Michael Much und seine “Grünen-Plakate” haben deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt. Er sollte eine Geldstrafe von 6000 Euro zahlen, so entschied das Amtsgericht. Das hat er nicht eingesehen und auf Meinungsfreiheit plädiert.
Mehrere Fernsehteams drängeln sich um den Unternehmer, der auf Meinungsfreiheit pocht. Um die 30 Zuschauer sitzen in den hinteren Reihen. Fans der freien Presse sind kaum darunter. Damit erinnert das Verfahren zeitweise an eine Theater-Aufführung: Die Besucher brummen und lachen an dramaturgisch bedeutsamen Stellen des Gerichtsverfahrens. Erst knapp vor der Urteilsverkündung verwarnt der Richter die raunende Zuschauermenge.
Nicht alles ist Meinung, manches ist Stimmungsmache
In der Berufung geht es vor allem darum, ob es sich bei den gezeigten Plakaten um Beleidigung von Bundespolitikerinnen und Politikern handelt oder um eine Meinungsäußerung, die vom Grundgesetz geschützt ist. Dass der Taxi-Unternehmer die Banner im Internet bestellt und auf seinem Grundstück aufgestellt hat, daran besteht kein Zweifel. Auch nicht daran, dass er die von der Polizei bereits abgebauten Plakate wieder aufgestellt hat. Das gibt er offen zu.
Auf den Plakaten? Ein Banner für den Wirtschaftsminister Robert Habeck. Darauf ist er in Jeans und mit leeren Hosentaschen abgebildet. Überschrieben ist es mit “kann er überhaupt bis drei zählen?” Eines für weitere Bundespolitiker der Grünen, darunter die Außenministerin auf Kindesgröße geschrumpft (die übrigens eigens Strafanzeige gestellt hat) und die Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, als Dampfwalze. Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ist drauf, mit Karotte im Ohr. Eine Karotte, die für die Verteidigung die Landwirtschaft symbolisiert. Für die Klägerbank ist es die Verächtlichmachung seiner Person.
Ist das Kunst oder kann das weg?
Ricarda Lang wurde vom “Künstler” – wie Much und sein Verteidiger-Duo mehrmals behaupten – mit einer Dampfwalze unter den Füßen ausgerüstet. Sitzt sie auf der Dampfwalze? Ja, so die Strategie der Verteidigung. Ist sie die Walze? Dann wird sie auf ihr Körpergewicht reduziert. Die Staatsanwältin hat eine klare Haltung: Sie sieht Lang auf dem Banner in ihrer “Menschenwürde herabgesetzt”. “Das ist keine sachliche Auseinandersetzung mehr”, sondern der Subtext, “zu dick um Politik zu machen”. Auch das Habeck-Plakat lässt sie nicht als sachliche Kritik gelten, sondern findet klare Worte: “Er wird als Vollidiot dargestellt”. Für sie ist das alles Stimmungsmache, keine sachliche Diskussion oder Kritik an der Bundesregierung, die “übrigens nicht nur aus Grünen besteht”.
Verteidiger-Duo für die Kunst- pardon – Meinungsfreiheit?
Christoph Partsch und Tilmann Scheffner verteidigen Much, der sich zu Beginn der Verhandlung zu Wort meldet, “ich wollte meiner Meinung Ausdruck verleihen, deswegen muss man ja niemand beleidigen.” Much erzählt, wie er die Banner im Internet entdeckt habe, dass der Fund ihn bewegt habe, “satirisch meine Meinung darzulegen”. Weil er aber vorher wenig bis gar nichts gesagt hat, scheint das den Richter zu überraschen. Beim letzten Verhandlungstag, bei der Polizei war Much schweigsam.
Deswegen will der Richter jetzt “a biserl wissen, was er gedacht hat”, auch ob sie vom Gleichen reden, also wer da auf den Bildern abgebildet sei. Eben nachvollziehen, was den 52-Jährigen bewegt hat. Much spielt seine Karten: Dass er als Unternehmer einfach gespürt habe, “was im Land nicht passt” und auch dass es sich zu diesem Zeitpunkt (rund um die Landtagswahlen in Bayern) noch niemand getraut habe und “keine Bewegung da war”. Er zählt auf, wie er unter den Lieferketten-Problemen leide, unter den steigenden Energiepreisen, den Treibstoffpreisen …
Was er unter Bewegung versteht, wird er nicht gefragt.
Seine Verteidiger zitieren in ihrem Statement dann haufenweise aus Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit (einmal falsch, wie es die Staatsanwältin im Anschluss korrigiert). Dann reiten sie von Söders Aschermittwoch-Rede (“die Grünen machen soviel Mist) zum Magazin Royal und betonen, dass “Satire möglich sein muss”. Es habe sich hier einfach um ein politisches Statement gehandelt. Ergo: Keine Beleidigung.
Der Richter ist überzeugt. Er begründet seinen Freispruch damit, dass “andere Deutungen nicht ausgeschlossen werden können”. Zwar macht er hier auch nochmal deutlich, dass “Politiker kein Freiwild” sind, aber eben auch, dass “Politiker mehr hinnehmen müssen als Privatpersonen.”
Randnotiz
Wir haben an Much in den letzten beiden Monaten zwei E-Mails gesendet. Unter anderem haben wir ihn gefragt, ob er die Banner heute auch noch aufstellen würde? Auch sein Demokratieverständnis und in welchem Verhältnis er zum Initiator des Crowds-Fundings steht, das für seine Ausgaben aufkommen wollte, hat uns interessiert. Auch den Mann hinter der Spendenaktion haben wir um ein Gespräch gebeten. Keine Antworten.
In einer Fußnote der Spendenkampagne steht, dass man die Druckdateien der Plakate haben könne.
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