“Offensive Home Office” – auch am Tegernsee?

Viele junge Menschen verlassen das Tal. Ein Grund ist nicht zuletzt die mangelnde Perspektive für Berufseinsteiger und junge Familien. Außerhalb des Tourismus gibt es nicht viele Jobs im Tal.

Mit diesem Problem steht das Tegernseer Tal nicht alleine da. „Landflucht“ betrifft viele Regionen. In einem bisher einmaligen Testprojekt versucht der Bund, dieser Entwicklung entgegenzuwirken: durch gezielte Förderung von Heimarbeitsplätzen im ländlichen Raum.

landzukunft
„LandZukunft“ heißt die Initiative des Bundes. Ziel ist es, Zukunftsmodelle für den ländlichen Raum zu entwickeln.

LandZukunft” nennt sich das Projekt, das unter der Regie von Bundesministerin Ilse Aigner steht. Bei dem Modellprojekt, das im Rahmen der Demografiestrategie der Bundesregierung stattfindet, geht es darum, für den ländlichen Raum Wege zu finden, wie auch in einer alternden Gesellschaft Arbeitsplätze und Wertschöpfung auf dem Land gehalten werden können.

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Home-Office fördern, statt Arbeitsplätze schaffen?

Eines der spannendsten Projekte ist dabei die „Offensive Home-Office“. Der Ansatz dabei: Arbeitsplätze nicht neu zu schaffen oder Unternehmen mit Subventionen in ländliche Gebiete zu locken, sondern die Arbeitsplätze von den Unternehmen zu entkoppeln.

Durch den Ausbau digitaler Infrastruktur und gezielter Beratungsangebote an Unternehmen und Arbeitnehmer will der Bund Möglichkeiten schaffen, von zu Hause aus zu arbeiten. Zumindest den Großteil der Zeit. In der Beschreibung des bundesweit bisher einmaligen Ansatzes im Landkreis Cochem-Zell, das in der Nähe von Koblenz liegt, heißt es dazu:

Mit dem Projekt „Offensive Home-Office“ möchte der Landkreis Cochem-Zell Unternehmen darin unterstützen, Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen. Im Zuge der flächendeckenden Breitbandversorgung soll die Initiative es interessierten Arbeitgebern ermöglichen, die Umsetzbarkeit von Telearbeitsplätzen in ihrem Unternehmen zu erproben.

Ziele vom Projekt „Offensive Home-Office“:

    • Stärkung der vorhandenen Arbeitsplätze sowie des Beschäftigungsangebots durch die Errichtung von Telearbeitsplätzen
    • Reduzierung des Pendleraufkommens und damit Einsparungen bei Fahrtzeit und -kosten und dem damit verbundenen CO2-Ausstoß
    • Förderung eines familienfreundlichen Landkreises Cochem-Zell durch verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowohl hinsichtlich der Kinderbetreuung als auch der Betreuung älterer pflegebedürftiger Familienmitglieder
    • Erleichterung der Wiedereingliederung von Menschen, die in der Erwerbstätigkeit eingeschränkt sind, z. B. Alleinerziehende, behinderte Menschen
    • Gesundheitsprävention durch Arbeitszeitflexibilisierung

 

Die aufgelisteten Ziele umfassen auch viele der Probleme, denen auch das Tegernseer Tal gegenübersteht: Immer höheres Verkehrsaufkommen, nicht zuletzt auch durch Pendelverkehr. Die Förderung junger Familien. Chancengleichheit für Alleinerziehende und Behinderte. Jungen Menschen die Möglichkeiten bieten, Berufs- und Familienplanung zu vereinbaren.

500 Euro Unterstützung pro Heimarbeitsplatz

Mit dem Ballungsraum München liegt eine der wirtschaftlich stärksten Regionen Europas eigentlich direkt vor unserer Haustür. Trotzdem kennen Pendler die Belastung, die täglicher Stau und fehlende Zeit für Freizeit und Familie mit sich bringen. Das Tegernseer Tal kann mit dem Beschäftigungsangebot Münchens nie konkurrieren. Aus dem Tal arbeiten würden trotzdem viele gerne.

Dabei erscheinen die Summen, die das Modellprojekt im Landkreis Cochern-Zell vorsieht, fast schon überschaubar, um zumindest einen ersten Test zu fahren. 500 Euro stehen pro Jahr und Heimarbeitsplatz zur Verfügung. Damit sollen Internetanschlüsse und erforderliche EDV-Anpassungen bezahlt werden. Wichtiger ist aber das Beratungsangebot, das der Landkreis sowohl Unternehmen wie auch Arbeitnehmern anbietet. Dabei wird über die Möglichkeiten, aber auch Risiken bezüglich Datenschutz oder Ähnlichem informiert.

Es steht und fällt mit der Infrastruktur

Vor einiger Zeit hatten wir schon einmal über ein ähnliches Thema berichtet. “Der Tegernsee als Standort für Freiberufler?” war damals die Überschrift. Die Voraussetzungen sind allerdings fast die gleichen: Es braucht einen besseren Ausbau digitaler Infrastruktur. Aber auch die Schaffung öffentlicher Arbeitsräume kann sowohl für Freiberufler als auch für „Tele- oder Heimarbeiter“ interessant sein.

Öffentliche Arbeitsräume als Alternative zum Berufspendler? In Städten explodieren sogenannte Co-Working-Spaces.

In Großstädten wächst aus dieser Entwicklung seit einigen Jahren eine eigene Infrastruktur. Die Zahl der Co-Working-Spaces – öffentliche Plätze, an denen sich Menschen zum gemeinsamen Arbeiten treffen. Der Gedanke dahinter greift ebenfalls die Veränderung der Arbeitswelt auf: Anstatt durch die komplette Stadt in ein Büro zu pendeln, geht man nur ein paar Straßen weiter, setzt sich dort an einen freien Schreibtisch und nutzt die angebotene Infrastruktur: Bildschirme, Internet, Drucker und Telefon.

Zukunftsmusik oder unrealistische Spinnerei?

Noch mögen solche Konzepte im Tegernseer Tal nach Zukunftsmusik klingen. Das bundesweit einmalige Testprojekt ist ein Testprojekt. Auf direkte und vor allem kurzfristige Unterstützung durch den Bund kann der Landkreis Miesbach nicht hoffen.

Dennoch bieten solche Ideen eine Chance, auch auf dem Land attraktive Berufsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Von alleine wird dieser Wandel nicht passieren. Es kostet Zeit, es braucht einheitliche Gedanken, und es braucht Investitionen. In der generellen Demografiedebatte, die auch im politischen Umfeld des Tegernsees immer wieder Thema ist, sollten aber auch solche Ideen nicht außen vor bleiben.

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