Eine vielversprechende Alternative hatte sich im Vorfeld zerschlagen. So war die Hoffnung für die Initiatoren groß. Jetzt ist die Gemeinschaft gestärkt. Und es ist zumindest klar, was nicht geht.
„Ich habe die Schnauze voll vom Verkehr“ – die hitzige Stimmung, die beim Infoabend der Waakirchner Bürgerinitiative noch vor sechs Wochen geherrscht hatte, vermisste man am gestrigen Abend im Sportheim der Gemeinde. Verantwortliche Kommunalpolitiker aus der Region, Vertreter der Behörden und auch die Macher hinter den Bürgerinitiativen im Landkreis waren gekommen, um eine gemeinsame Lösung für die Verkehrsbelastung in der Region zu finden.
Vom Gemeinwohl und den eigenen Interessen
Eingeladen hatte Waakirchens Bürgermeister Sepp Hartl, der die Gäste gleich auf das Thema einstellte: Wenn man auf einem Schild sehe „Bad Tölz zu erreichen über Waakirchen“, dann sei das nicht in seinem Sinne, schickte Hartl anfangs voraus und deutete damit an, worum es an diesem Abend gehen sollte.
Der 5.000-Seelen-Ort leidet nicht nur durch die Bewegungen auf der Nord-Süd-Achse – also die Verkehrsteilnehmer, die vom Tegernseer Tal kommen oder dorthin wollen. Die Waakirchner „spüren“ es sozusagen am eigenen Leib, welchen Verkehrszuwachs gerade der Transitverkehr von West nach Ost mit sich bringt. Probleme seien vor allem die Ortsdurchfahrten mit täglich um die 14.500 Fahrzeugen und fast tausend Lastern.
Als Moderator hatte sich Hartl für den Landrat des Nachbarlandkreises Bad Tölz-Wolfratshausen, Josef Niedermaier, entschieden. Dieser zeigte gleich von Anfang an ein tiefgreifendes Fachwissen und moderierte auf eine Art, die zwar Diskussionsbeiträge zuließ, jedoch auf eine sachliche Form beharrte:
Das Wichtigste ist bei Verkehrsthemen, wenn man sich austauscht, zu überlegen, wer produziert denn den Verkehr. Das sind wir alle selber, wir sind Teil des Problems! Das persönliche Verhalten zu ändern, ist schwer. Deshalb müssen wir mit der Zunahme des Verkehrs umgehen lernen. Wir müssen Argumente zur Kenntnis nehmen und selbst argumentieren.
Nach einer Begrüßung schilderte Michael Mohrenweiser von der Aktiven Bürgervereinigung die Sachlage. Ausführlich erläuterte er die Verkehrsmengenkarte für den Landkreis Miesbach und zeigte die Entwicklung der Verkehrsströme und deren Zuwachs.
In nahezu allen Orten ist ein Plus zu verzeichnen. Nur in Großhartpenning hatte die Anzahl der Fahrzeuge vom Jahr 2005 auf 2010 leicht nachgelassen:
Man sieht durchgängig, wir haben alle das gleiche Problem.
Im Anschluss erläuterten die Bürgermeister von Warngau, Holzkirchen und Valley die sie betreffenden Verkehrsprobleme sowie eventuell geplante Lösungen. Bürgerinitiativen sprachen über ihre Ziele. Während Waakirchen vor allem unter einem stetig zunehmenden Durchgangsverkehr leidet, ist es in Holzkirchen und im Tegernseer Tal der Ziel- und Quellverkehr, den es zu ertragen gilt.
Von Nachbarn lernen
Auch Vertreter des Nachbarlandkreises Bad Tölz-Wolfratshausen – der Gemeinden Reichersbeuern, Sachsenkam, Greiling und der Stadt Bad Tölz – waren gekommen. Landrat Niedermaier erläuterte den Zusammenhang. Weil „sein Landkreis“ nicht das optimale Eisenbahnnetz von Miesbach aufweisen kann, sehen sich viele Tölzer Bürger gezwungen, mit dem Auto zu fahren. Die Folge – sie „verstopfen“ noch zusätzlich die Straßen im Nachbarlandkreis und auch so manchen Park-and-Ride-Parkplatz.
