„Dafür gibt es keine Entschuldigung“, machte Amtsgerichtsdirektor Klaus-Jürgen Schmid mehrmals während der Verhandlung deutlich. Ein 19-jähriger Auszubildende aus Rottach war angeklagt, seine Freundin mit Knien und Fäusten misshandelt zu haben und ihr sogar mit einem Kissen auf ihr Gesicht drückend die Atemluft genommen zu haben. Zudem hatte der junge Mann sie als „Schlampe“ bezeichnet.
Als Südländer meinte er sich klischeehaft auf sein Temperament berufen zu können, aber auch wenn Richter Schmid ihn zu dieser Aussage leitete, ließ er es nicht durchgehen. Ende Juli vergangenen Jahres waren die beiden Jugendlichen wieder einmal zusammen gekommen. Aber schnell gab es wieder Zoff.
Geheime Beziehung
Schon vorher hatten sie sich immer wieder gestritten und versöhnt – eine On-Off-Beziehung. Der Angeklagte war seiner Freundin bereits als aufbrausend bekannt. „Aber so schnell wie er oben war, kam er sonst auch wieder runter“, erzählte die Geschädigte gestern als Zeugin vor Gericht. „Aber ich war immer die Person, die ihn am schnellsten wieder beruhigt hat.“
Außer an diesem Tag im Juli. Die junge Frau war mit ihrem besten Freund verabredet. Ihr Liebhaber war auf einem Festival in München. Die beiden hatten allen, auch ihrem besten Freund und der Familie, verheimlicht, dass sie nach einigen Monaten Trennung wieder ein Paar waren. Der Angeklagte hätte es gern allen erzählt, sie wollte das nicht:
Mein bester Freund meinte, wenn ich mit dem wieder zusammenkomme, kann er nicht mehr mein Freund sein.
Irgendwann im Laufe des Abends stieß der Beschuldigte mit seiner Freundin und deren bestem Freund zusammen. Er hatte sich während seiner Rückreise aus München nicht wohl gefühlt, da er vorher schon Alkohol konsumiert und mit den beiden dann noch weitergetrunken habe – obwohl er laut eigener Aussage sonst keinen Alkohol trinke.
Emotionale Ausnahmesituation eskaliert
Später entschloss sich das Pärchen in die Wohnung des Mädchens zu fahren. Sie wohnt in einer Einlieger-Wohnung im Haus der Eltern. Dort angekommen verschlechterte sich die Laune des Angeklagten. Er fragte seine Partnerin, warum sie nicht zu ihrer Beziehung stehe und ihren Freunden davon erzählen wolle. Der Mann:
Ich war nicht eifersüchtig, aber sauer, dass sie niemandem von uns erzählen wollte. Dann wollte ich es ihren Eltern sagen.
Das traf allerdings bei der jungen Frau auf erhebliche Ablehnung. Sie schloss die Wohnung von innen ab, zog den Schlüssel ab und steckte diesen in ihre Handtasche. So hinderte sie den Angeklagten daran zu ihren Eltern zu gehen.
Massive Gewalt
Er wollte daraufhin den Schlüssel haben, beschimpfte sie als „Schlampe“, warf sie auf die Couch. Sie rollte sich daraufhin auf der Seite liegend zusammen, presste die Tasche mit dem Schlüssel an sich. Der 19-Jährige kniete sich auf seine Freundin und schlug auf sie ein.
Dabei riss er ihren Ohrring heraus, sodass das Ohrläppchen einriss. An die Episode mit dem Kissen erinnerte sich die Geschädigte nur auf Nachfrage des Richters. Sie sagte, er habe nur zwei bis drei Sekunden mit dem Kissen auf ihr Gesicht gedrückt. Zuvor hatte sie gegenüber der Polizei von 15 Sekunden gesprochen. Der Angeklagte habe ihr zwar den Atem genommen, aber Todesangst habe sie nicht gehabt.
Die junge Frau hatte sich unter Einsatz einiger Gewalt befreien können und war ins Badezimmer geflüchtet, wo sie sich eingeschlossen hatte. Von dort schrieb sie ihrem besten Freund übers Handy Nachrichten und bat um Hilfe. Der hatte die Situation aber wohl nicht voll verstanden und kam nicht.
Selbstmord angedroht
Stattdessen hörte sie durch die Tür wie ihr Peiniger sich durch die Tür entschuldigte:
Ich hörte wie er rief, er habe mir doch nichts antun wollen. Lieber würde er sich selbst das Leben nehmen. Durch die Tür konnte ich sehen, dass er sich ein Messer aus der Küche geholt hatte.
Irgendwie hatte sich die Situation dann nach einiger Zeit tatsächlich so weit entspannt, dass die junge Frau den Angeklagten auf ihrer Couch schlafen ließ und sich traute, sich in ihr eigenes Bett zurückzuziehen und dort zwei Stunden Schlaf fand. „Vorher habe ich gehört, wie er sich immer wieder bei mir entschuldigte“, erzählte sie vor Gericht. „Ich habe ihm gesagt, er soll einfach gehen.“
Endgültiges Beziehungsende
Richter Schmid fragte den Angeklagten, ob er denn über die Beziehung nun hinweg sei, was dieser verneinte. Dann richtete er sich an die junge Frau und fragte, was sie denn jetzt wolle. Sie antwortete:
Nur noch meine Ruhe.
Der Staatsanwalt meinte, dass die geschilderte Situation für ihn klinge, als habe der Angeklagte unter extremen Drogeneinfluss gestanden. In seinem Plädoyer betonte er noch einmal ausdrücklich die erhebliche Gewalt, die der Angeklagte ausgeübt habe und dass sich die Geschädigte durchaus in Lebensgefahr befunden habe. Er gestand dem Angeklagten einen emotionalen Ausnahmezustand zu und begrüßte auch die gezeigte Reue. Trotzdem forderte er ein Freizeitsarrest als Strafe.
Guter Rat zum Abschluss
Die Jugendgerichtshilfe empfahl in jedem Fall Beratungsgespräche zum Umgang mit Frauen und Liebesbeziehungen. Wenn ein Arrest, dann nur ein Wochenende Freizeitarrest, um den Ausbildungsplatz nicht zu gefährden. Der Verteidiger befand, dass die Tat die Rahmenbedingungen für gefährliche Körperverletzung nicht erfülle.
Die Episode mit dem Kissen sei zum Beispiel von der Geschädigten selbst als nicht wichtig eingestuft worden. Sie habe diese nicht einmal im Chat mit ihrem besten Freund erwähnt. Beratungsgespräche seien als Strafe ausreichend.
Richter Schmid verurteilte den Rottacher zu einer Geldstrafe von 600 Euro an den Frauen- und Mädchen-Notruf, die Übernahme der Prozesskosten sowie zu Beratungsgesprächen. Einen persönlichen Rat gab er ihm auch noch mit auf den Weg.
Stürzen Sie sich in einen Sport. Lernen Sie neue Leute kennen und finden Sie sich damit ab, dass diese Beziehung vorbei ist.
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