1.000.000 Klicks am Tegernsee

Den türkischen Straßenfeger Selcuk Kahraman und den Berliner Dr. med. Bernd Sprenger verbindet das grundlegende Wissen über diverse Kontrollmechanismen vonseiten der Gesellschaft. Während der resolute Selcuk, sagen wir, eher schlagkräftige Erfahrung mit der öffentlichen Videoüberwachung gemacht hat, ist der Doc aus Köpenick ein Theoretiker. Die Gelehrsamkeit beider kann uns bei der Frage helfen, ob wir mehr Kameras im Tal brauchen oder nicht.

Könnte Videoüberwachung an gefährdeten Stellen im Tal bald standard werden?
Könnte Videoüberwachung an gefährdeten Stellen im Tal bald Standard werden?

Beginnen wir erst einmal mit dem Medizinischen. Perfektionisten und Machtmenschen kontrollieren gerne und überall. Das erfährt man in Sprengers Buch „Die Illusion der perfekten Kontrolle“. Das will heißen, dass dieser Spezies gar nichts mehr heilig ist. Ein gutes Beispiel liefert die NSA. Wir wissen nicht, wie viele Bilder und GPS-Signale sie von gutgelaunten Wanderern unter dem Gipfelkreuz, neben dem Gipfelkreuz vom Leonhardistein und aus irgendeinem Heustadl sammeln.

Es hat auch noch keiner nachgeschaut, ob unter der Seeoberfläche wasserdichte 24-Stunden-Webcams angebracht sind. Ja, das sind wirklich Kontroll-Freaks mit einer überbordenden Anamnese. Hätten sie bei Psychotherapeut Sprengers Telefonaten mal richtig abgehört, wäre jetzt seine Praxis ausgebucht. Die ganze Führungsriege der National Security Agency läge auf seiner Couch.

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Eine Frage beantwortet uns der Mediziner dann doch nicht: Wie reagiert der große Bruder, wenn er von einem noch größeren ebenfalls kontrolliert wird? Flippt er regelrecht aus? Übrigens, im Ausflippen ist Selcuk Kahraman auch eine Koryphäe. Noch dazu eine lebende mediterran-mediale Legende. Der Straßenfeger aus Gölcük, südöstlich von Istanbul, ist ein Internet-Star. In einem kleinen, sehr aktionsgeladenen Realityfilm schlägt er einen jungen Rotzlöffel mit dem Kampfschrei „Oglum bak, git!“ (deutsch: „Junge, zieh‘ Leine!“) in die Flucht.

Handy-Filmchen für mehr Spaß im Tal

Die Auseinandersetzung wurde mit einem Handy gedreht. Allein auf der Internet-Plattform Youtube und der in der Türkei ebenfalls sehr beliebten Video-Plattform Dailymotion kommt das Video auf knapp 1,5 Millionen Klicks. (Tipp aus der Redaktion: Schauen Sie sich das Video unbedingt an, bevor ein Oberkontroller namens Erdogan neben Twitter auch Youtube verbieten lässt.) Tja, hätte in dem Moment keiner eine Kamera in seiner Hosentasche gehabt, wäre der Film niemals entstanden.

Fakt ist: Installierte und mobile Aufzeichnungsgeräte machen unser Leben ein bisschen spannender. Nur so kriegen wir mit, dass in Massachusetts ein Fahrradkurier bei der Arbeit gegen einen Laternenpfahl geprallt ist, und dass eine einjährige Bulldoge namens Tillman auf dem Skateboard über den Malibuer Asphalt donnert.

Also nichts wie los. Kameras raus. Bermuda Dreieck, Seestraße und Neureuth. Passieren tut immer etwas, man muss nur lange genug warten. Irgendwann gibt es eine eigene Sparte „Fantastic Spots Lake Tegernsee“. Den Tourismusverband freut es und zum Lachen gibt es auch etwas. Wenn der Wasti mit seiner Hunde-Ledernen über den Seesteg flaniert und einen „Schuaplattla hilegt“ …

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