Drei tragische Vorfälle in wenigen Tagen: Würzburg, München, Ansbach. Drei junge Leute, die Terror und Gewalt verbreiten und damit ein ganzes Land in Angst und Schrecken versetzen. Veranstaltungen werden abgesagt, die Menschen bleiben zu Hause. Und auch die Flüchtlingsdiskussion tritt wieder in den Vordergrund. Ministerpräsident Horst Seehofer denkt derweil über einen härteren Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern nach.
Robert Kopp, Polizeipräsident von Oberbayern-Süd erklärte in einer Stellungnahme gestern, dass man es jetzt – nach den dramatischen Ereignissen der letzten Tage – nicht zulassen dürfe, „das Leben und die Gewohnheiten in unserer freiheitlichen Gesellschaft grundlegend“ zu verändern: “Angst und Furcht dürfen unser Leben nicht dominieren. Selbst wenn es niemals 100%ige Sicherheit geben kann, müssen wir unser Leben weiterleben.”
Doch die Bürger sind verunsichert und fragen sich, wie sicher unser Landkreis noch ist. Wir haben Landrat Wolfgang Rzehak befragt. Hier seine Einschätzung zu minderjährigen Flüchtlingen, Brauchtum in schwierigen Zeiten und die Möglichkeiten der hiesigen Polizeistationen:
Herr Rzehak, wie sieht Ihrer Meinung nach die Sicherheitslage im Landkreis nach den Vorfällen in Ansbach und Würzburg aus?
Wolfgang Rzehak: Objektiv betrachtet ist die Sicherheitslage nach den Anschlägen in Ansbach weder besser, noch schlechter. Wir müssen Vertrauen haben, dass unsere Art zu leben letztlich stärker ist, als das was die Terroristen wollen. Sollen wir auf unsere Traditionen verzichten, auf unsere Waldfeste, Seefeste, auf unser Brauchtum? Die Terroristen wollen Angst in unseren Herzen säen, sie wollen Zwietracht und Misstrauen. Das sollten wir nicht zulassen.
Was wären die richtigen Konsequenzen?
Wolfgang Rzehak Natürlich müssen wir wachsam sein, die Sicherheitskräfte im Landkreis haben ja schon angekündigt, mehr Präsenz zu zeigen. Ich möchte auf keinen Fall zynisch sein, aber Terroranschläge dieser Art waren ja keine Überraschung, der IS hat sie gerade auch für Deutschland viel mehr schon lange angekündigt. Wir werden eine differenzierte Sichtweise behalten, auch im Hinblick auf die Flüchtlinge. Wir werden uns von Terroristen nicht vereinnahmen lassen, wir kämpfen weiter für eine tolerante, weltoffene Gesellschaft.
Wieviel „geduldete Personen“ leben im Landkreis und wann droht eine Abschiebung?
Rzehak: Aktuell werden 18 Personen im Landkreis „geduldet“ – falls eine Person vollziehbar ausreisepflichtig ist und keine Abschiebungshindernisse vorliegen, wird eine Abschiebung vollzogen. Dafür ist bei uns das Bayerische Innenministerium zuständig.
Können Sie ein Beispiel für mögliche Abschiebe-Hindernisse nennen?
Rzehak: Abschiebehindernisse sind zum Beispiel Folter oder ein Vollzug der Todesstrafe im Heimatland. Hier ist auch das Landratsamt Miesbach absolut der Überzeugung, dass in solche Länder nicht abgeschoben werden soll. Ein anderes Abschiebehindernis sind fehlende Ausweisdokumente. Selbst in sichere Herkunftsländer sind Rückführungen oft nicht möglich, da diese nicht kooperieren. Das heißt, diese Länder weigern sich, für ihre Staatsangehörigen Papiere auszustellen. Hier muss die Bundesregierung dringend mehr Druck entwickeln, damit die Herkunftsländer Rückführungen erlauben. Es nutzt niemanden, wenn sich diese Menschen ohne Zukunftsperspektive unnötig lange in Deutschland aufhalten.
Werden unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, wie beispielsweise in Bad Wiessee beobachtet, beziehungsweise kontrolliert?
Rzehak: Eine permanente Kontrolle von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gibt es nicht. Dafür gibt es auch gar keine Rechtsgrundlage. Auch andere Personenkreise, die möglicherweise straffällig werden könnten, zum Beispiel Drogensüchtige, werden vom Staat nicht präventiv lückenlos überwacht. Wir versuchen stattdessen Beruf- und Freizeitangebote anzubieten, um die unbegleiteten minderjährigen Ausländer in diese Gesellschaft zu integrieren. In Notfällen kümmern wir uns auch um Therapieangebote.
Die „Überwachung“ besteht darin, dass die Jugendlichen mit ihren Lehrern zu tun haben, dann mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Jugendamtes, mit ihren Pflegefamilien und mit ihren sonstigen Kontakten in der Gesellschaft – in Sportvereinen, beim BRK oder im Kontakt mit Helferkreisen. So sollte eine Verhaltensänderung, eine Vereinsamung oder Radikalisierung auffallen.
Wie geht das Landratsamt aufgrund der Situation mit öffentlichen Veranstaltungen um?
Rzehak: Grundsätzlich ist die örtliche Sicherheitsbehörde, also die Gemeinde zuständig für die öffentlichen Veranstaltungen. Anfragen bezüglich des Vorgehens gab es bereits, etwa zum Seefest Tegernsee. Hier verweist das Landratsamt Miesbach auf die zuständige Polizeidienststelle, welche die Gefährdungslage am besten einschätzen kann.
Die Polizeiinspektionen haben bereits angekündigt, dass sie durch vermehrte Fußstreifen Präsenz zeigen wollen, um das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erhöhen. Die Leiter der Inspektionen verweisen darauf, dass sie für die Sorgen und Nöte der Bevölkerung „sensibilisiert“ sind. Grundsätzlich haben wir großes Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden, die auch in schwierigen Lagen immer für die Bürgerinnen und Bürger da waren. 100-prozentige Sicherheit kann es aber niemals geben.
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