Valerie begann nach eigener Aussage ihre Ausbildung am Tegernsee in den Egerner Höfen eigentlich, um den Drogen zu entkommen. Selbst beschreibt sie ihre damalige Lage als sehr instabil. Sie habe unter Depressionen gelitten. Schon bevor sie nach Bayern kam, habe sie regelmäßig Alkohol und Marihuana konsumiert, berichtet sie am Dienstag-Vormittag dem Amtsrichter Walter Leitner.
Um aus diesen Gewohnheiten zu fliehen, zog sie im August 2018 an den Tegernsee und begann ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau. „Am Anfang hat das gut geklappt,” erzählt ihre Mutter, die auch als Zeugin vor Gericht geladen war. Dann sei ihre Tochter ins Personalhaus gezogen und habe “Leute kennengelernt”. So sei sie wieder reingerutscht.
Treffen im “Mesner Gütl”
Die damals 17-Jährige lernte Sascha während ihrer Ausbildung im Bereich der Gastronomie kennen. Der 38-Jährige war Barkeeper in den Egerner Höfen. Nach der Arbeit habe er die Azubis oft im Personalhaus besucht, brachte Marihuana und Alkohol mit.
Für sie sei Sascha wie ein großer Bruder gewesen, beschreibt die 18-Jährige das Verhältnis. Sie hatte nie das Gefühl, er habe einen schlechten Einfluss auf sie. Mitte Januar 2019 habe Sascha dann gefragt, ob sie nicht mit ihm zu einem Freund kommen wolle. „Dort könne man ungestört trinken und rauchen, meinte er zu mir“, erinnert sich Valerie.
Sie fuhr mit Sascha in einem Taxi zum Restaurant „Mesner Gütl“ nach Rottach, wo sein Freund Darius arbeitete und ein Privatzimmer im oberen Stockwerk hatte. Bei diesem ersten Treffen habe man dann Unmengen an Alkohol getrunken und mehrere Joints geraucht, berichtet Valerie. Erst sei man nur zu dritt gewesen, später kamen dann noch zwei weitere Arbeitskollegen dazu. Schon bei diesem ersten Treffen habe Darius sie dann gefragt, ob sie auch Koks nehme. „Ich habe ja gesagt“, gibt die 18-Jährige zu. Auch im Personalhaus habe sie es schon mal gemacht. „Ich habe den Zustand genossen“, sagt Valerie.
„Ich habe mich innerlich tot gefühlt.“
Einige Tage später sei es zu einem zweiten Treffen gekommen, das das Mädchen so beschreibt: „Normale Routine. Darius hat Sekt und Wein geholt, das Beste vom Besten. Und ziemlich schnell hat er mir dann den Teller mit Koks gezeigt“. Sie habe an diesem Abend so vier oder fünf Lines gezogen. Zwar habe Sascha keine direkte Berührung mit dem Kokain gehabt und auch nicht konsumiert.
Trotzdem habe er sie dazu motiviert, das Zeug zu probieren. Es habe eine gute Qualität. Die Getränke, Speisen und Drogen musste Valerie an keinem der Abende bezahlen. Ihr wurde alles spendiert.
Nach diesem Abend sei es ihr dann sehr schlecht gegangen. „Das Kokain war sehr stark. Alles in meinem Mund war taub. Ich hatte Herzrasen, Hitzewallungen und meine Beine waren wie Wackelpudding“, erinnert sich die heute 18-Jährige. „Ich habe mich innerlich tot gefühlt, ich war nicht mehr richtig da.“ Sie sei dann zurück ins Personalhaus gegangen und nur noch allein sein wollen. Heute wisse sie, wie gefährlich der Zustand war, in dem sie sich an diesem Abend befunden hatte. Auf die Frage des Richters, ob sie nie an mögliche sexuelle Motive der Männer gedacht habe, antwortet Valerie:
Das war mir zu dem Zeitpunkt sogar egal. Ich wollte nicht vergewaltigt werden. Aber es gab Zeiten, wo es mir auch egal war, ob ich überhaupt noch aufwache.
Anfang Februar sei es dann erneut zu einem Treffen mit den beiden Männern gekommen. Diesmal in einer Bar. Man habe getrunken und Marihuana geraucht, erzählt Valerie vor dem Schöffengericht. Als sie an diesem Abend nach Hause kam, sei sie psychisch zusammengebrochen. Sie habe ihre Mutter angerufen. „Sie hat geweint und gesagt, sie hat Angst, dass sie da wo reinrutscht und nicht mehr alleine rauskommt“, beschreibt die Mutter das Telefonat.
Abbruch der Lehre in den Egerner Höfen
Dann sei alles ganz schnell gegangen. Die Eltern holten Valerie noch am selben Tag in Rottach ab und nahmen sie mit in die alte Heimat. Nur einmal sei man dann noch zurückgekommen, um alles mit dem Hotel zu klären und ihre Sachen zu holen. Valerie begann einen neunwöchigen Entzug und zeigte sich selbst an. Nur deshalb konnte die Sache nun vor dem Schöffengericht Miesbach verhandelt werden.
Auch die beiden Angeklagten Sascha und Darius schilderten nach Valeries Aussagen ihre Sicht der Dinge. Die Geschichten waren allerdings wirr. Richter Leitner war sich aber am Ende sicher, dass er Valerie Glauben schenken konnte: „Für mich besteht kein Zweifel an der Richtigkeit der Aussage.“
Am Ende sei es egal, wer das Gras mitgebracht habe, meinte der Staatsanwalt, „denn der Joint wurde zum unmittelbaren Verbrauch weitergegeben“. So sah es auch der Richter: „Den Erwachsenen war bekannt, dass Valerie auch ziehen wird. Keiner hat es gestoppt.“
Unterschiedliche Strafen für die Rottacher
Von wem das Gras stamme, könne nicht mehr ermittelt werden. Deshalb kam Sascha mit einer verhältnismäßig milden Strafe davon: Ihn erwarten eine Haft von einem Jahr und zwei Monaten, welche in Form einer dreijährigen Bewährung ausgeführt wird. Außerdem muss er viermal jährlich – für die kommenden zwei Jahre – ein Drogenscreening vorweisen.
Dass er keine gravierenden Vorstrafen hatte, war einer der Gründe, weshalb das Urteil so mild ausfiel. Außerdem stimme das soziale Umfeld mit Frau und zwei Kindern, um die er sich kümmern müsse. Über das Kokain habe Sascha nie Verfügungsgewalt gehabt, so das Gericht bei der Urteilsverkündigung. In diesem Fall wurde eindeutig Darius für schuldig befunden.
Dennoch hatte er bis zuletzt bestritten, der Minderjährigen etwas überreicht zu haben. Hinzu kam, dass in Darius Wohnung bei einer Durchsuchung ein gefälschter Führerschein gefunden wurde. Das, und zahlreiche Vorstrafen, führten letztlich zum Urteil: zwei Jahren und drei Monate Haft ohne Bewährung.
„Jetzt geht es mir gut“
„Wer Valerie heute erlebt hat, der war angetan. So ging es mir. Sie ließ sich von nichts erschüttern. Hat offen erzählt, wie sie mit Drogen umgegangen ist“, so der Richter am Ende der langen Verhandlung.
Für Valerie selbst sei es damals das Wichtigste gewesen, dass man ihr nicht ansieht, wie schlecht es ihr ging. Erst heute habe sie realisiert, wie dringend sie den Entzug gebraucht hat und wie wichtig es ist, Hilfe zu suchen. Sie macht aktuell ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland. „Heute geht es mir gut“, so die 18-Jährige.
Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.
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