Der „geilste Warnstreik“ kehrt zurück

Schon wieder steht die Produktion still: Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate organisiert die Belegschaft eines Holzkirchner Unternehmens mit Unterstützung der IG Metall einen Warnstreik. Die Vorwürfe der Gewerkschaftsseite wiegen schwer – beim Mutterkonzern ist man darüber „äußerst erstaunt“.

... oder auch "wir finden, dass wir zu wenig verdienen".
… oder auch “wir finden, dass wir zu wenig verdienen”.

Die Äußerungen von Christian Naß haben offenbar einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Anfang März sagte er gegenüber der HS, man habe in Föching den „geilsten Warnstreik von Holzkirchen“ organisiert – und spielte damit auf die große Beteiligung und den Lärm an, den rund 40 Beschäftigte der Josef Weiss Plastic GmbH im Gewerbegebiet Nord machten. Bei der nächsten Tarifverhandlungsrunde spricht man ihn an: “Sie sind also der geile Herr Naß”.

Gleicher Ort, rund elf Wochen später: Wieder steht die Produktion des Plexiglas-Spezialisten still. Naß, der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall in Rosenheim, hatte vor einem erneuten Streik gewarnt. Doch ein Treffen mit der Geschäftsführung des Unternehmens Mitte April führte offenbar zu einem nachhaltigen Zerwürfnis statt zu einer Lösung.

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Im Kern geht es um drei Streitpunkte zwischen der Gewerkschaft und dem Unternehmen, das zur Schweizer Trösch-Gruppe gehört: Bezahlung, Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie außertarifliche Verträge. Während die IG Metall unter anderem eine Lohnerhöhung von 150 Euro forderte, bot die Geschäftsführung von Josef Weiss Plastic 70 Euro mehr noch in diesem Jahr und 60 Euro im nächsten.

Die Plakate stammen zum Teil noch vom letzten Warnstreik im März - und das Problem ist auch noch das selbe.
Die Plakate bei der heutigen Versammlung stammen zum Teil noch vom letzten Warnstreik im März – und das Problem ist auch noch das selbe.

Zudem wollte der Arbeitgeber ein Arbeitszeitkonto einführen, über das er alleine verfügen kann, wenn es zum Beispiel Personalengpässe gibt – für Christian Naß ein Versuch, den Betriebsrat zu umgehen. Rund 20 Prozent der Belegschaft sollen demnach mehr als die derzeitigen 38 Stunden pro Woche arbeiten, auf freiwilliger Basis und mit Lohnausgleich. Christian Naß:

Die Belegschaft traut der Geschäftsführung nicht.

Auch bei den außertariflichen Verträgen liegen Forderung und Angebot weit auseinander. Eine entsprechende Zulage liegt laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts dann vor, “wenn der Arbeitgeber eine nicht im Tarifvertrag enthaltene Zulage für Tagarbeitsstunden zahlt, weil er ansonsten nicht genügend Personal für diese Arbeitszeiten findet.” Die IG Metall fordert hier mindestens 25 Prozent Zuschlag, der Arbeitgeber bietet maximal 15 Prozent.

Frank Studer, der bei Glas Trösch die Sparte „Automotive“ leitet und damit auch für das Holzkirchner Unternehmen verantwortlich ist, hat für Naß’ Vorwürfe kein Verständnis, nennt sie gar „starken Tobak“. Er sei „äußerst erstaunt“ über das Verhalten von Gewerkschaft und Mitarbeitern, da die letzte Verhandlungsrunde seiner Meinung nach positiv verlaufen sei. Keineswegs wolle man den Betriebsrat aushebeln. Naß widerspricht alldem und meint: „Die Verhandlungen sind verfahren.“

Für Anfang Juli liegen der Geschäftsführung von Josef Weiss Plastic nun neue Terminvorschläge zur Fortsetzung der Verhandlung seitens IG Metall vor. Dann wird das Unternehmen schon „Weiss Plexi“ heißen – aus Marketinggründen und weil längst nicht mehr Josef Weiss an der Spitze stehe, erklärt Studer. Als die HS den Schweizer erreicht, ist er gerade in Deutschland unterwegs – wie schon beim Treffen Mitte April.

Die Belegschaft des Föchinger Unternehmens möchte schnellstmöglich eine Lösung - doch die Fronten sind offenbar verhärtet.
Die Belegschaft des Föchinger Unternehmens möchte laut diesem Transparent schnellstmöglich eine Lösung – doch die Fronten sind verhärtet.

Die Geschäftsführung des Tochterunternehmens in Föching hingegen ist nicht zu sprechen, Thilo Rühle ist verreist. Zur Unzeit, könnte man angesichts der 26 Beschäftigten sagen, die am Mittwochmittag die Arbeit niederlegen und dann um 16 Uhr Feierabend machen. Es sind weniger als beim letzten Mal, doch Naß begründet das mit der Urlaubszeit: “Die Belegschaft steht voll dahinter.” Doch Thilo Rühle war nicht informiert. Der Warnstreik war erneut als Überraschung gedacht, um die Verhandlungen zugunsten der Arbeitnehmer zu beeinflussen.

Dabei sei die wirtschaftliche Situation des Unternehmens nicht so dürftig, dass die gewerkschaftlichen Forderungen „unmenschlich“ daherkämen, so Naß. Zwar habe die Trösch-Gruppe die Einschätzung abgegeben, dass der Standort Föching nicht so dasteht, wie man sich das vorstelle, berichtet Naß. Die Aushänge in den Hallen des Unternehmens zeugten jedoch davon, dass man „überplant“ sei, berichtet der Gewerkschaftler.

Frank Studer will nun mit den Verantwortlichen in Holzkirchen beraten, wie man weiter vorgeht. Er betont jedoch sein Unverständnis bezüglich der Vorgehensweise der Arbeitnehmerseite: „Wenn das der Groove ist, wie man miteinander umgeht, dann soll es halt so sein.“ Eine Entspannung hat der heutige Warnstreik also nicht gerade hervorgerufen.

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