Vom Badhaus zur Bildungsstätte

Das idyllisch gelegene Wildbad Kreuth kennt wohl jeder im Tegernseer Tal. Aber die Wenigsten wissen, was sich hinter den altehrwürdigen Mauern der Hanns-Seidel-Stiftung verbirgt.

In den letzten 30 Jahren wurde das langgestreckte Gebäude vor allem durch die jährlich stattfindende CSU-Klausur im Januar bekannt. Dabei prägten das Areal vorher bereits 400 Jahre Badekultur. Zwischenzeitlich war es sogar verfallen. Ein Blick hinter die Kulissen.

Der langgestreckte Gebäudekomplex der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad Kreuth.
Der langgestreckte Gebäudekomplex der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad Kreuth.

Freitag, 14 Uhr, in der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad Kreuth. Zahlreiche fleißige Helfer sind im ganzen Haus unterwegs, um die Seminare vorzubereiten, die an diesem Wochenende hier stattfinden werden. Manche dauern nur ein paar Stunden, für andere werden die Teilnehmer hier das Wochenende verbringen. Dann wird der ehemalige Kurbetrieb zum Hotel mit Vollpension, in dem das Flair alter glanzvoller Zeiten noch immer spürbar ist.

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Was läge angesichts des imposanten Bergpanoramas und der friedlichen Idylle in Wildbad Kreuth näher, als hier ein paar entspannende Tage verbringen zu wollen. Wie in einem herkömmlichen Hotel ein Zimmer zu buchen, ist jedoch in der Hanns-Seidel-Stiftung nicht möglich. Auch nicht während des alljährlich dort stattfindenden Musikfestivals.

Aus öffentlichen Geldern finanziert, dient die Einrichtung vorrangig der politischen Bildung. Wer hier also ein Seminar absolviert oder abhält, kommt auch in den Genuss, die sorgsam restaurierten Räumlichkeiten des ehemaligen Badebetriebs nutzen zu können. Die bewegte Geschichte dieser Einrichtung lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen.

Alles begann mit einer wohltuenden Quelle

Bereits im Jahr 1490 wird das Bad „Sankt Leonhard“ mit seinen wohltuenden Schwefelquellen in Chroniken erwähnt. Es gehörte zu den Besitztümern des Klosters Tegernsee. Im Jahre 1511 errichtete dessen Abt Heinrich V. das erste Badhaus in Kreuth. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte kamen weitere Gebäude und auch die Kapelle zum Heiligen Kreuz hinzu. Dreihundert Jahre lang blieb das Bad im Besitz der Tegernseer Äbte, bis es durch die Säkularisation dem Staat zufiel, der es nicht weiter unterhielt.

Erst 1803 wurde dem verwahrlosten Gebäude neues Leben eingehaucht, nachdem es ein Bademeister namens Simon Zahler erworben hatte. 1818 verkauften seine Erben das gesamte Areal schließlich an König Max I. Joseph von Bayern, der den Badebetrieb stetig weiter ausbaute. Um 1822 wurde beispielsweise die Molkekur nach Schweizer Vorbild eingeführt. Diese Anwendungen wurden unter anderem unter den Arkaden vor dem Speisesaal verabreicht. Der Bereich wurde daher auch „Molkenhalle“ genannt. Dort sprudelt bis heute aus zwei Brunnen das Wasser der Schwefelquelle.

Gekrönte Häupter zu Gast in Kreuth

König Max I. war es auch, der den Glamour aus den Städten nach Kreuth brachte, zumindest für einige Jahre. Neben gekrönten Häuptern wie den russischen Zaren Nikolaus I. und Alexander I. und dem Kaiser Franz von Österreich, die mit reichem Gefolge anreisten, verhalfen auch ranghohe Persönlichkeiten Wildbad Kreuth zu internationalem Ruf. Neben den Kuranwendungen standen Jagden und fröhliche Feste mit Tanz und Gesang auf dem Programm der feinen Gesellschaft.

Der imposante Speisesaal wird heute als Festsaal genutzt.
Der imposante Speisesaal wird heute als Festsaal genutzt.

Doch der Kuraufenthalt blieb nicht nur den gut Betuchten vorbehalten. Max Joseph rief eine „Stiftung von 50.000 Gulden zugunsten von Minderbemittelten zur unentgeltlichen Benutzung der Bäder und Kuren“ ins Leben. Zweimal im Jahr, nachdem die zahlenden Gäste abgereist waren, genossen die sogenannten „Freibadler“, oft einfache Arbeiter und Mägde, sämtliche Annehmlichkeiten der Einrichtung bis hin zum Kurkonzert in der Molkenhalle. Sie sollten genauso behandelt werden wie die zahlenden Gäste von Rang und Namen.

Nach dem Tod des Königs kümmerten sich zunächst dessen Witwe Caroline und später die folgenden Generationen um den Erhalt des Bades. Das Ende des zweiten Weltkriegs bedeutete zugleich das Ende des bis dahin stets gepflegten Badebetriebs. Amerikaner setzten das herzogliche Sudhaus in Brand und das Bad wurde in den Nachkriegswirren komplett geplündert.

Ab 1956 richtete Ludwig Wilhelm, Chef des Herzoglichen Hauses Wittelsbach, in Wildbad Kreuth ein erstklassiges Sanatorium ein. Mit dessen Tod endete auch die 400-jährige Ära des Gesundheits- und Badstandorts in Kreuth. Sein Besitznachfolger Max Emanuel ließ 1973 Sanatorium und Kurhaus schließen. 1975 eröffnete die Hanns-Seidel-Stiftung das Bildungszentrum Wildbad Kreuth, um Bürgern und Politikern politisch-wissenschaftliche Bildung zu vermitteln.

