“Energiepolitik zum Davonlaufen”

Dass Windkraftgegner und Atomkraftbefürworter gemeinsam mit der Staatsregierung an der Nutzung der Windkraft sägen, wollten sich Windkraftbefürworter gestern in Kreuth nicht gefallen lassen. Mehr als 100 Demonstranten machten ihrem Ärger im Umfeld der CSU-Klausurtagung Luft.

Bund Naturschutz, Energiewende Oberland, Bundesverband Windenergie Bayern und weitere Initiativen demonstrierten vor Ort. Ministerpräsident Seehofer hat indes einen Kompromiss angekündigt.

Mit Transparenten, Trillerpfeifen und Buh-Rufen machten die Demonstranten ihrer Wut Luft.
Mit Transparenten, Trillerpfeifen und Buh-Rufen machten die Demonstranten ihrer Wut Luft.

Die aus ihrer Sicht rückwärtsgewandte Energiepolitik ist es, was die Demonstranten stört. Nach einem hoffnungsvollen Beginn der Energiewende nach Fukushima, so die Einschätzung der Initiatoren, sehen sie den Atomausstieg sowie den Klimaschutz in Bayern in Gefahr. Sie fordern einen weiteren Ausbau der Windkraft. Rund 100 Männer und Frauen trafen sich aus diesem Grund gestern Mittag in Kreuth.

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Wie die Süddeutsche Zeitung vorab berichtete, will Ministerpräsident Horst Seehofer neue Schwerpunkte bei der bayerischen Energiepolitik setzen. Anstatt die erneuerbaren Energien in Bayern weiter auszubauen, schiebt er einen Sparkurs vor, mit dem die Bürger vor Mehrkosten bewahrt werden sollen. Wenn es nach den Plänen Seehofers geht, dürfte damit vor allem die Windkraft im Freistaat keine große Rolle mehr spielen.

Vor allem CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer, der sich mittags vor die Demonstranten stellte, um den Kurs zu erklären, bekam daher auch den geballten Unmut der rund 100 Teilnehmer zu spüren. Trotz Buh-Rufen versuchte Kreuzer, die Energiepolitik der Landesregierung auf den Punkt zu bringen, und betonte:

Es kommt nicht in Betracht, dass die Kernkraft ihre Laufzeiten verlängert.

Nichtsdestotrotz gäbe es, so Kreuzer weiter, „Zielkonflikte bei der Umsetzung der Energiewende“. Um unnötige Belastungen der Bürger zu vermeiden, sei ein großer Spagat nötig. Man müsse darauf achten, die Bürger nicht mit den Mehrkosten alleine zu lassen.

Mit Transparenten, Trillerpfeifen und Buh-Rufen machten die Demonstranten ihrer Wut Luft
CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer, umgeben von Demonstranten in Kreuth.

Wie auch in Seehofers Worten berief sich der CSU-Politiker dabei zusätzlich auf die Versorgungssicherheit. Bei den Entfernungsangaben von Windrädern zu Wohngebieten – im Schnitt rund 2.000 Meter – habe man sich im Übrigen noch auf nichts geeinigt. Und auch die geplanten Windräder, für welche die Genehmigungsverfahren bereits laufen, könnten noch nach der alten Rechtslage gebaut werden.

Bei den Entfernungen ist die Linie des Ministerpräsidenten ein wenig rigoroser – zumindest vordergründig. Am geplanten zehnfachen Abstand von einem Windrad zur Wohnbebauung dürfe nicht gerüttelt werden. „Das wäre Wortbruch“, so Seehofer im Rahmen der Klausur. Doch bei den Details könnte es ohne Weiteres Ausnahmen von der Regel geben. „Wenn sich alle Beteiligten vor Ort einig sind nach einem demokratischen Prinzip.“ Heißt: Per Gemeinderatsbeschluss oder Bürgerbegehren sind auch geringere Abstände möglich.

Doch von diesem Einlenken wussten die Demonstranten gestern Mittag noch nichts. Das Plädoyer von CSU-Fraktionschef Kreuzer konnte sie nicht im Mindesten überzeugen oder beruhigen. Aufgebracht riefen sie immer wieder Parolen und pfiffen den CSU-Mann aus. Einige wiederum zollten Kreuzer Respekt dafür, dass er sich bei der Demonstration überhaupt blicken ließ.

Kein Schnee weit und breit

Viel Applaus bekam dagegen erwartungsgemäß Rudi Remm vom Bund Naturschutz München, der vor allem anprangerte, dass man sich in der heutigen Zeit nicht mehr auf Aussagen der Regierung verlassen könne. „Was ist das für eine Energiepolitik, wenn man heute Hü und morgen Hott sagt?“ Gleichzeitig ging er auf das warme Wetter und die aktuelle Situation in den bayerischen Skigebieten ein:

Hier in Kreuth ist um diese Zeit sonst immer Schnee. In Garmisch sagt man den Weltcup wegen Schneemangels ab. 2050 wird es bei uns nur noch ein einziges Skigebiet geben und das ist auf der Zugspitze. Es ist eine Minute vor zwölf mit dem Klimawandel.

Neben Einheimischen aus dem Tal waren gestern auch Gruppen aus dem gesamten Freistaat nach Kreuth gekommen. Teilweise reisten sie mit Bussen aus Cham, Regensburg, Neumarkt oder Erlangen an. Und damit aus Gebieten, in denen Windkraft, im Gegensatz zu vielen Gebieten in der Region Miesbach, durchaus wirtschaftlich funktionieren kann. Ihren Unmut der Politik gegenüber zeigten sie mit Transparenten und Buh-Rufen.

Mit Transparenten, Trillerpfeifen und Buh-Rufen machten die Demonstranten ihrer Wut Luft
Rudi Remm vom Bund Naturschutz München

Der Grund für die Verärgerung der Naturschützer liegt aber nicht nur im aktuellen Schwenk der Politik. Denn schon bisher hinke Bayern laut BN bei der Nutzung von Windkraft im Vergleich zu anderen Bundesländern hinterher. Mit den von Seehofer geforderten größeren Abständen von Windrädern zu Wohnhäusern dürfte sich das nun auch nicht reduzieren.

Für den BN ein großes Versäumnis. Generell, so die Aussage der Verantwortlichen, nimmt die Windkraft unter den regenerativen Energien eine Vorreiterrolle ein. Das macht der BN auch in seinem Positionspapier klar. Im Gegensatz zur Solarkraft und nachwachsenden Rohstoffen würde dort schon heute oft der Bereich der Wirtschaftlichkeit erreicht.

Aus dem Grund ist auch die aktuelle Abkehr von den gefassten Zielen für viele nicht nachvollziehbar. „Energiepolitik zum Davonlaufen“, so bezeichnete es ein Teilnehmer bei der gestrigen Kundgebung. Eine Formulierung, die bei den anderen Demonstranten auf viel Zustimmung stieß. Und daran dürfte auch der kleine Kompromiss am Rande der CSU-Klausur nichts geändert haben.

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