Wer klatscht heimlich Applaus?

Da gibt es die Verrückten im Oberland: Sie leugnen die Existenz oder die Gefahr von Corona. Sie fahren auf Demos, rufen zum Widerstand gegen die Maßnahmen auf. Aber sie können das nur, weil ihr Umfeld sie nicht wegbremst, sie agieren lässt. Ein bekanntes Muster: Ein Kommentar über Wochenend-Revoluzzer und ihre Unterstützer-Kreise.

Ein Kommentar von Martin Calsow:

In den frühen Siebziger war es in bestimmten linksliberalen Bürgerschichten chic, dem Terror der Roten Armee Fraktion argumentativ aber auch ganz praktisch zur Seite zu stehen. Man fühlte sich der “richtigen Sache” verbunden. Mit zunehmender Tötungsrate reduzierte sich die Fanbase ab, jedoch besteht in linken, wohlhabenden Milieus noch immer eine klammheimliche Freude über linke Gewaltformen wie in Connewitz.

Parallelen zwischen Vergangenheit und aktueller Pandemie

In den Nullerjahren wurde diese Symbiose aus Terror und saturierten Unterstützern vom Islamismus übernommen. Der Religionsterror hat seine Freunde bis weit hinein in die muslimische Bürgerwelt bekommen. Jubelnde Menschen nach Terroranschlägen wie jüngst in Frankreich, aber auch nach 9/11 sind nur das, was wir stark wahrnehmen können. Klammheimliche Freude aber auch hier. Und wieder Parallelen zur Vergangenheit und zur pandemischen Gegenwart:

Anzeige
  • Das diffuse Gefühl, nicht wahr- und ernstgenommen zu werden
  • Der Glaube, die richtige Wahrheit zu haben

Und plötzlich sind Übergriffe vom esoterisch-rechten Rand in Mode. Der Versuch der Reichstagsstürmung im vergangenen Sommer, die Anschläge auf Migranten, auf Synagogen und auf Vertreter des Staats wie Walter Lübke, die gezielten Verunsicherungskampagnen in der Pandemie haben ihren Unterstützerkreis bis weit in die bürgerliche Mitte.

Eine feine Grenze

Es mögen wirre Geister sein, die Anschläge verüben, die die Demokratie auf mannigfaltige Weise angreifen, aber sie wissen um ihre unheilige Allianz mit bürgerlichen Gruppen. Wenn im Oberland, in den Kommentarspalten der Medien und bei Facebook von einer “Merkel-Diktatur” gefaselt wird, wenn zum Aufstand gegen die Eliten (gern unterkomplex als “die da oben” chiffriert) gerufen wird, ist das der geistige Nährboden für radikale Kräfte, gern diffus und im Graubereich strafrechtlich relevanter Hetze. Wir sahen das schon einmal in den USA, wo ein scheidender Präsident Millionen von Menschen in eine Parallelwelt mit Lügen und Demagogie versetzen konnte. Der Sturm auf das Kapitol hat seine Anfänge in den sozialen Medien genommen.

In Zeiten der Krise sind diese Brandstifter immer erst Biedermänner. Sie formulieren erst leise Kritik, und gibt man ihnen den Raum und die Geduld, werden sie radikaler. Schauen wir uns also genau an, wer in unserem Umfeld schon wirr genug ist, um den Boden zu bereiten? Die Grenzen zum Denunziantentum und zur kritiklosen Annahme aller staatlichen Maßnahmen sind da sehr fein. Nicht jeder gescheiterte Politiker oder Journalist, der hysterische Posts schreibt, ist gleich ein Leugner. Aber wer sich die “Anmerkungen” und die schlichten Angriffe von regionalen AfD-Funktionären anschaut, weiß, dass diese Brut mit der Wut, die zweifellos in der Bevölkerung schlummert, ihr politisches Süppchen kochen will. Das ist in den Großstädten nicht anders als hier im Oberland. Das zersetzt die notwendige Geduld, die wir jetzt brauchen, um diesen Alptraum hinter uns zu bringen.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner