Städter mit Willen, kriegen…

Samstag. Wochenende. Eigentlich ist alles fein. Wäre da nicht die aufgeregte Frau an der Fleischtheke, die ihre Umwelt mit ihrem Ego nervt. Eine Beobachtung unseres Kollegen Martin Calsow.

Nichts für zarte Nerven: Der Job einer Verkäuferin. / Archivbild
Zur Kolumne:
Das Oberland ist ein Paradies. Von Zeit zu Zeit tauchen aber ein paar faule Äpfel der Marke Quälgeist, Nervensäge und Meckerzwiebel auf. Sie verbreiten Unmut, schlechte Laune und stören die Lebensqualität. Ob an der Fleischtheke, im Gemeinderat, auf der Alm, im Café oder beim Arzt. Kurz, es sind jene Benimm-Allergiker, die unser Leben im Paradies mühsam werden lassen. Ob Talinsassen mit rundem Stammbaum aber bockbreitem Ego, oder zugezogene Schadmünchner (vulgo alles von draußen). Martin Calsow spürt sie einmal im Monat auf und beschreibt ihre Auswüchse. Auch eine Form der Therapie.

Ein Kommentar von Martin Calsow:

Sie steht an der Kasse beim Holnburger und telefoniert. Schaut kurz die Verkäuferin an und bestellt. Draußen ihr Range Rover. Drinnen nur Stress. Die ganze Erscheinung eine einzige Empörung. Die Verkäuferin bleibt ruhig. Sie könnte sagen: „Beenden Sie das Gespräch, dann bekommen Sie auch eine Kinderwurst.“ Macht sie nicht. Sie hält es aus. So wie wir alle die Aufgeregten, die ins Tal kommen (einige waren schon da), aushalten.

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Aufregung ist gut, Empörung besser, aber am schönsten ist die Wut. Wut auf Kuh-Geläut. Auf Back-Düfte. Auf Zug-Pfeifen (das ist tatsächlich die Krönung des Halbzuendegedachten). Auf Kindergeschrei. Hauptsache, Wut. Das mixen sie mit Nicht-Achtung und mit Herabsetzung. „Die bekommen ja mein Geld/Steuern.“

Wir kennen sie. Das sind die, die auf dem Weg ins Tal hinter einem stehen, und wild gestikulieren und schreien, obwohl sie allein im Auto sitzen. Die am Regal wortlos an einem vorbeigreifen. Die auf der Alm an der Schlange vorbeigehen und zackig bestellen. Das sind die, denen es nie reicht. Dauerbeschweren, um noch den letzten Cent Mehrwert herauszukitzeln.

Meckern bis das Paradies – oder die Weißwurst vor Wut platzt

Die Klassiker: Der Mann in der engen roten Hose, der im Restaurant mit Gutsherrenart die Kellnerin herumkommandiert, seine fette Limousine im Eingang der Sassa-Bar parkt. „Man kennt mich hier“, dröhnt er, dass auch jeder seine Wichtigkeit hört.

Die Frau, meinungstark und ahnungsfrei, mittleres Alter, dürre Beine, viel Haare. Scheucht das Personal wie auf einem Südstaaten-Baumwollfeld, stöhnt genervt bei der Bestellung und droht mit „Konsequenzen“. Jeder Duft, jedes Geräusch, dass ihr nicht passt, wird zu einer Krise stilisiert und dem Anwalt mitgeteilt. ICH!KANN!SO!NICHT!LEBEN!.

Meiner Beobachtung nach nehmen einige Talneubürger den urbanen Stress mit, operieren noch immer mit der rüden Stadt-Attitüde, finden sich in ihrer urbanozentrischen Weltsicht dabei überlegen, merken aber nicht, wie deppert und überzogen sie dabei wirken. Denn sie leben schon im Paradies, meckern aber, wenn irgendetwas die zarten Nerven belastet.

Aber jenen, die diese wenigen Verhaltensauffälligen im Rahmen ihres Berufs aushalten müssen, mutet man das ohne weiteres zu. Es gibt nur ein Mittel: Wir müssen sie ansprechen: „Sie sind unhöflich. Das tut man hier nicht. Zeigen Sie doch bitte etwas mehr Respekt.“ Neudeutsch: Shaming. Früher Mama-Ansage. Hilft das nicht, ist der bayerische Klartext anzuwenden.

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