Amtsgericht Miesbach:
24-jähriger Gmunder gibt Cyber-Grooming zu

Ein Mann belästigt eine 13-Jährige auf WhatsApp. Heute musste er sich vor dem Jugendschöffengericht verantworten.

Im Amtsgericht Miesbach nehmen die Cybergrooming-Fälle zu. Foto: Martin Calsow

Weil zwei kinderpornografische Fotos bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt wurden und er eine 13-Jährige über WhatsApp sexuell belästigt hat, wurde ein 24-Jähriger heute vor dem Jugendschöffengericht Miesbach verurteilt. (Achtung, der folgende Text ist explizit und schildert auch Zitate aus der WhatsApp-Kommunikation zwischen Opfer und Täter. Wem das zu viel ist, kann unten bei “Cybergrooming und Tipps” weiterlesen.)

Kontext

Die Vorfälle ereigneten sich im November 2023. Damals bat der Angeklagte B. (Name geändert) ein Mädchen, das er über Social-Media kennengelernt hat, eine separate Gruppe in einem WhatsApp-Channel mit ihren Freundinnen und Freunden zu erstellen.

Das passiert dann auch. Das Mädchen ist zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt. Nach einem kurzen Chat-Verlauf, der sich etwas über zwei Stunden ziehen soll, schreibt der Angeklagte unter anderem den Satz “wollte ihr sehen wie ich wichse?” und schickt daraufhin ein Foto seines erigierten Glieds. Im weiteren Verlauf fordert er das Mädchen auf, ihm ein Foto von seinen “Mini-Tittchen” zu schicken.

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Der Vater eines der Kinder aus dem Gruppenchat wird darauf aufmerksam gemacht und erstattet daraufhin Anzeige. Es folgt eine Hausdurchsuchung, bei der die Polizisten zwei kinderpornografische Fotos auf seinem Smartphone sicherstellen; darunter das Foto, das über WhatsApp geschickt wurde.

Kinderpornografie und sexueller Missbrauch

Heute musste sich der Gmunder wegen sexuellen Missbrauch von Kindern (ohne Körperkontakt) und den Besitz von Kinderpornografie vor dem Jugendschöffengericht verantworten. Denn er hat nicht nur selbst pornografische Inhalte verschickt, er hat das Mädchen aufgefordert und bedrängt, eigene Nacktbilder zu senden.

Der Paragrafen 176a definiert sexuellen Missbrauch über sexuelle Handlungen, die man vor einem Kind vornimmt (Bild vom Onanieren). Er deckt auch Aufforderungen ab, also ein Kind zu drängen, eigene sexuelle Handlungen vorzunehmen (Forderung eines Fotos der “Mini-Tittchen”) und bestraft auch, wer auf ein Kind durch einen pornografischen Inhalt einzuwirken versucht (Foto plus Text-Nachrichten).

Reue, Therapie und Glukose

Gleich zu Beginn gibt der Angeklagte seine Schuld zu, “ich möchte zuerst sagen, dass es mir sehr leidtut und ich niemanden schaden wollte.” Sein Anwalt Jost Hartman-Hilter führt gleich zu Beginn eine Erkrankung seines Mandanten an. Er habe eine Stoffwechsel-Erkrankung, einen Glukose-Transporter-Defekt. Die Krankheit ist genetisch, wurde erst mit zwölf Jahren bei seinem Mandanten entdeckt, weil er keine klassischen Anzeichen zeigte. Epileptische Anfälle gehören etwa dazu. Die Krankheit hat Auswirkungen auf das Denken, Hartman-Hilter spricht “von einer Verlangsamung im Gehirn”.

Auch in der Stellungnahme der Therapeutin geht es unter anderem um diese Erkrankung. Daraus geht hervor, dass der Angeklagte nach einem Erstgespräch weitere 14 Einzeltermine buchte und vor allem, dass es keine Hinweise auf Pädophilie gebe.

Im Gegenteil; der Patient sei an erwachsenen Frauen interessiert, ihm falle es aber schwer, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen. Kern der Therapie sei demnach das Erlernen eines adäquaten Umgangs mit seiner Sexualität und die Befähigung zu einem sogenannten Self-Risk-Management. Weil er keine jugendtypische Erfahrungen gemacht habe, was in Teilen der Stoffwechsel-Erkrankung zugeschrieben wird, war die Kommunikation auf Social-Media sein Ausweg, so die Erklärung der systemischen und kriminaltherapeutischen Therapeutin in der Stellungnahme, aus der Richter Klaus-Jürgen Schmid vorliest.

Der Polizeibeamte von der Staatsanwaltschaft München II, der als Zeuge geladen ist, wird später vom Richter gefragt, ob er von der Erkrankung gewusst habe? Er habe keine Angaben gemacht, so der Sachbearbeiter, aber “mein Eindruck war, dass er nicht wie ein anderer 20-Jähriger reagiert hat.” Er schildert auch, dass er bei der Hausdurchsuchung von ihm sofrot den Code für das Handy bekommen hat, auf dem dann das besagte Bild gefunden wurde.

Social-Media

Es wird nicht ganz klar, wie sich Opfer und Täter im Netz begegnet sind. Die Fragen und Nachfragen von Schöffen und Richter dazu werden vage beantwortet. Was war das denn für ein Channel? Wer war da unterwegs? Was war das für ein Personenkreis? Es sei eine Gruppe für “jegliche Menschen offen” sagt der 24-Jährigen. Es sei um Hobbys und Freizeit gegangen. “Wie kam es dann, dass sie mit Sandra (Name von der Redaktion geändert) schreiben?” will ein Schöffe wissen. “Sie kam sympathisch rüber und hat auch älter gewirkt,” sagt der Angeklagte. Sein Anwalt sagt in der Verhandlung, dass das Mädchen “nicht ganz unprofessionell” kommuniziert habe und sich bereits “schon vorher auf diesen Plattformen umgetan habe”. Welche Plattformen das sind, wird nicht näher beschrieben.

Der Angeklagte wird zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt.

Cyber-Grooming und Tipps

TikTokSnapchat oder in Videospielen wie Fortnite oder eben auf WhatsApp-Channels suchen Täterinnen und Täter nach Kindern und Jugendlichen. Harmlosen Gesprächen folgt Druck.
Kinder werden etwa aufgefordert, Bilder und Videos zu schicken oder gar ein Treffen zu verabreden.
Klare Regeln: Eltern sollten gemeinsam mit ihren Kindern klare Regeln für den Umgang mit Fremden im Internet festlegen. Zum Beispiel, dass man keine persönlichen Informationen, Bilder oder Videos an unbekannte Personen sendet.
Offene Gespräche: Eltern sollten frühzeitig offene Gespräche über Sexualität und Sicherheit im Netz führen. Kinder sollten wissen, dass sie bei unangenehmen Erfahrungen oder Belästigungen mit ihren Eltern sprechen können.
Technische Sicherheitsvorkehrungen: Für jüngere Kinder bieten sich technische Jugendschutzfilter, Kindersuchmaschinen und moderierte Kinderforen an. Diese können den Zugang zu potenziell gefährlichen Inhalten einschränken.
Beweise sichern: Wenn Eltern von Belästigungen oder Missbrauch im Netz erfahren, sollten sie Beweise per Screenshot sichern und zum Beispiel an jugendschutz.net senden.

Weitere Infos gibt es zum Beispiel bei Klicksafe oder Schau-hin.info.

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