Landschaft zu schützen und Grundstücke für Nachfolger zu sichern, das sei nun mal ein Widerspruch. Nicht jeder Zuschauer war überzeugt.
Halbzeit ist derzeit beim Beteiligungsverfahren um den neuen Gmunder Flächennutzungsplan. Bis zum 7. April liegt dieser noch im Rathaus zur öffentlichen Einsicht aus. Um zusätzlich Transparenz zu zeigen, hatte die Gemeinde am Donnerstagabend in den Neureuthersaal geladen. Bürgermeister Georg von Preysing machte gleich zu Beginn klar: „Wer ins Rathaus kommen will, kann noch die Chance nutzen, Anregungen, Wünsche und Bedenken zu äußern.“
Professor Dr. Dr. habil Lothar Zettler von der beauftragten Firma Lars Consult klärte die Besucher an diesem Abend detailliert über den Flächennutzungsplan auf. Es sei ein wichtiges Planungsinstrument der Gemeinde, in dem diese die Nutzung für die nächsten Jahre festlege. Die Grundlage sei verbindlich für Gemeinde und Behörden, so Zettler weiter. Für Bürger und Grundstückseigentümer bestehe aber keine rechtliche Verbindlichkeit. Das bedeute, wer bauen wolle, könne dennoch jederzeit einen Antrag stellen. Ob dieser dann durchkomme, werde je nach Einzelfall entschieden.
Leitbild als „Roter Faden“
Die Bürger seien von Anfang an per Bürgerwerkstatt in die Abläufe um den Flächennutzungsplan eingebunden gewesen, lobte der Experte. Dabei konnten diese Empfehlungen aussprechen, entscheiden tue aber letztlich der Gemeinderat. „Jeder will natürlich auch für seine Kinder einen Bauplatz, da haben wir schon einen Konfliktpunkt“, meinte Zettler.
Deshalb habe man im Vorfeld ein Leitbild verfasst, das eine grundsätzliche Richtung vorgeben solle. „Außenbereiche schonen – Innenbereiche verdichten“, ist die Kernaussage für die Gmunder, wenn es nach dem Leitbild geht. Immer wieder machte Zettler darauf aufmerksam, dass sich Gmunds Verantwortliche für ein „maßvolles Wachstum“ in den nächsten 15 Jahren entschieden hätten. Aber nicht von allen Aussagen zeigten sich die Besucher überzeugt.
So sollen die Hauptorte Gmund und Dürnbach gestärkt, Grünstrukturen sowie der dörfliche Charakter und bäuerliche Strukturen erhalten werden, heißt es in dem Plan der Gemeinde. Auch eine städtebauliche Ortsmitte und die Schaffung von familienfreundlichem Wohnraum stünden ganz oben. Zudem sollen aber Biotope und Schutzgebiete verschont werden, wenn es nach dem Leitbild geht. Auch ein freier Zugang zum See und keine weitere Bebauung am Ufer sind den Planern wichtig.
„Leitbild gut und schön, aber was ist mit der Umsetzung?“, fragte sich so mancher Besucher, als sich der Abend schließlich in die Länge zog. Anscheinend muss man in manchen Fällen mit Kompromissen leben. Die kritischen Stellen sind dabei nicht neu: Zahlreiche Stellungnahmen zum Flächennutzungsplan waren bereits im Vorfeld bei der Gemeinde eingegangen. Während die 14 öffentlichen Träger kaum Bedenken geäußert hatten, waren es 23 Bürger, die sich bislang an den geplanten Projekten störten.
Streitpunkt: Westumfahrung
Ein Kritikpunkt ist dabei der Ausbau des Gewerbestandorts Kreuzstraße. Beim Gewerbe sehe man es als legitim an, raus aus der Ortschaft zu gehen, so Zettler in seiner Rede. Aber schon der Bau der Abfüllanlage des Tegernseer Brauhauses auf der grünen Wiese war nicht in jedermanns Sinne gewesen. Geht es nach dem neuen Plan, soll sich in der Nachbarschaft der Abfüllanlage weiteres Gewerbe ansiedeln dürfen.
Damit führt die Gemeinde ihren Weg, Gewerbe zu verdichten, wo schon welches existiert, konsequent weiter. Obwohl die Regierung von Oberbayern ein offizielles Gewerbegebiet ablehnt, wollen sich die Gmunder dafür einsetzen. Wegen der idealen Verkehrsanbindung steht es als Standort auf der Liste ganz oben.
Natürlich stand gestern aber auch die Westumfahrung zur Diskussion. Die Wiesseer hatten sich bereits vehement dagegen ausgesprochen. Und auch der Kreuther Gemeinderat betonte bei seiner gestrigen Sitzung, dass man dieser Lösung ohne ein ganzheitliches Konzept nicht zustimme. In Gmund hatte man sich aber bereits für das Vorhaben ausgesprochen. Und auch Zettler sieht es als zu Recht in den Flächennutzungsplan aufgenommen.
Ich verstehe jeden Gegner einer Umgehungsstraße – ich verstehe aber auch jeden, der froh ist, wenn der Verkehr weg ist.
