Wenn Azubis fehlen

In zehn Tagen beginnt für viele Jugendliche im Landkreis der vielbesungene “Ernst des Lebens” – aber immer seltener mit einer Berufsausbildung. Auch heuer wird es wieder viele “Leerstellen” geben. Davon sind nicht nur Berufe in der Gastronomie und der Hotellerie betroffen. Einige Lehrstellen könnten allerdings mit Asylbewerbern besetzt werden.

Mit Blumen zu arbeiten ist eine schöne Sache. Aber viele Bewerber wissen nicht, worauf sie sich bei ihrer Berufswahl einlassen, berichten die Ausbildungsunternehmen. Foto/Archiv
Mit Blumen zu arbeiten ist eine schöne Sache. Aber viele Bewerber wissen nicht, worauf sie sich bei ihrer Berufswahl einlassen, berichten die Ausbildungsunternehmen. Foto/Archiv

Bei der Firma Bergzeit in Otterfing wird die Ausbildungsstelle zum Lagerlogistiker in diesem Jahr wohl frei bleiben: “Wir werden die Stelle nicht besetzen”, sagt Andreas John, Assistent der Geschäftsführung auf Anfrage der HS. Die Firma mit Filialen in Holzkirchen und Gmund verkauft Ausstattung für Freiluft-Aktivitäten wie beispielsweise Wandern und Bergsteigen.

“Für uns bedeutet Ausbildung ein Stück Zukunftssicherheit”, sagt er. Derzeit lernen ein angehender Zweiradmechaniker und eine angehende Fachinformatikerin im Unternehmen. Die beiden seien der Start gewesen, sagt er. Für die Ausbildung zum Lageristen hätten sich aber nur wenig Bewerber gemeldet.

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Kein Bock zu gehen, oder auch “nicht geeignet”

Zwar sei Lagerist nicht gerade der spannendste Beruf für junge Leute, sagt John selbst. Doch in dem Unternehmen, das die Waren weltweit übers Internet verkauft, hätte man so einiges lernen können: “Da fehlten uns einfach die Worte, wie wenige Bewerber es gab.”

Und das, obwohl die Einstellungsvoraussetzungen vergleichsweise niedrig sind: Hauptschulabschluss steht in der Ausschreibung: “Wir verlangen kein Abitur mit 1,0. Dafür aber Motivation”, so John. So hätten einige Bewerber nichts über den Beruf gewusst. Anderen sei der Beruf bei der Größe des Lagers mit zu viel Fußweg verbunden gewesen, oder wie John es ausdrückt: “Sie waren nicht geeignet.”

Zu wenig Bewerber auch bei dafür untypischen Berufen

Eigentlich bewirbt man sich bereits bis zu einem Jahr vorher auf eine Ausbildung und tatsächlich sind im Lehrstellenportal der Industrie- und Handelskammer (IHK) schon erste Ausbildungsplätze für 2016 ausgeschrieben, mit Fristen ab November 2015. Bei Oberlandjobs findet man auch noch Ausbildungsplätze, die schon in diesem Jahr beginnen.

Ob alle gebotenen Lehrstellen auch besetzt werden, steht auf einem anderen Blatt: Mitte Juni waren im Landkreis Miesbach noch 312 Ausbildungsstellen unbesetzt. 181 Jugendliche hatten zu diesem Zeitpunkt noch keinen Platz gefunden. Die IHK geht davon aus, dass am Ende des Monats weit über 100 Plätze unbesetzt bleiben werden. Im vergangenen Jahr waren es 208.

Im Megastar Fotolabor werden heuer auch einige Stellen bei den Fotografen und bei den Fotolaboranten frei bleiben. “Wir hatten ein paar Fehlbewerbungen”, sagt der Prokurist Maximilian Schmidt. Demnach hätten sich viele der Bewerber einen kreativen Beruf gewünscht. Wenn es aber darum geht, Fotos für Schulen und Kindergärten herzustellen, sei es ein reiner Produktionsbetrieb: “Da muss man sich an unsere Vorgaben halten”, sagt er. Nur bei den Bürokaufleuten seien die Bewerbungen besser gelaufen.

Fehlende Azubis heute sind fehlende Fachkräfte morgen

Die Leerstellen machen den beiden Unternehmen noch keine Sorgen, heißt es bei ihnen auf Anfrage: “Es war nur ein bisschen schade”, sagt Schmidt. Anders sieht das bei der IHK aus: Der Negativ-Trend der vergangenen Jahre setze sich fort, sagt Hubert Schöffmann, bildungspolitischer Sprecher der bayerischen IHKs: “Die fehlenden Azubis von heute sind die fehlenden Fachkräfte von morgen.”

Ein Grund für die fehlenden Bewerber ist, dass immer mehr Jugendliche ein Studium anstreben, statt einer Ausbildung. Gleichzeitig sei die Quote der Studienabbrecher derzeit am höchsten: “Ich könnte mir vorstellen, dass da das eine oder andere Talent in der beruflichen Ausbildung besser aufgehoben wäre und da karrieremäßig durchstarten könnte”, sagt er.

Sind sie die Lösung beim Mangel an Auszubildenden: Asylbewerber in Tegernsee. Foto/Archiv
Sind sie die Lösung beim Mangel an Auszubildenden: Asylbewerber in Holzkirchen. Foto/Archiv

Eine Chance, dem Berwerber- und künftigen Fachkräftemangel entgegen zu wirken sieht Schöffmann in der Ausbildung Asylsuchender. Dafür fordert die IHK die Umsetzung des sogenannten “3+2-Modells”, das dem Azubi ein Bleiberecht für die Dauer der Ausbildung und zwei Jahre darüberhinaus zusichert, um Berufserfahrung zu sammeln.

Der ausbildende Betrieb und der Auszubildende hätten damit ausreichende Planungssicherheit. Sollten die Fachkräfte danach doch abgeschoben werden, würden sie das Erlernte in ihr Land mitnehmen – also das Wissen exportieren und Deutschland in guter Erinnerung behalten, so hofft Schöffmann.

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