Was die Erschließung angeht, das läuft halt über die B472, vielleicht sind wir die Verursacher des Problems, dass das alles über Holzkirchen und Waakirchen läuft, aber das kann man umgekehrt auch sehen.
Damit machte Niedermaier auf die Probleme der Tölzer aufmerksam. Wer kennt sie nicht, die Stoßzeiten am Greilinger Berg. Eine Blechlawine von mehr als 26.000 Fahrzeugen schiebt sich tagtäglich am Ex-Kasernen-Gelände vorbei. Doch die Tölzer haben es geschafft. Nach jahrzehntelangem stetigem Bemühen soll die sogenannte „Nordspange“ – eine Verbindung von B472 und B13 – kommen und Entlastung an der Ex-Kaserne bringen. Die Kommune muss den finanziellen Aufwand – an die 23 Millionen Euro – nicht stemmen. Dank Bundesverkehrswegeplan.
Viele Stimmen für ein Thema
Insgesamt wurde auch am gestrigen Abend deutlich, wie viele Alternativen zur Option stehen, um vermeintlich Entlastung zu bringen. Und wie viele Gruppen die verschiedenen Interessen vertreten. Gerade viele Holzkirchner treten für ihr Naherholungsgebiet ein und sprechen sich daher gegen eine geplante Südumgehung aus. Dafür machen sich nicht zuletzt die Bürgerinitiativen „Stop Südumgehung“ und „Hartpenning-muckt-auf“ sowie die „IG Lochham“ stark.
Die Westtangente von Hartpenning ist umstritten. Die zu erwartende geringe Entlastung wollen viele nicht gegen die schöne Landschaft eintauschen. Doch die Bürger vor Ort haben arg unter den vielen Verkehrsteilnehmern zu leiden, die sich tagtäglich von und nach Holzkirchen bewegen.
Das erklärte Ziel einer jeden Kommune mit Verkehrsproblemen heißt also: in die höchste Dringlichkeitsstufe des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) aufzusteigen und damit eine Ortsumgehung, einen Tunnel oder durch eine andere Maßnahmen eine Abnahme des nervigen Verkehrs zu erreichen.
Momentan arbeitet das Verkehrsministerium an der Aufstellung dieser Konzeption. Der Plan ist sozusagen die Rahmenvereinbarung und entscheidet über Gelder, die von der Bundesregierung für die Verkehrspolitik freigegeben werden oder eben nicht. Er stellt also eine Art „Warteliste“ dar, welches Projekt in welchem deutschen Ort am ehesten in die Umsetzung kommt.
Warum die „Mittellösung“ nicht geht
Und genau das ist auch das größte Problem. Zwar haben es die Tölzer geschafft, ein Projekt genehmigt zu bekommen. Doch auch weitere Kommunen – alle, die gestern in das Sportheim gekommen waren – hoffen darauf, in die höchste Dringlichkeitsstufe aufgenommen zu werden. Das Problem: Die Höhe des „Geldtopfes“ ist gedeckelt. Wie Sepp Hartl es bereits beim Infoabend der Bürgerinitiative angedeutet hatte, kommt es den Entscheidern um den Bundesverkehrswegeplan vor allem auf ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis an.
Dies wurde vor allem im Vortrag von Claus-Peter Olk vom Straßenbauamt Rosenheim deutlich. Er erläuterte, warum gerade die von Bürgerinitiative „Hartpenning muckt auf“ vorgeschlagene Lösung einer sogenannten „Mittellösung“ nicht umsetzungswürdig ist.
Christoph Scholz von der Hartpenninger Bürgerinitiative hatte diese Lösung – von der er sich eine Win-Win-Situation für Waakirchen und Großhartpenning versprach – vorgeschlagen, die im kleinen Kreis bereits Befürworter gefunden hatte. Dabei soll auf einer bestehenden Schneise in dünn besiedeltem Gebiet die B13 mit der B318 verbunden und dadurch die Ortsdurchfahrten entlastet werden:
Für uns ist das Wichtigste, dass man diese Ortsdurchfahrung verhindert. Wir haben auch den Naturschutz im Vereinsziel, aber der Menschenschutz ist uns wichtiger!
