“Kein Verständnis für Eingriff des Freistaates”

Zweite Ergänzung vom 26. September / 8:38 Uhr
Dass das Landesentwicklungsprogramm, dem der Freistaat Bayern im Mai dieses Jahres zugestimmt hat, in den Gemeinden umstritten ist, weiß man nicht erst seit den ablehnenden Stellungnahmen aus Waakirchen und Tegernsee.

Nun haben auch Gmund und Kreuth Stellung bezogen. Und speziell die Kreuther ärgern sich über die wiederholte Nichtaufnahme in das sogenannte Mittelzentrum, zu dem die vier übrigen Tal-Gemeinden bereits gehören. Aber auch andere Passagen gehen den Gemeinderäten beider Kommunen gegen den Strich.

Ist die Naturkäserei in Kreuth auch wirtschaftlich ein Vorzeigeprojekt?
Hätte der Gemeinderat den Bau der Naturkäserei in Kreuth überhaupt genehmigen? Laut LEP muss das Gewerbegebiet mindestens drei Hektar groß sein.

„Wir kämpfen seit Jahren darum in das Mittelzentrum Tegernseer Tal aufgenommen zu werden“, erklärte Kreuths Bürgermeister Josef Bierschneider auf der jüngsten Gemeinderatssitzung. Der Kreuther Wunsch sei aber auch dieses Mal nicht berücksichtigt worden.

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In der nun gefassten Stellungnahme an die Regierung von Oberbayern weist die Gemeinde nochmals darauf hin und hofft nun endlich in dieser Sache gehört zu werden.

Ansonsten zeigten die Verwaltungen in Kreuth sowie in Gmund, wie bereits in Tegernsee und Waakirchen, kein großes Verständnis für den “Eingriff des Freistaates”. Vor allem die kontroverse Ausgestaltung der Vorgaben für Gewerbeansiedlungen wurde beanstandet.

Gmund von Ansiedlungsproblematik schon betroffen

So brachte der Gmunder Bürgermeister Georg von Preysing gleich ein konkretes Problem des neuen LEP zur Sprache. Dies sei, so von Preysing, auch einer der Hauptgründe, weshalb die Gemeinde das umstrittene Anbindungsgebot ablehnt: Dabei gehe es im konkreten Fall um die Abfüllanlage der Brauerei an der Kreuzstraße. „Wir müssen hier für einen Flächennutzungsplan kämpfen“, meinte von Preysing.

Das Gebiet habe nun eine komplett funktionierende Infrastruktur – die aber nicht von anderem Gewerbe mitgenutzt werden darf, weil das Areal für eine Ansiedlung weiterer Betriebe laut LEP noch zu klein sei. So müsste man laut dem aktuellen Entwurf wieder neue Gebiete irgendwo in der „Pampa“ ausweisen.

Außerdem bräuchten diese eine Mindestgröße von drei Hektar, was für kleine Gemeinden wie Gmund nicht darstellbar ist. “Uns wird hier eindeutig zu wenig Handlungsspielraum gegeben”, brachte es von Preysing auf den Punkt.

Gmund fürchtet Baustopp für Wohnhäuser

Weiterhin ist Gmund die Vorgabe zu „straff formuliert“, dass vorrangig Bereiche im Innenbereich zur Wohnentwicklung genutzt werden sollen. Gmund habe laut Preysing zwar viele bauliche Lücken, wie beispielsweise in Finsterwald.

Gmund plant in Steinberg eine neue Ausweitung der Siedlung. Eine Maßnahme, die bei einer strengen Umsetzung des LEP zukünftig nicht mehr möglich sein könnte.
Gmund plant in Steinberg eine neue Ausweitung der Siedlung. Eine Maßnahme, die bei einer strengen Umsetzung des LEP zukünftig nicht mehr möglich sein könnte.

Die Grundstücke – fast vier Hektar – befinden sich laut dem Gmunder Rathaus-Chef jedoch vornehmlich in privater Hand. Solange sie aber nicht verbaut sind, könnten laut neuer Bestimmung im Außenbereich keine neuen Siedlungen ausgewiesen werden. Letztlich würde dies zu einem Wohnungsbaustopp führen.

Keine Sitzung – keine Stellungnahme

In Rottach im übrigen hat man auf eine Stellungnahme verzichtet. “Wir sind nicht relevant betroffen”, sagt Bauamtsleiter Walter Hübsch in aller Kürze.

