„Weg mit denen!“

Ein Asylbewerber bedroht einen Menschen. Sintis klauen einen Kinderwagen. Rumänen brechen in eine Wohnung ein. Türken dealen mit Drogen. Man mag es für verwunderlich halten, aber auch neben dem wurzeldeutschen Kriminellen werden von Menschen anderer Hautfarbe, Herkunft und Religion Straftaten begangen. Darf man über diese Fälle schreiben?

1.000 Euro Sachschaden und geschockte Mitarbeiter - so lautet die Bilanz des gestrigen "Vorfalls" im Miesbacher Landratsamt
Am Dienstag kam es im Miesbacher Landratsamt zu einem Vorfall, bei dem eine Mitarbeiterin des Asyl- und Ausländeramts verletzt wurde.

JournalistInnen lernen früh die fünf großen „Ws“ für ihre Arbeit. Wer, was, wann, wie und warum? Sie sollen schreiben, was ist. Noch mehr: Sie sollen einschätzen und zuweilen kommentieren. Aber eines sollte Journalisten immer klar sein: Weder gibt es absolute Wahrheit, noch ist die Arbeit folgenlos. Was Journalisten schreiben, drehen oder aufnehmen – Menschen konsumieren und benutzen es.

Eine Meldung über eine Straftat eines Migranten, eines Asylbewerbers, erzeugt immer Volkszorn, aber auch Angst vor genau jenem. Das müssen wir aushalten. Wir werden die Menschen nicht erziehen. Bestenfalls können wir aufklären. Schlimmstenfalls hetzen und dem Mob Nahrung geben. Das ist zuweilen ein schmaler Grad.

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Hinsehen, zuhören, diskutieren

In unserem Team, das von ganz alt bis sehr jung (aktuell 19 Jahre) reicht, wird darüber offen und auch hart diskutiert. Nennt man die Nationalität, damit wieder Leser und Leserinnen mit „Weg damit, abschieben, was erlauben die sich?“-Sprüchen, frei von Sachargumenten, dahinschwafeln können? Oder hält man es aus? Zeigt Entwicklungen, so sie denn welche sind.

Das Weglassen von bislang erwähnten Fakten hat manchmal einen sehr nützlichen Hintergrund. Seitdem über Suizide im Bahnumfeld nicht mehr berichtet wird, sinkt erwiesenermaßen die Zahl der Nachahmer. Aber so ein Mut zur Lücke kann auch nach hinten losgehen.

Viele Leitmedien, von der Politik ganz zu schweigen, waren von Pegida überrascht. Die Reaktion vieler war erst Entsetzen und dann Wut. Es wurden unzählige Zeichen gesetzt, Lichter wahlweise ausgeschaltet oder Kerzen angezündet. Aber es wurde nicht hingesehen, zugehört und diskutiert. Heribert Seifert hat das kürzlich in der NZZ wunderbar auf den Punkt gebracht.

„Wir erziehen nicht“

Es fehlt die Haltung und der Wunsch, diese argumentativ zu belegen. Wir haben uns das abgewöhnt. Statt zu fragen, zu argumentieren (auf dem Boden unserer Rechtsordnung natürlich), wird von allen Seiten verleumdet und verhetzt, aber vor allem: nicht zugehört. Die einen fordern eine widersinnige Willkommenskultur, andere sehen mindestens unser Abendland bedroht.

Wenn ein Nigerianer in Miesbach tobt, steht der nicht für alle Flüchtlinge, sondern dann ist das in erster Linie ein Mensch, der gegen unsere Regeln des Miteinanders verstößt. Seine Herkunft ist dabei weniger entscheidend. Sie kann aber wichtig sein. Deswegen gibt es da auch keine fixe Regel.

Wir JournalistInnen, ob bei einem lokalen Internetblog oder einer wichtigen Lokalzeitung: Wir wägen jeden Tag ab, sortieren und wählen dann aus. Aber wir erziehen nicht. Wir machen uns angreifbar. Das müssen wir aushalten. Freunde macht man sich damit nicht. Aber wenn man das will, sollte man auch die Branche wechseln.

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