„Tegernsee schießt den Vogel ab“

Mit den genehmigten Bauvorhaben vor allem des Tegernseer Stadtrats geht die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) hart ins Gericht. Angela Brogsitter-Finck schließt sich in einem aktuellen Mitgliederbrief einem kürzlich im BR gefallenen Ausspruch an: “Die Gier ist die Mutter aller Probleme“.

Projekte wie in der Werinherstraße sind der Schutzgemeinschaft wegen umgeleiteter Grundwasserströme ein Dorn im Auge / Foto: Andreas Toth

Mit einem Zitat von Professor Wolfgang Heckl, Direktor des Deutschen Museums, gefallen kürzlich beim BR-Sonntagsstammtisch, positioniert sich die Vorsitzende der Schutzgemeinschaft, Angela Brogsitter-Finck, vor allem gegen einige jüngst vom Stadtrat durchgewinkten Bauvorhaben in Tegernsee. Ein Beispiel ist für Brogsitter das Hanggrundstück in der Fromundstraße am Paraplui. Wo ehemnals die kurzzeitig unter Denkmalschutz stehende „Abousaidy-Villa“ stand, das „einst älteste Tegernseer Landhaus“, so Brogsitter, entstehen nun Millionärswohnungen.

Auf dem 8.000 Quadratmeter großen Grundstück mit Blick auf See und Berge werden drei Ensembles mit 22 Luxuswohnungen und 22 Tiefgaragenplätzen gebaut. „Welche Ironie, welcher Hohn“, denn die neuen Häuser an dieser Stelle würden den historisierenden Namen „Zum Königsblick“ mit jeweils königlich – herzoglichen Namen tragen, zürnt die streitbare SGT-Vorsitzende.

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Greithers „Leuchtturmprojekt“

„Die Stadt Tegernsee schießt sowieso momentan den Vogel ab“, schreibt sie ihren Mitgliedern. Und zielt dabei auf den „geplanten monströsen Neubau des Hotels Westerhof, dessen Höhe selbst die der Tegernseer Kirche übertrifft“. Hotelier Andreas Greither will aus seinem Garni-Hotel mit 90 Betten ein luxuriöses Fünf-Sterne-Hotel mit 134 Zimmern machen.

Damit könnte es ein Leuchtturmprojekt und eine wichtige Ergänzung für den Tourismus werden, hofft die Tegernseer Verwaltung in ihrer Abwägung. Es sei ein großer Wurf, hieß es mit deutlicher Mehrheit im Stadtrat und Greither sollte sich nicht vom „Kleinklein“ der Anlieger abschrecken lassen.

Eine Fotomontage der SGT zum geplanten Neubau des Westerhofs in Tegernsee.

Auch an der Perronstraße entstehe laut der SGT mit der Frischzellen-Klink eine „überdimensionale Planung“. Bauherr ist hier Klaus Dieter Burkhart. Er will auf dem 13.000 Quadratmeter großen Hanggrundstück 118-Klinikbetten in drei größeren Gebäuden errichten. Das Projekt ruht derzeit. Noch fehlt die dritte Auslegung des Bebauungsplans.

Hochwasserschutz außer Kraft gesetzt

„Der Hochwasserschutz scheint bei manchen Bauplänen außer Kraft gesetzt“, beklagt die seit 2006 amtierende Vorsitzende. Als Beispiel dient ihr dafür „die Villa der Familie Birkenstock mit einer Tiefgarage für 20 Autos“. Alex Birkenstock aus der Sandalen-Dynastie will für den 50 Meter langen „gigantischen“ Neubau direkt am Seeufer eine zweistöckige Tiefgarage mit 20 Stellplätzen in den Untergrund treiben lassen. Obwohl die Tiefgarage „unterseeisch“ sei und einem „U-Boot“ gleiche, wurde das Projekt mehrheitlich vom Stadtrat durchgewunken.

Selbst aus dem bestehenden Badehaus sollen jetzt noch Wohnungen werden. „Es wird immer wieder gewettert über die vielen Zweitwohnsitze im Tal mit überwiegend geschlossenen Läden“, moniert Brogsitter, „aber gebaut wird im Grunde ausschließlich für den großen Geldbeutel“. Einheimische würden bei den horrenden Grundstückspreisen außen vor bleiben. Ihre Forderung daher: „Mehr Bebauungspläne aufstellen“.

Wohin fließen die Grundwasserströme?

Die Leviten liest Brogsitter auch Rottach-Egern. Ein Beispiel für Fehlplanungen sei die „Massivbebauung“ in der Werhinherstraße. Auf dem 8.000 Quadratmeter großen Grundstück des einstigen „Wunderheilers“ Issels entsteht derzeit in Seelage eine Tiefgarage mit 33 Stellplätzen und einem unterirdischen Swimmingpool über zwei Stockwerke. Auch hier taucht für Brogsitter wieder die Frage auf: „Wohin fließen die vielen unterirdischen Grundwasserströme?“ Auf die Antworten könne man gespannt sein.

Auch am Laufstall für 27 Kühe am Webermo-Hof der Familie Stadler übt Brogsitter Kritik. Die Maße sind 57 auf 36 Meter, plus Zusatzgebäude. Das Tierwohl sei zwar ein wichtiger Faktor, konstatiert Brogsitter, „aber diese Planung übertrifft alle dagewesenen Dimensionen“. Sehr schnell würde der nächste Landwirt das Gleiche wollen. Damit würden weiter kostbare Grünflächen versiegelt. Wenn auch die Entwicklung „wegen Überdüngung unserer Böden eigentlich in die andere Richtung geht“, nämlich die Zahl der Tiere zu reduzieren, so Brogsitter: „Aber die Gier herrscht eben auf allen Ebenen“.

Kreuth: Split-Lagerhalle im Biotop

Alle diese Tätigkeiten könnten offensichtlich von statten gehen, „obwohl sich unsere Bürgermeister stolz mit dem Titel Öko-Modellregion schmücken dürfen“, so Brogsitters Klagelied. Besonders „erbost“ sei sie über das „Grüne Wasserl“ im Gemeindegebiet von Kreuth am Ringsee. Dort wurde die Genehmigung zum Bau einer Split-Lagerhalle erteilt. Und dies, obwohl Kreuth seit Juli dieses Jahres „den stolzen Titel Bergsteigerdorf“ führen dürfe.

Wenn auch einige Teile wie der Ringsee davon ausgeklammert seien, „so bedeutet dieses Siegel trotzdem ein Bekenntnis der Gemeinde zum Erhalt der Natur und nicht seiner teilweisen Zerstörung. Die Behauptung, die Fläche des Biotops werde nun fünfmal so groß wie die verbaute, „ist wohl den meisten Bürgern ein Rätsel“, argwöhnt Brogsitter.

Am 23. November lädt die SGT in die Naturkäserei zu einem Vortrag von Susanne Heim ein. Der Titel: „Die Haut der Berge: der Alpine Felshumusboden des Jahres 2018“.

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