Bad Wiessee dagegen will laut Bauamtsleiter Helmut Köckeis grundsätzlich noch eine Stellungnahme nach München schicken. Hierbei muss die Gemeinde aber auf eine Fristverlängerung hoffen. Aufgrund der umfangreichen Organisation des Bayern 3-Dorffestes wurde die eigentlich im September geplante Gemeinderatssitzung vertagt. Möglich, dass man sich bei der nächsten Sitzung im Oktober dazu äußert. Doch auch von dort dürfte nicht viel gutes zum LEP kommen.

Ergänzung vom 13. September
In Tegernsee hatte sich der Stadtrat schon ablehnend zu den Absichten des Bayerischen Staatsministeriums für Infrastruktur geäußert. Nun hat auch Waakirchen Stellung zum Entwurf des Landesentwicklungsprogramms (LEP) bezogen. Und die Entscheidung fiel deutlich aus.

So schickt auch der Waakirchner Gemeinderat mit seinem einstimmig gefassten Beschluss ein klares Votum gegen die Aufweichung der Planungshoheit für Kommunen nach München. Denn ähnlich wie in Tegernsee sehen die Waakirchner Räte das Problem des neuen Landesentwicklungsprogramms darin, dass es nicht für kleinere Gemeinden geeignet ist.

Was bedeutet angemessene Siedlungsweiterentwicklung?

Im 75 Seiten umfassenden Entwurf vom 22. Mai 2012 schlägt das Staatsministerium unter anderem vor, eine Zersiedelung von Gemeinden zu vermeiden. Dieser Punkt wurde auch schon von den Vertretern des Bayerischen Gemeindetages aufs „heftigste kritisiert“. Denn über das neue LEP würde „massiv“ in die Planungshoheit der Gemeinden eingegriffen, so auch die einhellige Meinung der Waakirchner Gemeinderäte.

Außerdem sei die Formulierung einer „angemessene Weiterentwicklung der Siedlungen“ nicht genauer definiert. „Was das genau zu bedeuten hat, erschließt sich uns nicht“, so die Auffassung des Gremiums, das in seiner Stellungnahme nach einer genaueren Definition dieser Formulierung verlangt.

Kostenfrage ungeklärt

Letztlich ist den Räten in Waakirchen nicht ganz klar, wer beispielsweise die im LEP geforderten Lärmkarten zahlen soll. Ansonsten gab es rund um den vorformulierten Beschlussvorschlag keinerlei Diskussionsbedarf und so wurde dieser nach kurzer Beratung einstimmig abgesegnet.

Der Gemeindetag wird nun ein Schreiben vom Waakirchner Rathaus erhalten, welches dann wiederum zusammen mit einer Menge weiterer negativen Stellungnahmen von anderen Gemeinden an das Bayerische Staatsministerium weitergeleitet wird. Inwieweit die kritisierten Punkte noch nachträglich in das Landesentwicklungsprogramm eingearbeitet werden, muss sich dann allerdings noch zeigen.

Ursprünglicher Artikel vom 06. August
Der Ministerrat des Freistaates Bayern hat am 22. Mai 2012 dem Entwurf einer aktuellen Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) zugestimmt. In der letzten Tegernseer Stadtratssitzung stand diese Entscheidung nun auf der Tagesordnung zur Debatte. Dabei stimmte das Gremium über eine Stellungnahme zum LEP ab und äußert darin klare Bedenken gegenüber den Plänen des Freistaates.

Das LEP im Überblick

Das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) ist das querschnittsorientierte Zukunftskonzept der Bayerischen Staatsregierung. Im LEP sind die für die räumliche Ordnung und Entwicklung Bayerns wichtigen Grundsätze und Ziele festgelegt. Das Landesentwicklungsprogramm wurde 1976 erstmals aufgestellt und bis 2006 insgesamt fünfmal fortgeschrieben. Ein wesentliches Ziel ist die Erhaltung und Schaffung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen “Landesteilen Bayerns”.

Durch den LEP gilt in ganz Bayern eine einheitliches Konzept
/ Quelle:Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit

Das LEP ist bindend für alle öffentlichen Stellen und bietet eine Orientierungshilfe für private Planungsträger. Die Städte und Kommunen haben aber bis zum 21. September 2012 die Möglichkeit sich schriftlich zu den Plänen der Landesregierung zu äußern und Vorschläge zu machen.

