Infoabend statt Rededuell

Gestern Abend erlebten die Besucher im Miesbacher Waitzinger Keller die fünf Landratskandidaten in einer Podiumsdiskussion. In erster Linie waren die rund 550 Zuschauer wohl gekommen, um eine Erklärung für die Affären um Amtsinhaber Jakob Kreidl zu bekommen.

Die Veranstaltung verlief informativ. Die Kandidaten beantworteten bereitwillig die Fragen. Doch eine richtige Diskussion kam nicht auf. Fazit: viele Informationen – kein Duell.

Alle Augen sind gespannt auf die Männer auf der Bühne gerichtet.

Am gestrigen Abend trafen das erste Mal alle fünf Landratskandidaten aufeinander. Bei einer Podiumsdiskussion im Waitzinger Keller in Miesbach stellten sich die Anwärter auf das höchste politische Amt im Landkreis den Fragen des Moderators und der Bürger. Ein wenig versteinert wirkten sie, wie sie da saßen.

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Die Publikums-Ränge waren in jedem Fall voll besetzt. Sogar auf den Emporen standen neugierige Zuhörer. Offenbar interessierte es viele Bürger, wie sich vor allem Amtsinhaber Jakob Kreidl zu den Vorwürfen äußern würde, denen er sich in den vergangenen Wochen und Monaten ausgesetzt sah.

Keine Überraschungen

Nach einer kurzen Vorstellung ging es in die Fragerunde. Die Antworten kamen meist wohl gewählt. Echte Dialoge untereinander entwickelten sich allerdings nicht. Niemand stoppte den Redefluss des anderen oder redete mal dagegen. Höflich ließ man einander ausreden.

Die Stimmung im Publikum war gebannt. Die Zuhörer lauschten interessiert, was ihnen oben auf der Bühne präsentiert wurde. Zwischenrufe gab es keine. Kommentare, die eingängig erschienen, dankte das Publikum auch mit Applaus. Auch Häme – besonders auf manche Wortäußerungen von Landrat Jakob Kreidl – wurde in Form von gequältem Lächeln gezeigt.

In ihren Standpunkten zu den verschiedenen Themen unterschieden sich die Aussagen der Kandidaten nicht wirklich voneinander. Die Bereiche bewegten sich von der Haushaltssituation im Landkreis über Bildungspolitik, Wohnsituation, Energiewende, demographische Entwicklung, Landschaftsschutz bis hin zu Tourismus und Verkehr.

Mehr Transparenz im neuen Kreistag

Einig waren sich die Kandidaten beispielsweise darin, dass es im neuen Kreistag mehr Transparenz braucht. Robert Huber äußerte seine Enttäuschung über Jakob Kreidls Affären und forderte schonungslose Aufarbeitung und bessere Kontrollmechanismen. Zudem zeigte er sich demonstrativ entrüstet über Kreidl selbst:

Das mit dem Geburtstag hat mich mitten ins Herz getroffen – ich bin persönlich sehr enttäuscht. Jakob, warum hat dich niemand zurückgerissen?

Huber war es auch, der den Abend zumindest rhetorisch dominierte und gefühlt auch den meisten Applaus des Publikums erntete. Der Sozialdemokrat will sich dafür einsetzen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, Probleme zu lösen, die aus der demographischen Entwicklung resultieren und dörfliche Strukturen erhalten. Häufig verfiel Huber in leidenschaftliche Plädoyers und vertrat seinen Standpunkt deutlich. Er verstand es an diesem Abend am besten, das Bild eines standhaften “Landrats in spe” zu verkörpern.

Schadensbegrenzung á la Kreidl

Amtsinhaber Jakob Kreidl versuchte hingegen, von seinem beschädigten Ruf abzulenken. Was aber nicht immer gelang. Manchmal erntete er Applaus, andere Male auch nur gequälte Lacher vom Publikum. Seine diversen Affären kamen an diesem Abend noch einmal aufs Tableau.

Kreidl beschränkte sich auf Schadensbegrenzung und betonte, dass die Kosten für seine Geburtstagsparty auch deshalb so ausgeufert seien, weil der geldwerte Vorteil für die Gäste ans Finanzamt abgeführt werden musste. Das wäre früher nicht so gewesen. Ein Argument, das die Zuschauer jedoch nur teilweise akzeptierten.

