Lockdown: Das Warten auf den Führerschein

Im ersten Lockdown waren die Fahrschulen im Landkreis Miesbach für neun Wochen geschlossen. Seit dem 17. Dezember 2020 sind sie es wieder. Nichts geht. Weder Theorie- noch Praxisunterricht sind in Bayern erlaubt. Hat Mobilität auf dem Land keine Systemrelevanz mehr?

Praktischer Fahrunterricht streng nach Hygienekonzept

Bayerische Fahrschulen leiden. Im zweiten Lockdown hat die Staatsregierung die Arbeit der Fahrschulen fast komplett auf Eis gelegt. Anders als in einigen anderen Bundesländern geht nichts mehr. Auch der in Ausnahmefällen nun mögliche “Online Unterricht”, der Anfang Januar 2021 erlaubt wurde, bildet keine echte Alternative.

Dem hohen Aufwand durch Anschaffungskosten für die technische Ausstattung und die notwendige behördliche Genehmigung steht nur ein geringer Nutzen gegenüber. Daher empfiehlt selbst der Landesverband Bayerischer Fahrlehrer (LBV) seinen Mitgliedern gut abzuwägen, ob sich der Aufwand für den Online-Unterricht lohnt. Der praktische Fahrunterricht bleibt trotz eines bestehenden Hygiene Konzeptes alternativlos gestrichen.

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Wie ist die Lage im Tegernseer Tal?

Zwei Fahrschulbetreiber aus dem Landkreis haben stellvertretend für ihre Kolleginnen und Kollegen das Gespräch mit uns per ZOOM-Call gesucht: Stephan Schmidt von der Fahrschule Six in Gmund und Bad Wiessee und Andreas Thaler, Besitzer der Fahrschulen Thaler in Schliersee, Miesbach und Gmund.

Hallo Ihr Beiden. Zuerst einmal mal die Frage, wie geht es euch im harten Lockdown?

Schmidt: “Wir durften hier noch bis zum 17. Dezember unter strengen Hygienebedingungen ausbilden und zum Glück lief unser Geschäft bis dahin auch wirklich gut. Was wir jetzt an Unterstützung vom Staat oder Land bekommen, ist noch nicht klar. Aber darum kümmert sich mein Steuerberater. Bis Mitte Februar kommen wir wohl hin, aber dauert es noch länger, wird es auch für uns Fahrschulen sehr eng.”

Thaler: “Bei uns ist das ähnlich. Ärgerlich ist nur, dass die Regelungen in Hessen zum Beispiel andere sind als hier. Die dürfen ganz normal arbeiten. Das ist wohl im Föderalismus so. Verstehen muss ich es nicht.”

Ihr habt im Vorgespräch erzählt, dass besonders die Fahranfänger im Tal jetzt sehr viel Geduld brauchen. Warum ist das so?

Thaler: “Fast 60 Prozent unserer Schüler gehören der BF 17 Gruppe an (Anm. d. Redaktion: Begleitendes Fahren mit 17 Jahren). Viele von ihnen haben während der Lockdownpause den Theorieteil abgeschlossen und warten nun auf den praktischen Teil der Ausbildung und die Prüfung. Aber genau diesen praktischen Unterricht im Auto dürfen wir nicht geben. Diese Jungs und Mädels werden jetzt lange warten müssen, bis sie den Schein endlich bekommen.”

Schmidt: “Genau! Deshalb ist auch der Ausfall des theoretischen Unterrichts für uns das kleinere Problem. Wir haben in den letzten Monaten einen riesigen Berg an Anfragen für die Praktische Prüfung aufgebaut und es wird sehr lange dauern, bis wir den abgebaut haben. Deshalb auch unser dringender Appell an alle im Tal: Seid bitte geduldig, auch wenn es schwerfällt. Wir informieren jeden, sobald er dran ist.”

Wie halten es die Fahrschulen im Landkreis mit dem nun bis September freigegeben Online Unterricht für die theoretische Prüfung?

Thaler: “Der Online-Theorieunterricht ist nicht das, was wir brauchen. Wir hatten die Hoffnung, dass der praktische Einzelunterricht weitergeführt werden kann. Aber leider wurde daraus nichts. Schüler mit abgeschlossener Theorieausbildung haben wir mehr als genug, wie erwähnt. Außerdem bringt das für uns Fahrschulen in der jetzigen Situation nichts. Kosten und Nutzen stehen in keinem Verhältnis. Und die Konzepte sind noch weniger ausgereift als in anderen Bereichen.”

Verwaister Unterrichtsraum in der Fahrschule Thaler

Schmidt: “Ganz abgesehen davon halte ich den Präsenzunterricht aus pädagogischer Sicht für alternativlos. Das mag in der Zukunft kommen, aber für mich undenkbar, die Leute nicht vor mir im Übungsraum zu haben.”

Habt ihr grundsätzlich Verständnis für die Entscheidungen der Bundes- und Landesregierung zum Infektionsschutz?

Schmidt: “Klar tragen wir die Entschlüsse mit und halten uns daran. Aber mir kann keiner erklären, warum ein Taxifahrer weiterhin ihm wildfremde Personen transportieren darf, wir aber nicht mit einem ausgereiften Hygienekonzept mit einem Schüler den Fahrunterricht machen dürfen. Bisher ist mir hier im Tal kein Fall von Ansteckung bei der Fahrausbildung bekannt. Wir wenden uns hier auch besonders an das Landratsamt und die Staatsregierung. Lasst uns die Menschen so schnell wie möglich wieder praktisch ausbilden. An dem Führerschein hängen Existenzen. Vielleicht nicht wenn man Siebzehn ist, aber für viele Berufe sind der Schein und Zusatzausbildungen absolut notwendig.”

Thaler: “Ohne Schein kein Job – so einfach ist das manchmal leider.”

Im Gegensatz zu anderen Berufsbereichen seid ihr Fahrschulen nicht als systemrelevant eingestuft worden. Versteht ihr warum die Politik zu dieser Einschätzung kommt? Teilt ihr sie?

Schmidt: “Nein – wie kann Mobilität nicht systemrelevant sein? Nehmen wir nur unsere Gegend hier. Mal abgesehen davon, dass die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in Pandemie-Zeiten ein Risiko birgt, ist das Streckennetz von Bus und Bahn eher bescheiden ausgebaut. Und wenn man nicht direkt an der Regiobahn wohnt, ist man doch ohne Moped oder Auto aufgeschmissen. Dazu kommen noch alle, die beruflich auf ein Auto angewiesen sind.”

Thaler: “Und nicht zu vergessen, die Ausbildung für den öffentlichen Bereich – der Krankentransporte, dem ganzen öffentlichen Nahverkehr, und zum Beispiel der Transportlogistik. Alles Bereiche, die als systemrelevant eingestuft werden und weiterlaufen trotz Lockdown, oder? Warum wird dann eine Berufsgruppe nicht als systemrelevant eingestuft, die Mitarbeiter dieser Bereiche ausbildet? Das kann mir keiner erklären.”

Schmidt: “Dem stimme ich voll zu. Darüber sollten die Politiker mal nachdenken.”

Ich bedanke mich bei euch Beiden für das spannende Gespräch.

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