Zug-Desaster – Klappe die 1000ste

Seit Juni 2020 sind die neuen LINT-Züge der BRB im Einsatz. Beschwerden gab’s seither einige: Vor allem die Behindertenbeauftragten kritisieren erhebliche Mengel. Anwohner wiederum beschweren sich über den Höllen-Lärm. Gestern fand nun erneut ein runder Tisch statt. Das Ergebnis? Man ist noch lange nicht am Ziel.

Neben dem lauten Quietschen wird vor allem die mangelnde Barrierefreiheit in den LINT-Zügen kritisiert.

Die neuen Lint 54-Züge, die die alten Integrale im Oberland vor einigen Monaten ersetzt haben, sorgen seither für Ärger. Die neuen Züge seien nicht behindertengerecht, vor allem der Einstieg wird von Betroffenen massiv kritisiert. Außerdem verursachen die Züge an manchen Stellen derartigen Lärm, dass sich zahlreiche Anwohner im gesamten Landkreis massiv gestört fühlen. In Gmund hat sich sogar eine Bürgerinitiative gegen den Krach gegründet.

Nach einem ersten runden Tisch mit allen Beteiligten und Verantwortlichen Anfang Oktober, traf man sich gestern via Internet-Konferenz wieder. Mit dabei unter anderem wieder Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die als Moderatorin fungierte, die Behindertenbeauftragen aus dem Landkreis Bad Tölz/Wolfratshausen und Miesbach, Ralph Seifert und Anton Grafwallner, die Landräte Olaf von Löwis und Josef Niedermaier sowie Fabian Amini und Arnulf Schuchmann von der BRB.

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Alle Kunden zufrieden?

Nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten teilte Amini gleich zu Beginn mit, dass die BRB vom 14. bis 17. Oktober eine Fahrgastbefragung mit über 700 Teilnehmern durchgeführt hat. „Aus den Meldungen, die es jetzt rund um die Themen Lärm und Barrierefreiheit gab, kam der Eindruck auf, dass das Fahrzeug selbst nicht gut wäre.“

Das spiegele sich allerdings nicht im Feedback der Kunden wieder: 95 Prozent finden laut dem Ergebnis der Umfrage die neuen LINT-Züge nicht schlecht oder sogar besser als die alten. „Mit Abstand der größte Kritikpunkt war die neue W-lan Funktion. Das schauen wir uns natürlich jetzt genau an, woran das liegt“, so Amini. Insgesamt sei man aber sehr zufrieden mit der Entwicklung.

Sein BRB-Kollege Schuchmann ging danach auf die Kritikpunkte ein, die bereits beim letzten runden Tisch zur Sprache kamen. Ein großes Thema war wieder das Quietschen beim Bremsen und in engen Kurven. Ersteres habe sich laut Schuchmann mittlerweile erledigt: „Es hat sich bewahrheitet, was auch die Erfahrung von anderen Betreibern war, dass das Quietschen beim Bremsen praktisch verschwunden ist, dass die Fahrzeuge mittlerweile eingefahren sind.“

Anwohner fordern, dass weitere Maßnahmen geprüft werden

Was das Quietschen in engen Gleisbögen angeht, prüfe man noch immer verschiedene Maßnahmen. Die meisten davon können allerdings nicht sofort umgesetzt werden, da diese teils auch mit dem Eisenbahn-Bundesamt abgestimmt werden müssen. Zudem könne die BRB einige der Maßnahmen finanziell gar nicht alleine stemmen.

Was sich allerdings bereits bewährt habe, ist eine stationäre Kurvenschmieranlage im Gmunder Gleisbogen. Zudem wurde Schuchmann mit einer Fein- und Nachjustierung der Spurkranzschmieranlagen an den Rädern begonnen, die einen feinen Schmiermittelfilm auf den Radkranz aufbringen. „Dieser dient zwar in erster Linie der Reduzierung des Verschleißes, verbessert jedoch erfahrungsgemäß auch die Lärmsituation.“

Dass das Thema vor allem Anwohnern wichtig ist, machte Rudi Probst als Sprecher der Bürgerinitiative beim Online-Meeting noch einmal deutlich. Zwar sei er froh, dass mittlerweile etwas in Gang gesetzt wurde, jedoch pochte er darauf, weitere Maßnahmen auszuprobieren und zu prüfen. „Was wir hier als Anwohner durchmachen, von Gmund bis Fischbachau, ist nicht mehr lustig.“

Mobile Rampen in allen Zügen

Auf das Thema Barrierefreiheit ging BRB-Geschäftsführer Amini noch einmal ein. Vor allem der über 30 Zentimeter große Spalt zwischen Bahnsteig und Zug sorgte für große Kritik. „Mobilitätseingeschränkten wird der Zutritt in unsere Fahrzeuge durch unsere Mitarbeiter, die jederzeit gerne helfen, ermöglicht – und das ohne jegliche Voranmeldung. So hoffen wir den Nachteil des größeren Spalts überwinden zu können“, erklärte Amini.

Außerdem sollen alle Züge im Laufe des Jahres mit mobilen Rampen ausgestattet werden, sodass Menschen mit Behinderungen nicht mehr auf das Zugpersonal angewiesen sind. Diese Rampen sind dann auch für Begleitpersonen oder andere Zugfahrgäste zugänglich, „sodass diese jederzeit beim Einstieg unterstützen können.“ Außerdem wurde ein Film für mobilitätseingeschränktes Reisen mit der BRB gedreht und auf der Homepage veröffentlicht.

Unfallgefahr für Rollstuhlfahrer

Auf eben diesen Film ging der Tölzer Behindertenbeauftragte Ralph Seifert ein. Zwar sei es grundsätzlich eine gute Sache, allerdings habe sich dabei eines seiner größten Probleme erneut aufgedrängt – und zwar die zu steile Rampe von der Parkebene im Zug zur Zwischenebene. „Es ist genau das passiert, wovor wir gewarnt haben.“ Der Protagonist des BRB-Films ist mitsamt seinem Rollstuhl umgekippt. Seifert stellte klar:

Diese Rampe ist viel zu steil. Dabei ist es unerheblich, dass sie normgerecht ist. Hier besteht eine Unfallgefahr! Wenn da ein Rollstuhlfahrer umfällt, sich den kopf anschlägt und tot ist, dann will ich mal wissen, was da in der Öffentlichkeit los wäre.

Diesem Punkt stimmte auch sein Kollege aus Miesbach Anton Grafwallner zu. „Die besagte Rampe hat zwölf Prozent Steigung. Ich bekomme in zwei, drei Wochen einen neuen Rollstuhl. Der ist aber nur für eine Steigung von maximal zehn Prozent geeignet.“ Wenn da irgendwann mal etwas passiere, könne sich die BRB nicht rausreden.

Dem widersprach BRB-Geschäftsführer Amini vehement. Die LINT-Züge haben die für den Eisenbahnverkehr maßgeblichen Vorschriften der EU-Verordnung TSI PRM vollumfänglich erfüllt und gelten damit als „barrierefrei“. Um nach zweistündiger Online-Konferenz weitere Diskussionen zu vermeiden, ergriff Landtagspräsidentin Ilse Aigner das Schlusswort: „Das ist ein Prozess, wir werden uns heute nicht zum letzten Mal gesprochen haben.“

Alle Details, Stellungnahmen und weitere Lösungsideen, die die BRB bisher geprüft hat, lesen Sie im ausführlichen Positionspapier.

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