Bildungsangebot für alle

Neben Seminaren finden in Wildbad Kreuth auch Tagungen statt, wie zum Beispiel die Klausurtagungen der CSU. Diesem Umstand ist es auch geschuldet, dass viele Menschen denken, die Anlage gehöre der Partei. Dem ist aber nicht so. Wenn die CSU-Vertreter hier Besprechungen abhalten, buchen sie „ganz normal“ – wie es jede andere Institution ebenfalls tun kann – Tagungsräume und Übernachtungsmöglichkeiten für die Teilnehmer.

So haben auch die in der Hanns-Seidel-Stiftung angebotenen Seminare nichts mit der Partei zu tun, wenngleich politische Bildung der Grundgedanke ist. Von Europapolitik über Rhetorik und Umweltschutz bis hin zu „Senioren am PC und im Internet“ reicht die vielfältige Themenpalette. Zwischen 250 und 300 Veranstaltungen finden hier während des Ganzjahresbetriebs statt.

In Wildbad Kreuth findet auch der jährliche Abiball des Tegernseer Gymnasiums statt.
In Wildbad Kreuth findet auch der jährliche Abiball des Tegernseer Gymnasiums statt.

Das historische Ambiente wird auch gerne als Rahmen für wichtige Feiern genutzt. Der Festsaal diente in den vergangenen Jahren stets als noble Kulisse für die Abiturfeiern des Tegernseer Gymnasiums. Auch Hochzeiten, runde Geburtstage und andere Jubiläen im geschlossenen Kreis werden hier gerne zelebriert – fühlt man sich doch im erhabenen Festsaal aus dem Jahr 1820 fast schon in diese Zeit zurückversetzt. Allerdings wurde der beeindruckende Raum ursprünglich als Speisesaal genutzt.

Konnten damals nur wirklich Reiche einen Aufenthalt hier bezahlen, kann sich heutzutage fast jeder ein Seminar in der Hanns-Seidel-Stiftung leisten. Die Preise bewegen sich zwischen 70 Euro für ein eintägiges Seminar bis hin zu 500 Euro für eine einwöchige Fortbildung. Inkludiert ist jeweils das Zimmer mit Vollpension und die Nutzung des Wellnessbereichs im Keller, in dem ehemals ein Teil des Badebetriebs stattfand.

Sanierung nach historischem Vorbild

Insgesamt verfügt die Einrichtung über 145 Betten, darunter zwei luxuriöse Chef-Suiten sowie eine Hochzeitssuite, die allerdings selten belegt sind. Das gesamte Haus wurde vor einigen Jahren mit viel Liebe zum Detail restauriert, wobei darauf geachtet wurde, so nah wie möglich am Originalzustand zu bleiben. Das ist gelungen, denn bis auf moderne Teppiche und Details wie Rauchmelder und Telefone ist viel Historisches erhalten geblieben. Die Badezimmer wurden allerdings modernen Ansprüchen angepasst.

Angefangen bei den Türknäufen über voluminöse Kristalllüster bis hin zu gepflegten Holzböden und -treppen durchweht ein Hauch von Nostalgie die langen, verwinkelten Gänge. Davon gibt es Erzählungen zufolge auch einige bisher nicht erkundete unter dem Haus. Wohin sie führen und wo genau sie sich befinden, weiß niemand so genau, denn die Ausgänge wurden vor langer Zeit zugemauert. Legenden zufolge soll auch ein direkter unterirdischer Weg zum Kloster Tegernsee führen. Aber das ist eine andere Geschichte…

Hier noch einige Impressionen von der Führung durch die Hanns-Seidel-Stiftung:

Gleich nebenan wohnt, etwas versteckt, die Herzogliche Familie.
Gleich nebenan wohnt, etwas versteckt, die Herzogliche Familie.

Auf der anderen Seite grenzt die "Molkenhalle" an das Hauptgebäude.
Auf der anderen Seite grenzt die “Molkenhalle” an das Hauptgebäude.

Zwei Brunnen in der Molkenhale spenden bis heute das wohltuende Schwefelwasser.
Zwei Brunnen in der Molkenhalle spenden bis heute das wohltuende Schwefelwasser.

Der Eingang zum ehemaligen Speisesaal, der heute als Festsaal, auch für Konzerte, genutzt wird.
Der Eingang zum ehemaligen Speisesaal, der heute als Festsaal, auch für Konzerte, genutzt wird.

Die normalen Zimmer sind schlicht und zweckmäßig eingerichtet.
Die normalen Zimmer sind schlicht und zweckmäßig eingerichtet.

Wesentlich komfortabler ausgestattet sind die Chef-Suiten.
Wesentlich komfortabler ausgestattet sind die Chef-Suiten.

In den Zimmern gibt es keine Fernsehgeräte, stattdessen trifft man sich in den beiden TV-Zimmern.
In den Zimmern gibt es keine Fernsehgeräte, stattdessen trifft man sich in den beiden TV-Zimmern.

Neueste Technik in historischen Räumen: Dieser Seminarraum war einst das Herzogliche Wohnzimmer.
Neueste Technik in historischen Räumen: Dieser Seminarraum war einst das Herzogliche Wohnzimmer.

Das „Alte Bad“ mit Kapelle gleicht einem Tegernseer Bauernhaus.
Das „Alte Bad“ mit Kapelle gleicht einem Tegernseer Bauernhaus.

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