Zwischen Volksnähe und Verzweiflung

Am Dienstag startet das neue Schuljahr in Bayern. Angesichts sinkender Schülerzahlen und wachsender Konkurrenz aus Holzkirchen blickt das Tegernseer Gymnasium in eine ungewisse Zukunft.

Landrat Wolfgang Rzehak bedankt sich daher bei jedem neuen Fünftklässler persönlich und verteilt Schultüten. Ein Akt der Volksnähe oder ein Ausdruck von Verzweiflung?

Landrat Wolfgang Rzehak (zweiter von links) wird am Dienstag Schultüten am Tegernseer Gymnasium verteilen. Archivbild
Landrat Wolfgang Rzehak (zweiter von links) will am Dienstag die neuen Schüler des Gymnasiums begrüßen / Archivbild

Ein Kommentar von Christopher Horn
Landrat Wolfgang Rzehak ist ein freundlicher, volksnaher Zeitgenosse. In seiner Freizeit genehmigt er sich schon mal das eine oder andere Weißbier auf dem Gmunder Volksfest, legt sich im Sommer bei schönem Wetter mit all den anderen Sonnenanbetern an die Point in Tegernsee oder verfolgt im Winter die Spiele „seines“ TEV Miesbach mit all den anderen Fans im Eisstadion.

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Da könnte man auf den ersten Blick den Eindruck gewinnen, dass auch die Aktion, die Rzehak am kommenden Dienstag im Tegernseer Gymnasium geplant hat, ein Ausdruck von Volksnähe ist.

Schultüten für alle Fünftklässler

Der Landrat wird dann in der Aula des Gymnasiums Schultüten an alle neuen Fünftklässler verteilen und sie in Tegernsee willkommen heißen. „Als Dankeschön, dass sie sich entschieden haben, ihre schulische Laufbahn auf dem Tegernseer Gymnasium fortzusetzen“, heißt es als Begründung von Seiten des Landratsamtes.

Dass diese Aktion durchaus ihren Sinn hat, zeigt ein Blick auf die aktuellen Schülerzahlen. Nur noch 59 Schüler besuchen die fünften Klassen der Schule. Das sind rund 90 Anmeldungen weniger als im Vorjahr. Grund dafür ist zum einen die neue Konkurrenz durch das Holzkirchner Gymnasium und die Gmunder Realschule.

Zum anderen ist diese Entwicklung aber auch das Resultat einer verfehlten Schulpolitik der Tegernseer Verantwortlichen sowie eines Landrats, der in den vergangenen Jahren eher andere Geschäfte im Sinn hatte. Zu lange hat man den Druck durch die beiden neuen Schulen unterschätzt. Auf der Suche nach wirklichen Alleinstellungsmerkmalen für das Gymnasium ist man ebenso keinen Schritt weiter wie bei den Überlegungen für ein Schülerheim in der direkten Umgebung. Jetzt ist die Panik bei Politikern und Schulleiter Werner Oberholzner groß.

Lippenbekenntnisse anstatt Lösungen

Anfang Mai gab es ein Krisentreffen an der Schule. Oberholzner wie auch der Tegernseer Bürgermeister Johannes Hagn und Landrat Wolfgang Rzehak saßen zusammen. Auch im Kreistag war der Fortbestand des Tegernseer Gymnasiums ein Thema. Der Berg kreißte, heraus kam wenig Verwertbares: statt wirklicher Lösungsansätze nur Lippenbekenntnisse.

Wie groß die Panik mittlerweile ist, zeigt auch die Aktion des Landrats am kommenden Dienstag. Wer hofft, Schüler durch das Verteilen von Schultüten langfristig an das Tegernseer Gymnasium binden oder mit solchen Aktionen den Bestand der Schule sichern zu können, den kann man, vorsichtig ausgedrückt, als Optimisten bezeichnen.

Etwas unfreundlicher formuliert, könnte man die Idee aber auch als Akt der Verzweiflung oder als Armutszeugnis und Indiz dafür sehen, wie groß die Ratlosigkeit unter den Verantwortlichen ist. Denn eines ist klar: Es ist fünf vor zwölf. Sinken die Schülerzahlen in Tegernsee weiter, könnte das Gymnasium mittelfristig die Dreizügigkeit verlieren. Und ein Ende des Schulbetriebs steht schneller ins Haus, als viele es immer noch für möglich halten.

Zum Autor: Christopher Horn, Jahrgang 1985, ist seit 2011 Redakteur bei der Tegernseer Stimme und Abiturient des Abschlussjahrgangs 2005 am Tegernseer Gymnasium.

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