Auch die Stadt Tegernsee ist dem Beispiel vieler anderer Gemeinden gefolgt und hat eine Stellungnahme formuliert. Über diese stimmte der Stadtrat im Zuge der letzten Sitzung ab. Das Fazit des geplanten Briefes an die Landesregierung ist derweil eindeutig: Die Stadt Tegernsee lehnt den Landesentwicklungsplan ab.

Gründe für die Ablehnung

Bürgermeister Peter Janssen begründete im Vorfeld der Abstimmung diese Haltung gegenüber dem Stadtrat und machte dabei deutlich, dass das Programm insbesondere die Bedürfnisse kleinerer Kommunen und Städte nicht in ausreichender Art und Weise berücksichtige. Janssen spielt dabei auf ein wesentliches Ziel des LEP, die Vermeidung von Streusiedlung, an.

Tegernsee lehnt den aktuellen Landesentwicklungsplan ab.

Die Stadt Tegernsee unterstützt zwar das Anliegen als solches, lehnt jedoch die vom Land Bayern vorgesehenden Ausnahmen ab. Diese sehen Genehmigungen im Außenbereich nur für das produzierende Gewerbe mit einer Fläche von über 3 Hektar (30.000 Quadratmeter) vor. Gerade die Beschränkung auf Betriebe einer solchen Größenordnung ist Tegernsee dabei ein Dorn im Auge.

Projekte wie die Abfüllanlage in Gmund würden wegen zu geringer Größe keine Genehmigung erhalten, Hotels an der Auflage der Nutzung als produzierendes Gewerbe scheitern, wie Janssen im Stadtrat erläuterte. “Die kommunale Planungshoheit muss unbedingt erhalten bleiben”, daher plädiere ich für eine Regelung, die die Betriebsgröße in Relation zur Größe der jeweiligen Stadt oder Gmeinde setzt.”

Von der Verkehrs- bis zur Raumplanung

Auch im Bereich Verkehrsplanung und zum Thema Lärmschutz wünscht sich Janssen mehr Rücksicht des Freistaates auf die regionalen Belange. Es wäre sicher zu begrüßen, wenn der Landkreis für Lärmschutzmaßnahmen in Tegernsee bezahlt und sich dabei eng mit der Stadt abstimmt.

Lärmschutzwände sieht Janssen dabei nicht als die beste Lösung an, vielmehr spricht sich die Stadt für eine besondere Art des Asphalts zur Eindämmung des Verkehrslärms aus. Darüber hinaus wurde in der Stellungnahme der Ruf nach einer Lkw Maut für alle Straßen, die als Ausweichrouten für Autobahnen in Frage kommen, laut. Dies würde die Verkehrs- und damit auch die Lärmbelastung deutlich reduzieren.

Das Land soll sich an Kosten für Lärmschutzt beteiligen

Weitere Kritik am LEP äußerte Janssen vor allem wegen des Ziels “Innenentwicklung vor Außenentwicklung”. Dies sieht vor, in Siedlungsgebieten die vorhandenen Potenziale der Innenentwicklung vorrangig zu nutzen. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn nachweisbar Potenziale der Innenentwicklung nicht zur Verfügung stehen.

Die Nachweisbarkeit ist dabei aber das große Problem wie Janssen auf Nachfrage von Dr. Martina Niggl-Fisser (Bürgerliste) erläuterte.

Selbst wenn das Potential im Innenbereich vorhanden ist, der Grundstückseigentümer aber nicht verkaufen will, darf es im Außenbereich trotzdem nicht ausgewiesen werden. Es geht letztlich darum, dass wir überhaupt handlungsfähig bleiben und das Subsidiaritätsprinzip weiter geachtet wird.

Eine Sichtweise der letztlich auch die Fraktion der Freien Wähler folgte.

Klares Votum im Stadtrat

Im Anschluss an die Diskussion wurde im Stadtrat über die Stellungnahme an den Freistaat Bayern abgestimmt. Der kritische Brief wurde von fast allen anwesenden Stadträten begrüßt, nur Thomas Mandl von der SPD stimmte dagegegen.

Ich unterstütze grundsätzlich die mit dem LEP verbundenen Anliegen. Die im Namen der Stadt Tegernsee formulierte Stellungnahme kann ich jedoch nicht untersützen, da die damit verbundenen Forderungen letztlich zu einer weiteren Bodenversiegelung durch neue Baumaßnahmen führen würden.

Die Stellungnahme der Stadt Tegernsee wird nun über den Gemeindetag an die höheren Stellen im Freistaat weitergegeben.

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