Scholz schlug eine neue Trassenführung der B13 vor, beginnend südlich von Sachsenkam, südlich an Piesenkam vorbei zur Allgaukapelle und von dort hinüber zur B318 bei Warngau. Im weiteren Verlauf sollte die B318 ab der Tieferlegung in Warngau bis zur A8 vierspurig ausgebaut werden. Zusätzlich soll der Öffentliche Personennahverkehr ausgebaut – eventuell eine zusätzliche Schnellbahn – eingeführt werden.
Claus-Peter Olk vom Straßenbauamt Rosenheim nahm der vorgeschlagenen „Mittellösung“ jedoch schnell den Wind aus den Segeln. Diese Rechnung würde nicht aufgehen – zu wenig Wirkung zeigen:
Das ist leider ein Trugschluss. Wenn es so einfach wäre, würde man das sofort machen.
Laut Gutachten sei die Lösung zu kurz gegriffen. Die angedachte Verbindung der B13 mit der B318 bringe weder für Holzkirchen noch für Waakirchen die gewünschten Effekte.
Moderator Niedermaier fasste das Ergebnis zum Schluss zusammen. Die angedachte Lösung habe für den Bund nicht den ganz großen Nutzen, weil diese – wegen der zu geringen Verbesserung – trotzdem noch zwei weitere Straßenbauprojekte notwendig mache. Für Holzkirchen und Waakirchen wären die Entlastungen zu gering. In der Betrachtungsweise brauche es eine Lösung, die die beiden anderen Umgehungsstraßen überflüssig machten.
„Bund gibt uns Geld“
Trotz der Herausforderung, an den Geldtopf des Bundes zu kommen, fordert Gerhard Voit von der Aktiven Bürgerinitiative eindringlich, dass die Waakirchner vom Durchgangsverkehr erheblich entlastet werden. Es müsse was passieren, so Voit. Eine Entlastung von zehn Prozent sei zu wenig, das wäre in ein paar Jahren durch den Verkehrsanstieg wieder aufgeholt. Behördenvertreter Claus-Peter Olk sprach sich daher für eine eigene Waakirchner Lösung aus:
Waakirchen muss seine Probleme auf eigenem Grund und Boden lösen.
Mit einer regionalen Ortsumfahrung sehe Olk den Ort auf einem guten Weg. Eine Umgehung sei für den Bundesverkehrswegeplan ohnehin bereits angemeldet, bestätigte auch Moderator Niedermaier.
Und was, wenn der Plan einer regionalen Ortsumfahrung – finanziert vom Bund – nicht aufgeht? Martin Hölzl, Betroffener, Landwirt und Gemeinderat der Bürgervereinigung, meldete Zweifel an: „Was ist, wenn der Fall X eintritt und Waakirchen nicht reinkommt?“
„Wenn man nicht drin ist, passiert gar nix“, konterte Moderator Niedermaier. „Wer nicht drin ist, der kriegt die Straße nicht, es sei denn, er baut sie sich selber. Damit war Hölzl nicht zufrieden: „Das ist für uns keine Perspektive!“ Doch auch Behördenvertreter Olk konnte nur auf die üblichen Abläufe verweisen: „Die letzte Entscheidung hat das Parlament.
Neben der Option auf eine regionale Umfahrung gehe es darum, die unterschiedlichsten Projekte in der Region nach und nach zu verwirklichen, wie Michael Kordon vom Straßenbauamt Weilheim riet. Nichtsdestotrotz solle man auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Dann könne man sich in der Behörde überlegen, wo das Geld hinfließe.
Zusätzlich die Bahnlinie auszubauen, sei eine super Sache, aber auch ein zähes Geschäft. Man werde beides brauchen, so die Vertreter der Straßenbauämter. „Eine Entlastung für Waakirchen, eine stückweite Entlastung für Holzkirchen, Verbesserungen im ÖPNV, das ist unser Vorschlag – Bund, gib uns dafür Geld!“ Das sei das erklärte Ziel, so Behördenvertreter Olk.
Auch wenn die gemeinsame Sache im Fokus steht, für die Waakirchner geht es vor allem auch um Waakirchen, nicht nur um die Region. Sepp Hartl zeigte sich trotzdem mit dem Ergebnis der gestrigen Veranstaltung zufrieden. Er freue sich schon auf eine Wiederholung eines Runden Tisches in einer der anderen Gemeinden. Denn, wie Hartl scherzhaft warnte: „Bei uns in Waakirchen sind die Straßen dunkel, gefährlich und eng.“
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