Dabei muss jede Gemeinde für sich ihr Potenzial an erneuerbaren Energien ermitteln. Eine der Fragen, die sie sich dabei stellen, lautet: Wie lange kann man eigentlich ohne Strom leben?
Da liegt es nun – das integrierte Klimaschutzkonzept für den Landkreis Miesbach. Die vielen Seiten Papier sollen eine Leitlinie darstellen, wie man in vielen kleinen Schritten das Ziel erreichen kann, Haushalte, Betriebe und öffentliche Gebäude mit Strom und Wärme aus Sonne, Wasser und Windenergie zu versorgen. Außerdem soll es Wege aufzeigen, wie man die langen Verkehrsstaus und hohen Co2-Ausstöße bekämpfen kann.
Da die Bundesregierung sich im Rahmen des EU-Klimapaktes verpflichtet hat, Treibhausgase zu reduzieren, muss nun gehandelt werden. Dieses Ziel ist jedoch nur zu erreichen, wenn alle mithelfen. Deshalb unterstützt die Regierung die Landkreise finanziell. Diese sollten mithilfe von Consultingfirmen und Ehrenamtlichen ein Klimaschutzkonzept erstellen. In diesem sind alle Maßnahmen zusammengefasst, die lokal sinnvoll sind, um das Ziel zu erreichen.
Doch wo fängt man an, was zu tun? Wie kann jeder einzelne Bürger dazu beitragen, Energie zu sparen? Wir haben mit den Experten der Bürgerstiftung „Energiewende Oberland“, Elisabeth Kohlhauf und Josef Kellner sowie Miesbachs Klimaschutzmanagerin Veronika Weber, gesprochen. Sie erklären, wie das Konzept entstanden ist und wie die Richtlinie mit Leben gefüllt wird.
Viel steht drin im integrierten Klimaschutzkonzept. Bitte erklären Sie in wenigen Worten, um was es eigentlich geht.
Veronika Weber: Das Klimaschutzkonzept ist aufgegliedert in die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr. Es wird untersucht, wie viel Energie verbraucht wird, wie viel davon durch erneuerbare Energien gedeckt wird und wie viel Energie in Zukunft eingespart werden kann.
Wie haben Sie gearbeitet, um zu diesem Konzept zu kommen?
Elisabeth Kohlhauf: Eine Auftaktveranstaltung und die Regionalkonferenzen sorgten dafür, dass sich jeder beteiligen konnte: vom Landrat über die Aktiven von der Bürgerstiftung „Energiewende Oberland“ bis zum „normalen Bürger“, der Ideen hat, wie man Energie sparen könnte. Die beauftragte Consultingfirma arbeitete ganz eng mit den Gemeinden zusammen. In verschiedenen Workshops entstanden viele gute Ideen. Auch die Runden Tische, z.B. zu Energie, Verkehr und Öffentlichkeitsarbeit, haben viel gebracht. Alles ist notiert worden und steht jetzt im Konzept.
Josef Kellner: Am Anfang stand die Analyse. Es wurde untersucht, welches Energiepotenzial wo in welcher Weise verfügbar ist. Dazu erfolgten Analysen in jeder Gemeinde. Hauptziel ist es, sich bis 2035 komplett aus erneuerbaren Energien – Sonne, Wasser, Wind, Biomasse – zu versorgen. Dafür sind 33 Maßnahmen festgelegt worden. Egal, ob es um die Sanierung von Gebäuden, den Austausch von Umwälzpumpen oder die Erneuerung von Geh- und Radwegen geht. Hauptsache, es dient dem Klimaschutz.
Veronika Weber, Sie sind jetzt über ein Jahr Klimaschutzmanagerin im Landkreis. Welche Projekte gehen Sie gerade an?
