Die Boat-People bekommen Gesichter

Seit seinem halben Jahr leben rund 50 Asylbewerber hier in Holzkirchen. Doch wir wissen sehr wenig über diese Menschen, warum sie fliehen mussten und was sie erlebt haben. Im Foolstheater haben sechs Flüchtlinge nun ihr Schweigen gebrochen.

Sechs Asylbewerber stellten sich am Sonntag dem Gespräch mit den Holzkirchnern.
Sechs der sieben abgebildeten Asylbewerber stellten sich am Sonntag dem Gespräch mit den Holzkirchnern.

Die Resonanz war groß. Alle 120 Plätze des Theaterraums waren besetzt. Die Holzkirchner Gruppe der Frauen in Schwarz (FiS) hat mit ihrer politischen Matinee am Sonntag den Nagel auf den Kopf getroffen. Einige Interessenten mussten sogar abgewiesen werden.

Sechs junge Menschen aus Eritrea und Somalia haben sich auf die Bühne gewagt, um von ihrer Heimat und ihrer Flucht zu erzählen. Den aufgrund der politischen Situationen in ihren Heimatländern sei es mutig, über sein Schicksal zu reden. Das betont Moderatorin Christa Ortmann von den FiS.

Anzeige

Jahrelange Odyssee durch Afrika

Dabei sind die Geschichten aus unserer Sicht geradezu abenteuerlich. So auch die von Faduma. Sie ist eine zierliche junge Frau, mit einem kleinen Baby auf dem Arm. Ihre Odyssee begann, als sie neun Jahre alt war. Von Somalia aus floh ihre Mutter mit ihr nach Äthiopien, starb aber dort. Wegen des Krieges ging die unfreiwillige Reise weiter nach Kenia, wo sie elf Jahre lebte.

Über mehrere Länder kämpfte sich die junge Frau mit dem Kopftuch 2011 bis Libyen durch. Dank einer Rettungsaktion der Marine schaffte sie den gefährlichen Bootstrip übers Meer nach Italien, um dann via München in Holzkirchen zu stranden.

Dramatische Fluchten durch Wüsten und übers Wasser

Die Route über Äthiopien oder Sudan nach Libyen und die riskante Fahrt übers Meer haben die meisten Flüchtlinge aus Somalia und Eritrea hinter sich. Mubarak, der vor der Zwangs-Einberufung in die Miliz flüchtete, verbrachte einen Monat in der Wüste nahezu „ohne Wasser oder mit einem halben Liter für 24 Stunden“. Auch Abu Bakara aus Somalia verließ die Heimat, um sein Leben zu retten. Seine Flucht dauerte ein Jahr.

Das Geld dazu kommt von den Familien, von dem Dorf, von der Kirche. „Wir helfen einander“, sagt Dine aus Eritrea, „denn ohne Geld stirbst du“. Aber auch mit Finanzspritze weiß keiner der Flüchtlinge, ob er es schafft. Denn die Mehrzahl kommt nicht in Europa an. Dine hat sechs Tage Überfahrt auf dem überfüllten Boot hinter sich. „Das Essen reichte aber nur für einen Tag“, erzählt er.

Angst vor brutalen Terrormilizen

Besonders über Fragen wie beispielsweise so eine Flucht abläuft oder wo das Geld dafür herkommt wollte das Publikum mehr wissen. Der Mathematikstudent Mubarak berichtete, dass er vier Jahre im Sudan bleiben musste, um zu arbeiten und mehr Geld von der Familie bekommen. Auch er desertierte unter abenteuerlichen Umständen vor einem Zwangs-Militärdienst, überlebte die Wüste und eine mehrtägige Überfahrt.

Der Alltag in den Containern ist für die Asylbewerber oft eines: Langweilig.
Der Alltag in den Containern ist für die Asylbewerber oft eines: Langweilig.

„Holzkirchen ist gut“, sagt der Eritreer Mamari auf Deutsch. Sie alle sind dankbar, dass sie ein neues Zuhause gefunden haben. Doch die Wintertage im Container werden ihnen oft lang. Gerne hätten sie eine Aufgabe und vor allem mehr Sprachunterricht.

Einige der Flüchtlinge sprechen Englisch, aber die meisten versuchen sich auf Deutsch aufzudrücken. Unbedingt wollen sie die Sprache ihres neuen Wohnorts besser lernen, auch wenn sie nicht wissen, ob sie bleiben dürfen. Wie denn die Förderungen von Landkreis oder Gemeinde aussähe, möchte ein Zuhörer wissen.

Deutsch lernen als größter Wunsch

Zwar bekämen die Flüchtlinge hier in Holzkirchen Sprachunterricht, erläutert Uche Akpulu, selbst ein Flüchtling, der mittlerweile anerkannt ist und beim Bayerischen Flüchtlingsrat mitarbeitet, „aber nicht täglich und nur von Ehrenamtlichen“. Es bestehe kein Anspruch.

Angeregt durch die lebhafte Diskussion unter den Zuhörern meldete sich Petra Winklmair, Asylberaterin in Holzkirchen, zu Wort: „Wir starten in Kürze ein Projekt in Zusammenarbeit mit der FOS, dass einen einfachen Mittelschulabschluss ermöglicht“.

Damit gibt die Gemeinde Holzkirchen den afrikanischen Gästen nicht nur die gewünschte Beschäftigung und die Möglichkeit, Deutsch zu lernen, sondern leistet auch einen entscheidenden Schritt zur Integration.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner