Solidarität auf Kosten der Ortsgestaltung

27 Prozent der Wiesseer Bürger sind inzwischen 65 Jahre alt oder älter. Da gerade das Treppensteigen mit zunehmendem Alter schwerer fällt, denken Hausbesitzer über den Einbau eines Liftes auch an der Außenfassade nach.

Mit einem solchen Antrag hatte sich der Wiesseer Bauausschuss am vergangenen Dienstag zu befassen. Ein Spagat zwischen geltendem Recht und der sozialen Verantwortung gegenüber einer alternden Gesellschaft.

Die Besitzer des Anwesens Am Strandbad 2 wollen einen Lift an der Außenfassade. In Wiessee eigentlich ein No Go.
Die Besitzer des Anwesens Am Strandbad 2 wollen einen Lift an der Außenfassade. In Wiessee eigentlich ein „no go“.

Die Besitzer des Grundstücks Am Strandbad 2 wollen ihr Haus altersgerecht umbauen und dafür an der Nordfassade auch einen Aufzug über drei Geschosse an das bestehende Gebäude anbauen. Der Aufzug soll dabei optisch oben aus dem Dach herausragen.

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Doch eigentlich schließt die Wiesseer Ortsgestaltungssatzung das aus. In Paragraph 3 heißt es dort:

Unzulässig sind Aufzugbauten auf dem Dach. Abweichungen werden nur dann zugelassen, wenn das Erscheinungsbild des Gebäudes nicht beeinträchtigt wird.

Nun mussten die Ausschussmitglieder entscheiden, ob in diesem Fall eine Ausnahme vertretbar ist oder nicht.

Ausnahme zu Gunsten der sozialen Verantwortung?

„Die Menschen werden älter und kommen die Treppe nicht mehr rauf. Hier ist ein Aufzug oft die einzige Chance“, betonte Kurt Sareiter (CSU). Er plädierte daher dafür, zu Gunsten der Inklusion den Anbau des Aufzugs zu genehmigen. „Man muss den älteren Mitbürgern helfen”, so Sareiter weiter. Auch Hartwig Bayerschmidt (CSU) appellierte an die soziale Verantwortung der Gemeinde und forderte mehr Verständnis für ältere Menschen.

Doch nicht alle Mitglieder des Bauausschusses konnten sich so ohne weiteres damit anfreunden, die geltende Regelung in diesem Fall aufzuweichen. „Für was haben wir denn eine Gestaltungssatzung, wenn wir jedes Mal eine Ausnahme machen?“, merkte Fritz Niedermaier (Wiesseer Block) an. Und auch Hans Buchberger (Wiesseer Block) betonte, dass er sich langsam inkonsequent vorkomme.

Um zu einer Entscheidung zu gelangen, musste der Bauausschuss nun klären, ob sich ein Aufzug in diesem Fall negativ auf das Erscheinungsbild des Hauses auswirken würde oder nicht. Von der Straße aus ist das Haus allerdings für Passanten kaum einsehbar.

Da der Aufzug außerhalb des Grundstücks kaum zu sehen ist, konnte der Bauausschuss damit leben.
Da der Aufzug außerhalb des Grundstücks kaum zu sehen ist, konnte der Bauausschuss damit leben.

„Ich denke nicht, dass der Aufzug stört. Da man es von außen nicht sieht, können wir es doch befürworten“, appellierte Sareiter an seine Gemeinderatskollegen. Eine Meinung, die am Ende auch die anderen Bauausschussmitglieder so vertreten konnten. Angesichts der Lage erschien ein Lift an der Außenfassade in diesem Fall akzeptabel und man stimmte dem Bau des Aufzugs einstimmig zu.

Die ausgiebigen Diskussionen im Wiesseer Gemeinderat zeigen aber auch, dass man sich schwer tut mit der Abwägung zwischen einer eigentlich geltenden Ortsgestaltungssatzung und den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft. Ein Thema, das die Gemeinden rund um den Tegernsee auch in Zukunft noch beschäftigen wird.

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