Ob sie tatsächlich komme, stehe jedoch in den Sternen. Zunächst wolle man einen „Platzhalter“ im Flächennutzungsplan schaffen, damit alle Möglichkeiten offenstehen. Ein Verfahren würde sich über Jahre hinziehen. „Bis man anfängt, dauert es Jahre, bis man fertig ist, und dann hätte man noch lange keine Planung“, versuchte der Professor das Vorhaben kleinzureden.
Kürzester Zeitraum laut Zettler seien etwa 15 Jahre Vorlauf. Auch der Bürgermeister sieht Schwierigkeiten in der Planungsphase: „Wir brauchen Einigkeit. Wir brauchen die Grundstücke. Wir brauchen eine Finanzierung.“ Dennoch befürwortet Preysing grundsätzlich die Umfahrung. Sollte die Umgehung eines Tages kommen, dann könnte man vom sogenannten „Salzstadel“ in Moosrain – entlang der Bahn Richtung Finsterwald – durch einen Tunnel beim „Feichtner Hof“ in Richtung Kaltenbrunn fahren.
Die „Dürnbacher Wiese“
Ebenfalls auf Kritik stieß gestern die Ausweisung der „Dürnbacher Wiese“ als Bauland. Die Hälfte der Fläche, also rund 20.000 Quadratmeter, sind dafür im Nutzungsplan vorgesehen und wurden so auch vom Gemeinderat eingeplant. Diese Entscheidung geht allerdings deutlich an der im Sommer definierten Leitlinie vorbei, die den Erhalt der dörflichen Struktur fordert. Und auch die Bürger sind gegen diese Entwicklung.
Zettler gibt zu, dass dies ein Kompromiss sei, der ihnen schwergefallen sei. Die Beeinträchtigung halte sich jedoch eindeutig in Grenzen. Von seiner Seite könne dies daher als unbedenklich eingestuft werden. Für Flora und Fauna stelle die Bebauung kein größeres Problem dar. „Ich verstehe die Anregungen, aber man muss auch die Gemeinde und die öffentliche Hand verstehen“, so Zettler.
Als ein Besucher die Nachzahlungspflicht der Gemeinde ansprach, die wegen des immensen Wertgewinns der in Bauland umgewandelten Fläche in Kraft tritt, antwortete der Bürgermeister. Die Nachzahlungspflicht wisse er nicht auswendig. Dies spiele aber nur eine Rolle, wenn die Gemeinde sage, dass sie dort Bauland ausweisen wolle. „Es ist aber nicht unser Ziel, das auszuweisen“, stellt Preysing klar. Man wolle das Grundstück in dem Zeitraum, in dem der nächste Flächennutzungsplan gilt, nicht angehen. Man habe das Landbaderfeld ausgewiesen, das müsse jetzt eine Zeit lang reichen, so der Bürgermeister.
Auch die Erweiterung der Wohnbaufläche „Steinbergsiedlung“ ist nicht unumstritten. Sahen die Gemeinderäte vor einem halben Jahr noch Rot für eine Bebauung, so haben sie sich inzwischen mehrheitlich dafür ausgesprochen. Der Grund: Man wollte den Bauwerbern entgegenkommen, die die Grundstücke in der Zwischenzeit erworben hatten. Verschiedene Wünsche existierten, die Fläche bis nach unten zu bebauen.
Doch dort liegen geschützte Streuwiesen und Biotope. Die Diskrepanz zum Leitbild (Biotope sollen verschont werden) war schnell gelöst. Man hatte kurzerhand die Flächen an eine andere Stelle im Plan verschoben. Das macht den Weg frei für die Bebauung. Zettler fasste die Entscheidung in seinem Vortrag zusammen: „Dieser Bereich wird als Wohnbaufläche mit aufgenommen.“
Das Leitbild – mehr als geduldiges Papier?
Die wunderschönen Worte des Leitbilds klingen gut. Man möchte den Verantwortlichen den hehren Wunsch nicht absprechen, diese weise über den Plan zu stülpen. Ob das in der Realität gelingen wird, bleibt unklar. Der Zweifel der Besucher war im Neureuthersaal spürbar. „Einfamilienhäuser und Doppelhäuser sind nicht mehr zeitgemäß“, findet zum Beispiel Michael Forster. Diese Erkenntnis habe er in seinen 25 Jahre als Projektentwickler gewonnen. Man solle lieber an der Verbesserung seniorengerechten Wohnens arbeiten.
Zettler widersprach jedoch und rechtfertigte die Weiterentwicklung. Und auch der Bürgermeister schaltete sich nochmal ein. Das Landbaderfeld habe gezeigt, dass die Leute an Einzelhäusern durchaus Interesse haben. Im übrigen sei im Flächennutzungsplan nicht festgelegt, was auf den Flächen gebaut werde. Es könnten auch Geschossbauten werden. Aber: „Fast alle wollen ein Einzelhaus – fast keiner will ein Doppelhaus.“
Welche der jetzt grundsätzlich möglichen Projekte über die Laufzeit des Plans bis 2030 wirklich umgesetzt werden, steht auf einem anderen Blatt. Mit diesem Plan wird nur der grundsätzlich mögliche Rahmen festgelegt. Nach dem 7. April kommt das Thema zur endgültigen Abwägung noch einmal in den Gemeinderat. Eines scheint aber sicher – bis dahin wird die Gemeinde weitere Arbeit bekommen.
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