Bereits zwei Monate bevor das diesjährige Ausbildungsjahr überhaupt beginnt ist klar, dass im Landkreis Miesbach fast 60 Lehrstellen unbesetzt bleiben. Derzeit sind noch 229 Lehrstellen frei, gleichzeitig gibt es aber nur 170 gemeldete Ausbildungssuchende (Quelle Arbeitsagentur). Petra Reindl, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Miesbach, wirbt:
Die Chancen, mit einer Lehre ins Berufsleben durchzustarten, sind so gut wie noch nie.
Angesichts der guten Wirtschaftslage und des drohenden Fachkräftemangels, sei die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ungebrochen hoch, doch es fehlten immer häufiger die Bewerber, so Reindl. Grund dafür sind vor allem die sinkenden Schulabgängerzahlen und der Trend zum Studium. Zusätzlich verhindern nach wie vor Rechtsunsicherheit und bürokratische Hürden die Besetzung von freien Lehrstellen mit Flüchtlingen.
Oberland vs. Großstadt
Das kann auch Katharina Kristen, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Rosenheim bestätigen. Doch laut Kristen sind das nicht die einzigen Gründe. Vor allem die fehlende Infrastruktur auf dem Land, sei ein Problem. Sei ein Betrieb mit den öffentlichen Verkehrsmittel nur schwer zu erreichen oder habe schwierige Arbeitszeiten, würden sich Bewerber schnell nach anderen Stellen umsehen. Vor allem junge Leute mit S-Bahn-Anschluss locke der Münchner Ausbildungsmarkt, so Kristen.
Früher konnten die Firmen die Bewerber schon nach der schriftlichen Bewerbung selektieren. Heute müssen auch die Unternehmen flexibler sein. Wir appellieren deshalb an die Arbeitgeber, auch Schülern mit schlechten Noten eine Chance zu geben.
Hierfür gebe es von der Arbeitsagentur, für Arbeitgeber und Schüler, spezielle Unterstützung Die ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) unterstützen Berufsschüler bei schlechten Noten oder anderen Hindernissen. An mindestens drei Stunden in der Woche erhält dieser dann beispielsweise Nachhilfeunterricht oder Unterstützung bei Alltagsproblemen. Ein Bildungsträger mit erfahrenen Ausbildern, Lehrkräften und Sozialpädagogen begleitet die gesamte Ausbildungszeit. Die Kosten übernimmt die Agentur für Arbeit.
Seit Herbst letzen Jahres gibt es auch die Assistierte Ausbildung (AsA). Gerade bei der Einstellung von Flüchtlingen mit Sprachproblemen, helfen hier beauftragte Bildungsträger unter anderen Sprach- und Bildungsdefizite abzubauen oder fachtheoretische Fähigkeiten zu fördern. Der Betrieb erhält die erforderliche Hilfestellungen bei der Verwaltung, Organisation und Durchführung der Ausbildung.
Besonders deutlich zeigt sich der Azubi-Mangel im Hotel- und Gaststättengewerbe. Für angehende Hotel- und Restaurantfachleute sowie Köche sind noch 50 Stellen frei, aber nur drei unversorgte Bewerber äußern einen entsprechenden Berufswunsch. Reindl unterstreicht, dass der Bewerbermangel quer durch alle Branchen geht:
Es werden auch noch angehende Verkäufer, Bankkaufleute oder medizinische Fachangestellte gesucht.
So auch in Holzkirchen. Der Leiter der Personalabteilung der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee, Thomas Forche sucht für September immer noch zwei Azubis zum Bankkaufmann/-frau. Auch er merke die rückläufigen Bewerberzahlen und vor allem die fehlende Qualität der Bewerber. Wer einen guten Notendurchschnitt erreiche, beginne in der Regel ein Studium. Die Zeiten, in denen man erst einmal eine Ausbildung mache und dann über ein Studium nachdenke, seien vorbei, so Forche.
Banklehre verliert ihren guten Ruf
Dazu komme, dass der Trend in der Bankenbranche allgemein eher rückläufig sei. Das Image der Bankausbildung wäre demnach auch nicht mehr das was es einmal war. Sie würde heute eher als solide Grundausbildung gelten. Doch das ist laut Forche ungerechtfertigt:
Die Ausbildung zum Bankkaufmann/-frau ist eine der schwierigsten überhaupt. Der Lernstoff ist sehr umfangreich und man muss in vielen verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel Buchführung, Recht, Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Kundenkontakt Bescheid wissen. Da ist es schwierig, den Richtigen zu finden.
Probleme bei der Teambesetzung hat auch die Gemeinschaftspraxis für Mund-Kiefer-und Gesichtschirurgie Dr. Rehberg, Tolan und Schenk am Holzkirchner Marktplatz. Auch sie haben noch eine Ausbildung zum/r Medizinischen Fachangestellten (MFA) zu vergeben. Laut Personalchefin Frau Süppl waren schon einige Bewerber da – der Richtige war jedoch noch nicht dabei:
Es ist schwierig geworden. Es fehlt die Bereitschaft, wirklich etwas durchzuziehen. Außerdem muss der Lehrling standfest sein, wir führen ja auch Operationen durch.
Die Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses appelliert indes an die Politik, den Fachkräfte-Aderlass in der Berufsausbildung zu stoppen und die praxisferne Akademisierung auf den Prüfstand zu stellen. Außerdem fordert Reindl die verlässliche und schnelle Umsetzung des „3+2“-Modells für junge Flüchtlinge. Danach dürfen Asylbewerber, die eine Lehre aufnehmen, in den drei Jahren der Berufsausbildung sowie in den folgenden zwei Jahren zum Sammeln von Berufserfahrung nicht abgeschoben werden.
Aktuell bereiten sich im Landkreis Miesbach mehr als 80 jugendliche Asylbewerber in fünf Berufsintegrationsklassen auf das Berufsleben vor. „Viele Unternehmen sehen in diesem Personenkreis Potenzial für ihre freien Ausbildungsplätze, aber Einstellungen scheitern häufig an der mangelnden Planungssicherheit und den vielen bürokratischen Auflagen“, so Reindl.
Insgesamt sind derzeit 214 IHK-zugehörige Unternehmen im Landkreis Miesbach in der Ausbildung aktiv und stehen für fast 60 Prozent aller Ausbildungsverhältnisse.
Wer noch eine Lehrstelle sucht, kann sich unter anderem auch auf der Azubi-Seite Oberland-jobs.de informieren.
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