“Jakob, warum hat dich niemand zurückgerissen?” – Robert Huber zu Jakob Kreidl in Bezug auf dessen Geburtstagsparty.

Nichtsdestotrotz ist Kreidl der Meinung, seine Verfehlungen stünden einer neuen Amtsperiode nicht entgegen. Man müsse differenzieren zwischen privaten Fehlern und seinen Leistungen als Landrat. Zudem möchte er nach der Wahl den finanziellen Schaden wieder gut machen: “Nach der Wahl werde ich eine namhafte Spende machen, um ein Zeichen zu setzen.”

Wolfgang Rzehak kam sachlich-fachlich rüber. Der Grüne steht laut eigener Aussage für solide Haushaltspolitik und beteuerte, dass man bei den hohen Schulden im Landkreis nur wenig Luft habe – man müsse also kreativ sein. Um mehr Transparenz erreichen zu können, müssten alle Fraktionen des Kreistags im Verwaltungsrat vertreten sein: “Wir aus dem Kreistag haben erst aus der Presse von der Geburtstagsfeier erfahren.”

Norbert Kerkel, der häufig gemessen wird an seinem Vater und Ex-Landrat gleichen Namens, wurde dies auch an diesem Abend erneut. „Sie heißen wie Ihr Vater, sehen aus wie er, was ist der Unterschied?“ Kerkel versuchte Erklärungen aus dem Familienbereich, dass ihn von seinem Vater immerhin 24 Jahre und einige charakterliche Merkmale unterscheiden würden. Letztendlich sei er schon ein eigenständiger Mensch, so der Spitzenmann der Freien Wähler.

Rhetorisch überzeugen konnte der wohl aussichtsreichste Gegenkandidat Kreidls aber am Ende nicht. Viel zu oft verfiel er in Allgemeinplätze und äußerte sich wenig konkret. Auch zum Thema Energiewende kamen wenig Details: “Der richtige Energiemix macht es für die Zukunft,” so Kerkels nebulöse Ansage.

Martin Eberhard, FPD-Kandidat und Landwirt aus Irschenberg, konnte sich im Vergleich mit den anderen Bewerbern um den Posten des Landrats am meisten als Praktiker positionieren. Obwohl ihm der Moderator unterstellte, lediglich ein „Quotenkandidat“ zu sein, hielt er sich tapfer und beantwortete – zwar in knappen Worten, doch vehement – die Fragen. Er steht für mehr Bürgerbeteiligung und –nähe: “Normalsterbliche müssen jeden Euro zweimal umdrehen. Wir müssen wieder zurückrudern und keine Gelder verteilen an Leute, die eh schon viel verdienen.”

Die besten Zitate des Abends

Norbert Kerkel:

Was uns finanziell nicht viel kosten würde, wäre eine richtige Verkehrssteuerung.

Der Umfang vom Lanserhof ist gerade noch vertretbar.

Robert Huber:

Wir müssen raus aus den Schlagzeilen.

Die menschlichen Angelegenheiten werden wir noch lange mit uns herumtragen.

Einen Vertrauensvorschuss wird es nicht mehr geben.

Jakob Kreidl:

Nach der Wahl werde ich eine namhafte Spende machen, um ein Zeichen zu setzen.

Das hätte ich wissen müssen, dass da was schiefläuft.

Wolfgang Rzehak:

Es ist viel passiert und wir müssen jetzt die Scherben zusammenkleben.

Die Kreisumlage schnürt den Gemeinden die Luft ab.

Martin Eberhard:

Die Kommunalpolitik ist kein Selbstbedienungsladen.

Wir brauchen keine Politik der Alpen-Berlusconis.

Und was hat der Abend nun gebracht? Als wirkliche Orientierungshilfe für die Bürger konnte er letztlich nicht dienen. Zu sehr glichen sich die Kandidaten in ihren Forderungen und den Aussagen. Und so zeigte die abschließende Umfrage unter den Zuhörern auch ein ausgeglichenes Ergebnis, das zeigte, dass jeder der potentiellen neuen Landräte noch an Format gewinnen muss.

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