„Fahr einfach übers Bruckerl und dann gleich links, dann siehst mein Karr’n scho steh!“ Die Beschreibung führt zum Ziel: um kurz nach sieben morgens bin ich da. Sechs Grad zeigt das Thermometer. Der Karr’n, ein Seilschlepper mit Rückewagen, ist unübersehbar. Georg Hiemenz schraubt noch an der Technik. „Irgendwas ist mit dem Joystick“, begrüßt er mich. Gleich geht’s los zum „Holzrücken“ ins Suttengebiet.
Originelle Berufe gibt es viele. Einige sind so selten, dass sie oft unbekannt sind. Anders ist das mit dem Holzknecht. Fast jeder, der auf dem Land lebt, kennt ihn. Früher war es ein Knochenjob, der zudem noch äußerst gefährlich war. Im unwegsamen Gelände musste viele Holzknechte bei der schweren Arbeit unfreiwillig ihr Leben lassen. Zahlreiche Marterl in den Bergen erinnern an so manchen verstorbenen Holzarbeiter.
Waldarbeit tief mit dem Tal verwurzelt
Wie schwierig das „Hinunterholzen“ – der Abtransport der gefällten Stämme – war, schildert Max Rehle in seiner unveröffentlichten Kreuther Chronik:
Holzhacker sind ein tüchtiges und lustiges Völklein. Wenn im späten Frühjahr der Winter von den Bergen weicht, dann wandern sie – mit schweren Rucksäcken bepackt – hinein in die entlegenen Hütten der Seitentäler, hinauf an die Arbeitsplätze oben am Berge.
Die Waldarbeit ist tief mit dem Tegernseer Tal verwurzelt. Laut Kreuther Chronik stellt das älteste Zeugnis für eine Waldnutzung im Kreuther Tal der Name selbst dar. „Ins G’reuth“ sagen noch heute alte Einwohner und meinen damit: nach Kreuth, sie gehen ins „Gerodete“, also in ein Gebiet, das für eine Siedlung gerodet werden musste.
Rodung für menschliche Siedlungen und landwirschaftliche Grundstücke war die ursprünglichste Form der Waldnutzung. Doch wenn es nach alter Tradition geht, ist das, was Hiemenz an diesem Freitag macht, überhaupt unheimlich. Rehle dazu in seiner Chronik: „Der Freitag ist ein Unglückstag, und ,an Tuifl’ fürchtet jeder Holzknecht“.
Doch heutzutage arbeitet man sowieso ganz anders. Wo früher Pferde das sogenannte Rücken, also das Aufladen und Bündeln der geschlagenen Stämme, übernahmen, helfen heute schwere Maschinen.
Mancherorts wird jedoch auch heute noch händisch holzgerückt: ohne Einsatz von Forstmaschinen mit einer sogenannten Sapie – einer Kombination aus Hammer und Wendehaken – werden über eine Rinne (Holzriese) mithilfe eines Rückepferdes die Stämme ins Tal gebracht.
Leidenschaft fürs Holz
Wir fahren erst einmal den Berg hinauf. Vorbei am Enterrottacher Mauthäuschen, in dem so früh noch niemand sitzt. Auf etwa 1.000 Meter biegt Hiemenz rechts ab. Während wir an ein paar „Gantern“ vorbeikommen – so nennt man die ordentlich zu Haufen aufgeschichteten Stämme –, erzählt er von seiner Leidenschaft.
„Diplom-Holzknecht“, so umschreibt der in Rottach aufgewachsene – den alle nur den „Irgl“ nennen – seinen Job. Nach der Ausbildung zum Holzknecht bei den Bayerischen Staatsforsten in Schliersee ging es für Hiemenz anschließend zum Studium der Wald- und Forstwirtschaft an die Fachhochschule in Weihenstephan. Danach Praktika an einer Lawinenverbauung und in verschiedenen Holzbetrieben, auch im Ausland.
Die Leidenschaft fürs Holz wurde dem 36-Jährigen schon in die Wiege gelegt. Bereits der Vater und Urgroßvater waren in diesem Bereich tätig. Auch Georgs Bruder Quirin ist beim Forst. Während „Irgl“ auf die kleine hölzerne Brücke, die über die Rottach führt, zusteuert, erzählt er Geschichten aus dem Waldalltag. Leise plätschert der Bach vor sich hin in seinem steinigen Bettchen. Doch unser „Karr’n“ übertönt die leise Waldromantik.
