wird gebacken, am Tag wird verkauft und am Wochenende muss er sich um die Verwaltung kümmern. Aber: “Das funktioniert nicht mehr.”

Daher könnte Gschwendtner auch der nächste Bäcker sein, der seine Türen in Tegernsee schließen muss. Bereits im Sommer könnte eventuell schon Schluss sein.

Positive Stimmung bei Bäcker Schinagl

Ein anderes Fazit fällt hingegen Bäckermeister Rupert Schinagl. Seit der Neueröffnung Ende 2014 läuft es gut. “Die Resonanz war super. Wir merken, dass die Leute auf Qualität achten.”

Der Name Schinagl ist im Tal schon lange bekannt. Der Traditionsbetrieb war vorher in der Tegernseer Hauptstraße ansässig. Dort gab es ihn schon seit 1895. 1973 wurde die Bäckerei dann von der Familie Schinagl übernommen und war seitdem nicht mehr aus Tegernsee wegzudenken.

Rupert Schinagl betreibt erfolgreiche seine neue Bäckerei am Steinmetz.
Rupert Schinagl (Mitte) betreibt erfolgreich seine neue Bäckerei am Steinmetzplatz.

33 Jahre lang führten die Schinagls den Betrieb in der Hauptstraße, ehe sie im Jahr aufhörten. Weil Rupert Schinagl das Bäckerhandwerk bereits im elterlichen Betrieb gelernt hatte, stand für ihn 2014 fest, wieder einen Bäckerladen zu führen.

Obwohl es bei ihm gut läuft, kennt er natürlich die Probleme in der Branche. Er sieht als vorrangiges Problem nicht die Backshops der Supermärkte, sondern den Mangel an gutem Nachwuchs. Dieser sei “rar geworden”, so Schinagl. “Wer nicht aus einer Bäckereifamilie stammt oder einen Kundenstamm hat, kann nur schwer in dieser Branche Fuß fassen.”

Das bestätigt auch Armin Werner vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks gegenüber Zeit Online: “Der Druck in der Branche ist riesig. Die wenigen Bäcker, die geblieben sind, mussten ein neues Konzept entwickeln und sich vergrößern.”

Die Discounter können also nicht alleine für das Bäckersterben verantwortlich gemacht werden. Fehlender Nachwuchs, Konsumentenverhalten und die herausfordernden Arbeitszeiten tragen dazu bei, dass nicht nur im Tal kleinere Bäckereien weiter sterben werden.

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