Sommer 2015: Es ist ein Jahrhundert-Sommer. Nicht nur, wegen der außergewöhnlich langen Schönwetter-Periode, sondern auch wegen eines nicht abreißen wollenden Stromes an Flüchtlingen, die nach Deutschland, vor allem auch nach Bayern kommen. Fremdenfeindlichkeit nimmt mit enormer Geschwindigkeit zu. Xenophobe und rassistische Kommentare in sozialen Medien wie Facebook und zu den Berichten renommierter Magazine im Internet nehmen eine bisher ungeahnte Qualität an. Die Anzahl an rechtsextreme Straftaten multipliziert sich im Vergleich zu den Vorjahren.
In diese aufgeheizte Stimmung platzt eine Horror-Meldung: „Versuchte Vergewaltigung in Holzkirchen“ titelte die HS selbst. Publikationen mit zumindest rechtspopulistischen bis –radikalen Hintergrund nahmen die Meldung gern auf und schmückten sie aus.
Aussage und Fakten
Was war passiert? Eine 19-jährige Waakirchnerin hatte in der Nacht des 23. Juli gegen 1 Uhr bei der Holzkirchner Polizei ein Sexualdelikt gemeldet. Sie sei von drei Ausländern belästigt und an intimen Stellen begrabscht worden. Die jungen Männer hätten sie bedrängt, durch den Fußgänger-Tunnel am Bahnhof gejagt.
An den Fahrradständern hätten sie die drei eingeholt, wieder versucht sie anzufassen. In der Unterhaltung seien Worte wie „Sex“ und „Ficken“ gefallen. Die junge Frau sei dann in Richtung einer offenen Garage gedrängt worden, wieder begrabscht worden und habe nur durch Glück einer Vergewaltigung entkommen können.
Festnahme und Untersuchungshaft
Kurze Zeit nach der Aussage griff die Polizei drei junge Männer auf und setzte sie zunächst fest. Die drei mussten dann für zwei Wochen in Untersuchungshaft. In dieser Zeit hatte die Polizei mittlerweile ermittelt, dass sich zwei der Verdächtigen zum Tatzeitpunkt an einem anderen Ort aufhielten. Der dritte habe mit der 19-Jährigen zwar geflirtet und sie auch oberhalb der Kleidung angefasst, dass aber unterlassen, als er merkte, dass dies nicht erwünscht war. Die Tatverdächtigen selbst waren damals selbst erst 18 Jahre alt.
Mit den Ermittlungsergebnissen konfrontiert, gab die mittlerweile in Waakirchen lebende Frau zu, den Vergewaltigungsversuch frei erfunden zu haben. Heute musste sie sich für diese Falschaussage vor dem Amtsgericht in Miesbach verantworten.
Reue und ein schnelles Geständnis
Bereits am Anfang der Verhandlung verlas der Rechtsanwalt der Angeklagten ein Geständnis für zwei der drei Fälle. Sie bekenne sich schuldig, die zwei Personen, die bei der Tat gar nicht anwesend waren, falsch beschuldigt zu haben und so auch mittelbar die Freiheitsberaubung der beiden, also die Untersuchungshaft, verursacht zu haben.
Ein psychologischer Sachverständiger der Gerichtsmedizin hatte die Angeklagte untersucht und allgemein eine Strafmündigkeit festgestellt. Die 19-Jährige sei mit einem IQ von 94 durchschnittlich intelligent und an ihrer Umwelt interessiert. Allerdings stelle er eine leichte Reifeverzögerung fest. Die junge Frau habe Schwierigkeiten, sich sprachlich auszudrücken. Obwohl sie an dem Abend Bier getrunken habe, sei das in so geringen Mengen geschehen, dass der Sachverständige eine Schuldminderung durch Alkoholeinfluss ausschloss.
Kein leichtes Vergehen
Im Plädoyer macht der Staatsanwaltschaft der Angeklagten noch einmal die Schwere der Tat bewusst. Die Verdächtigen seien eben erst nach zwei Wochen nach den Ermittlungen der Polizei wieder entlassen worden. Daher forderte er drei Wochen Dauerarrest. Die Verteidigung machte ihrerseits deutlich, dass sie fest davon überzeugt sei, dass die Angeklagte sich in dieser Nacht tatsächlich bedroht gefühlt habe. Allerdings nur von dem einen anwesenden Mann.
Meine Mandantin war dadurch sehr aufgeregt und hat wohl überreagiert, was zusammen mit ihrem sprachlichen Defizit in der Falsch-Aussage resultierte.
Die Waakirchnerin sei nicht fremdenfeindlich. Es existiere ein freundschaftliches Selfie mit dem jungen Afghanen. Sie habe niemandem schaden wollen, sondern habe sich in dem Moment als Opfer gefühlt.
Richter Klaus-Jürgen Schmid sprach die 19-Jährige nach ihrem Geständnis der Falsch-Aussage und der mittelbaren Freiheitsberaubung schuldig. Allerdings verurteilte er die Frau nach dem Jugendstrafrecht, das nicht auf Rache abziele. „Hier geht es darum weitere Taten zu verhindern.“, erklärt er.
Ein Arrest wäre da kontraproduktiv.
Er verurteilte sie daher zu 160 Stunden sozialer Arbeit, die sie in vier Monaten abzuleisten muss. Außerdem muss sie den zwei zu Unrecht Beschuldigten, die zur Tatzeit gar nicht in der Nähe waren, jeweils 200 Euro zahlen. Darüberhinaus muss sie sich einer Suchtberatung bei der Caritas unterziehen.
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