Sack, Asche und reuige Kommunalpilger

In wenigen Tagen kommen sie wieder – die Tage des Fastens und der Buße. Gerade rechtzeitig für den einen oder anderen Kommunalpolitiker, der Schuld auf sich geladen hat und nun darauf hofft, dass die unbotmäßigen Sophistereien der ins Chaos vergafften Medien ein Ende finden könnten.

Denn die Katholiken kommen am Aschermittwoch in die Kirche, ein Kreuz aus Asche wird ihnen auf die Stirn geschmiert. Es ist ein Zeichen der Umkehr, der Buße, des Einsehens in die eigene Sünde und Fehlerhaftigkeit.

Aschermittwoch in der Kirche

Wie alle beweglichen Feiertage im Jahr richtet sich auch der Aschermittwoch nach dem Osterfest. Der Tag markiert den Beginn der vierzigtägigen Fastenzeit, die ihr Ende in der Osternacht findet. Für die Bauern war das meist der Startschuss für die Frühjahrsaussaat. In manchen Regionen wurde am Dienstag davor noch einmal ordentlich geschlemmt, meist Mehl- und Eierspeisen, denn die waren in der Fastenzeit verboten und konnten die vierzig Tage nicht überstehen, ohne zu verderben. Also schlang man allerlei Süßzeug in sich hinein. Unsere Faschingskrapfen stammen aus dieser Zeit.

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Am Mittwoch war dann damit Schluss. Er galt und gilt als strenger Fastentag, an dem eben das Aschekreuz abzuholen ist. Das Aschekreuz hat eine lange Tradition, die sogar auf vorchristliche Zeiten zurückweist. Zwei Dinge gehörten zur sichtbaren Umkehr: Asche als Element der Vergänglichkeit und Leinen als Zeichen der Bescheidenheit und Demut. Babylonische Ministeriale, des Betrugs am Volk überführt, trugen statt prunkvoller Kleidung nur einen Sack und schütteten Asche auf ihr Haupt. So zogen sie durch die Stadt, wurden als reuige Sünder erkannt, aber nicht verhöhnt. Man erkannte ihren neuen Weg an.

Virtueller Pilgerweg

Der Aschermittwoch wurde bald aber noch aus einem anderen Grund ein wichtiger Termin für Büßer: In vormodernen Zeiten zog der gemeine Christ zu Aschermittwoch mit wenigen Dingen hinaus auf die üblichen Pilgerwege. An manchen Orten wurde der Sünder sogar wortwörtlich während der Messe aus der Kirche herausgeworfen. Ob er dann ein lakonisches „Ich bin dann mal weg“ äußerte, ist nicht erwiesen. Fest steht, dass die Pässe frei waren und in südlichen Ländern schon eine warme Sonne wartete. Ein Stock, eine Jakobsmuschel und einen Beutel mit Wegzehrung – das war es schon. Zu Ostern sollte der reuige Sünder die Wallfahrtsorte dann erreicht haben.

Heute treten an die Stelle dieser Tradition Besuche in Talkshows. Da ergeht sich der Delinquent in meist eher undurchsichtigen verbalen Verrenkungen oder aber Konsensgestammel und lässt sich demütig von den Mitdiskutanten beflegeln. Andere hingegen tauchen ab, lassen sich krankschreiben und verfallen für kurze Zeit in eine Erstarrung. Kurze Zeit später zeigen sie sich dann einsichtig, demonstrieren für ein paar Wochen in einer karitativen Einrichtung Engagement und kommen schließlich nach ein paar Monaten wieder zurück (meist als Immobilienberater) – quasi ein virtueller Pilgerweg. Beschritten in der Hoffnung, dass es der Erinnerung der Mitmenschen so ergeht wie enigmatischen Eisblumen auf Fensterglas: Sobald es wieder wärmer wird, vergehen sie.

Es bleibt also zweifelhaft, ob örtliche Kommunalpolitiker in den nächsten Tagen über den Achenpass in den Süden streben – ohne Dienstwagen, aber mit Asche auf dem Kopf.

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