Veronika Weber: Ich stelle gerade Informationen für Bürgermeister und Bauämter zusammen, wie man neue Wohnflächen so anlegen kann, dass sie mit erneuerbaren Energien funktionieren. Demnächst werde ich auch die neuen Bürgermeister besuchen und motivieren. Im Juli ist dann die Bayerische Klimawoche, da bin ich gerade auf Ideensuche, welche lokalen Aktionen man mit den Schulen umsetzen könnte. Zudem muss ich auch das Berichtssystem für die Gemeinden angehen. Und ich arbeite gerade an einem Bericht für die Regierung. Sie hat 60 Prozent der Kosten übernommen, damit das Konzept überhaupt erstellt werden konnte.
Wer hat das Konzept eigentlich gemacht und was hat es gekostet?
Veronika Weber: Am Miesbacher Klimaschutzkonzept waren die Consultingbüros „KlimaKom“ und „GreenCityEnergy“ maßgeblich beteiligt. Es hat 95.000 Euro gekostet. 60 Prozent davon hat der Bund übernommen. 40 Prozent muss der Landkreis tragen. Die Kosten für meine Stelle kommen noch obendrauf. Aber die ist auch gefördert.
Veronika Weber, wie sehen eigentlich die Pläne um Ihre Stelle aus? Sie sind ja erstmal nur für drei Jahre eingestellt. Was wollen Sie in dieser Zeit erreichen?
Veronika Weber: Das ist richtig, die Stelle ist für drei Jahre ausgeschrieben. Ziel war es, dass ich das Gerüst so weit aufbaue, dass die Gemeinden das Projekt auch alleine weiterführen könnten, wenn ich nicht mehr da sein sollte. Es ist aber gar nicht so leicht, alles in allen 17 Gemeinden so aufzubauen, dass die Gemeinden gut vorbereitet sind. Man braucht ja schon fast ein Jahr, bis man so richtig drin ist.
Als Sie dann „so richtig drin“ waren, haben Sie initiiert, dass der Landkreis seine eigenen Liegenschaften saniert. Ist da genug passiert?
Veronika Weber: Ja! Bei den Liegenschaften werden sukzessive Heizungen erneuert und alles wird energetisch saniert. Der Landkreis hat da eine wichtige Vorbildfunktion mit seinen eigenen Liegenschaften.
Vom Landkreis zu den Gemeinden – was wird eigentlich dort getan und wie kam es an?
Josef Kellner: Die Energiewende Oberland hat auch eine sogenannte „Energietour“ in den Gemeinden organisiert. Im Mittelpunkt eines Abends stand immer ein bestimmtes Thema, z.B. „Heizen mit der Sonne“, das in der Regel viele Bürger anlockt. Damit soll noch mehr Nähe zu den Gemeinden und den Bürgern entstehen. Wir waren auch in Rottach. Da ging es um Mobilität und es war gut besucht.
Veronika Weber: Beispielsweise beim Thermografiespaziergang in Kreuth, da war eine rege Beteiligung. Das müssen Sie sich so vorstellen, dass man in der Gruppe unterwegs ist und sich gemeinsam – durch eine Wärmebildkamera – Häuser in der Gemeinde ansieht. Ein Energieberater ist mit dabei und erzählt Etliches über Schwachstellen, die man durch diese Kamera herausfinden kann. Und welche geeigneten Sanierungsmaßnahmen sich aus dem Betrachteten heraus ergeben. In Kürze sind Workshops mit den Bauamtsleitern geplant, um zu erreichen, dass bei Neubauten verstärkt auf erneuerbare Energien gesetzt wird. Die Wiesseer Gemeinde hat außerdem an einem Pilotprojekt des Freistaats Bayern teilgenommen. „EnergieCoaching für Gemeinden“ hieß es. Und da ging’s unter anderem darum, zu ergründen, wo man Solarflächen am effektivsten installieren könnte.
Schulprojekte sollen Familien für Klimaschutz sensibilsieren
Im Konzept ist auch die Rede von sechs Gemeinden, in denen vorbildliche Schulprojekte zum Thema „Klimaschutz“ liefen. Kommt da noch mehr – auch in den anderen Gemeinden?