„Holz machen ist keine Sünde.“ Hiemenz gibt eine alte forstliche Redensart wieder. Alles, was erntereif sei, das könne man bedenkenlos fällen, so der Unternehmer. Wichtig sei, dass die Regel der Nachhaltigkeit erfüllt sei. Dass man also nicht mehr Holz aus dem Wald hole, als nachwachsen könne. Alle zehn bis 15 Jahre könne man einen „Hieb“ machen. Das sei beispielsweise an dem Platz von heute der Fall.
Alles läuft maschinell
Beim maschinellen Holzrücken gibt es die unterschiedlichsten Maschinen: Forstschlepper, Forwarder oder Harvester heißen sie, mit Rückewagen, Seilwinden beziehungsweise mobilen Seilkränen. In sehr schwierigem Gelände wird auch mit Helikoptern gearbeitet.
Bei Georg Hiemenz läuft – wie bei den meisten Holzknechten – die Arbeit hauptsächlich maschinell ab. Und weil die Maschinen und Fahrzeuge recht teuer sind, müssen sie möglichst oft laufen, damit sie sich rentieren. „Alles, was Radl hat im Holz, das kostet Geld“, sagt eine Redensart unter Forstleuten. Und die Konkurrenz schläft auch nicht im Bereich der Holzarbeit. Hiemenz ist trotzdem sehr zufrieden mit seiner Auftragslage.
Bedenken, arbeitslos zu werden, hat er keine. Denn das Rücken ist nicht seine einzige Tätigkeit. Etwa ein Drittel ist der seit dem Jahr 2000 selbstständige Holzunternehmer damit beschäftigt. Ein Drittel seiner Zeit verwendet er aufs Holzschneiden, den Rest ist er im Büro, um Verwaltung und Holzhandel zu treiben. Außerdem ist Hiemenz auch Dozent an der Akademie in Weihenstephan.
„Ich bin Einzelkämpfer“, erklärt er. Trotzdem hat er ein Team – die sogenannte Partie – immer mit dabei. Gesetzliche Vorgaben regeln beispielsweise, dass man Holzarbeit aus Sicherheitsgründen nie alleine durchführen darf.
An dem Holzplatz, an dem wir uns befinden, wird beispielsweise mit einer Seilbahn gearbeitet. Das heißt, es sind zwei weitere Männer mit dabei, die die bereits entrindeten Stämme von oben mit dem sogenannten Woodliner – einer Art Lift für Baumstämme – herunterlassen.
Unten angekommen, schichtet Georg die Stämme feinsäuberlich auf seinen „Karr’n“. Baumstamm für Baumstamm – Fichte und Buche – greift er und befördert sie von dem Holzhaufen auf sein Fahrzeug. Ist die Fuhre fertig, so wiegt das ganze Gefährt insgesamt 19 Tonnen. Fuhre für Fuhre fährt er die Ladung nach vorne zu den „Gantern“, die darauf warten, vom sogenannten Holzfrechter – dem Fuhrunternehmer – ins Werk gebracht zu werden.
Vertrieb ist wichtig
Obwohl Hiemenz viel Zeit draußen verbringt, muss er sich auch um den Holzhandel kümmern. Die Bäume auf den Gantern sind zu diesem Zweck so beschriftet, dass sie vom Abholer zugeordnet werden können. Einer ist der sogenannte Hackhaufen – dieses Holz wird später zu Hackschnitzeln. Einer ist sogenanntes IL – also normales Brennholz, der dritte ist die hochwertige Verkaufsware.
Abgerechnet wird dann entweder über die Waldbauernvereinigung Holzkirchen, der Hiemenz angehört, oder direkt mit dem Kunden, der den Holzschlag in Auftrag gegeben hat.
20 bis 30 Festmeter Holz kann Hiemenz theoretisch an einem Tag motormaschinell aufarbeiten. Auch weiß er, dass sein „Karr’n“ etwa sechs Liter Diesel pro Stunde verbraucht. Der zu erzielende Holzpreis ist geregelt durch Angebot und Nachfrage.
Und trotzdem ist in diesem Job nicht alles planbar. Vor allem, dass das Geschäft so wetterabhängig ist. Holzrücken könne man theoretisch ja das ganze Jahr über. Aber halt nur, wenn es trocken oder der Boden gefroren ist. „Das ist wie beim Heumachen, das geht auch nur bei schönem Wetter.“
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