Elisabeth Kohlhauf: Die Energiewende führte verschiedene Grundschulprojekte im Landkreis durch. Diese sollten zeigen, dass Energiesparen auch Spaß machen kann. Außerdem initiierten wir ein praktisches Planspiel zum Thema „Berufe im Bereich Erneuerbare Energien“.
Veronika Weber: Das Gymnasium Tegernsee hat ein Projekt-Seminar gemeinsam mit dem E-Werk Tegernsee durchgeführt. Da ging es um Untersuchungen für die Wasserkraftanlage am Alpbach. Die Schüler testen erneuerbare Energieformen, sehen, dass es funktioniert und tragen die Idee dann in ihre Familien.
Wie könnte man denn Familien für’s Energiesparen begeistern?
Veronika Weber: Es geht nur über die konkrete Selbsterfahrung. Deshalb haben wir unsere Öffentlichkeitsarbeit daraufhin ausgerichtet. Wenn einer mal was vormacht und anfängt mit dem Energiesparen, dann setzen wir für die anderen auf den Nachahmereffekt. Deshalb haben wir gerade ein Pilotprojekt der Energiewende Oberland und der Klimaschutzoffensive Fischbachau gestartet.
Elisabeth Kohlhauf: Wir haben fünf Pilothaushalte, die sich zum Ziel gesetzt haben, in diesem Jahr 20 Prozent Strom einzuparen und wir begleiten und beraten sie. Die „Versuchs-Familien“ in Fischbachau testen, wie es geht. Dann soll es auf den Landkreis übertragen werden. Die Erfahrung zeigt, dass sehr viel über den Geldbeutel geht. Letztes Jahr, als die Strompreise angezogen wurden und die Leute dann ihre Rechnungen bekommen haben, habe ich regelmäßig Anrufe bekommen, wo Leute nachgefragt haben, wie man Energie sparen kann.
Womit könnte denn jeder Bürger sofort anfangen, um für den Klimaschutz aktiv zu sein?
Josef Kellner: Beim Energiesparen bringt es schon viel, wenn man seine alten Elektrogeräte – Kühlschränke, Waschmaschinen, Wäschetrockner – durch neue, energiesparende ersetzt. Wer einen Neubau plant, könnte darüber nachdenken, ob er es in Holzbauweise tun will. Um solche Gedanken anzuschieben, initiieren wir Kampagnen wie z.B. „Mehr Holz in der Hütte.
Kommen wir mal zum „Sorgenkind“ im Tegernseer Tal: „Verkehr und Mobilität“. Was steht denn dazu im Klimaschutzkonzept?
Josef Kellner: Wichtig ist, dass man – gerade für’s Tegernseer Tal – auch den Individualverkehr angeht. Da hat man das Problem des Ziel- und Quellverkehrs. Die Dringlichkeit ist aber jedem von uns bewusst, dass sich da was tun muss. Deshalb tun sich gerade viele kleine Dinge, um sowohl den Individualverkehr als auch den ÖPNV zu verbessern.
Veronika Weber: Den Verkehr sollte man nicht nur auf den ÖPNV begrenzen. Meines Wissens sammelt die Standort Marketing Gesellschaft des Landkreises (SMG) gerade Daten für ein landkreisweites Verkehrskonzept. Das ist aber noch nicht spruchreif.
Frau Weber, es ist Halbzeit Ihrer dreijährigen Tätigkeit als Klimaschutzmanagerin. Was wünschen Sie sich für die „zweite Halbzeit“?
Veronika Weber: Dass ich es schaffe, dass im Landkreis die Gedanken des Klimaschutzkonzeptes Bestätigung finden. Dass das Thema im Landkreis verankert wird. Wir alle, die wir mit dem Klimaschutz im Landkreis zu tun haben, werden in Zukunft viel zu tun haben, um die Ideen im Konzept umzusetzen. Ich wünsche mir, dass der Klimaschutz nicht länger auf die lange Bank geschoben wird.
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