Wie die Made im Speck!

Am Amtsgericht Miesbach wurde heute “gedealt” –so nannten es selbst Richter und Staatsanwalt. Bereits vor dem eigentlichen Beginn der Verhandlung, hatten die Prozessbeteiligten das Ergebnis abgeklärt. Für den Betrüger mit einschlägiger Vergangenheit, sicher ein Glücksfall.

Die Kaufurkunde für die Immobilie in Otterfing war das Papier nicht wert. Die Verkäufer waren einem Serienbetrüger aufgesessen.
Die Kaufurkunde für die Immobilie in Otterfing war das Papier nicht wert. Die Verkäufer waren einem Serienbetrüger aufgesessen.

Noch bevor die Verhandlung im Sitzungssaal 2 begann, stand fest, dass der Termin nicht zu lange dauern würde. Ein Nachfolgetermin war eigentlich bereits angesetzt, denn der Amtsarzt bescheinigte dem Angeklagten eine bedingte Verhandlungsfähigkeit. Der 58-jährige, nun in Holzkirchen wohnhafte Angeklagte, sei laut Arzt schwer nieren- und herzkrank und Dialyse-Patient.

Eigentlich war er laut Attest nur für maximal vier Stunden verhandlungsfähig, aber auch diese Dauer wurde nun unterschritten. Denn der Verteidiger bat vor Verhandlungsbeginn um ein Gespräch. Dieses Gespräch fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen Richter, den zwei Schöffen, den Vertretern der Staatsanwaltschaft sowie dem Pflichtverteidiger des Angeklagten statt.

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Geständnis sichert niedrige Haftstrafe

Das Ergebnis der privaten Gesprächsrunde: sollte sich der Angeklagte geständig zeigen und damit die Beweisaufnahme vereinfachen sowie das Verfahren verkürzen, sei eine Strafe von eineinhalb Jahren plus minus zwei Monaten zu erwarten. So gestand der Angeklagte wie vereinbart.

Er hatte 2013 einen Vertrag zum Kauf einer Immobilie in Otterfing abgeschlossen. Es handelte sich dabei um ein Grundstück von zirka 290 Quadratmetern, auf dem sich eine Doppelhaushälfte mit zirka 190 Quadratmetern Wohnfläche befand. Der Kaufpreis betrug 500.000 Euro. Der Angeklagte gestand, zu keiner Zeit entsprechend viel Geld besessen zu haben und auch nicht vorhatte, die Summe zu zahlen.

Die Verkäufer haben sich leichtsinniger Weise überreden lassen, den Schlüssel zu der Immobilie zu übergeben, obwohl der Kaufpreis nicht gezahlt wurde. Der Betrüger zog daraufhin mit seiner Frau und seinen drei Söhnen in das Haus ein und lebte dort für 14 Monate. Erst die Androhung einer Räumung durch einen Gerichtsvollzieher bewog ihn schließlich, sich eine neue Bleibe zu suchen. Nun wohnt er mit seiner Frau in einer Sozialwohnung der Gemeinde Holzkirchen.

Von Sandburgen und Luftschlössern

Im Verlauf der Verhandlung erläuterte der Angeklagte, dass er als kaufmännischer Berater tätig gewesen sei. Er habe damals für die in Hannover ansässige Firma Emerald Springwater GmbH, die sich mit dem Kauf und der Bewirtschaftung von Wasserquellen befasst, Investoren beschaffen sollen.

Hätte er einen Geldgeber gefunden, der bereit gewesen wäre, sechs Millionen Euro in die Firma zu investieren, hätte der Holzkirchner selbst 500.000 Euro Provision bekommen. Bei einem weiteren Investment, von weiteren 60 Millionen Euro, hätten dem Angeklagten 700.000 Euro geblüht. Zu einer Abwicklung eines derartigen Geschäftes kam es jedoch nicht einmal ansatzweise.

Der 58-Jährige hatte den Verkäufern der Immobilie zwar einen entsprechenden Nachweis einer solchen Rechnung vorgelegt, um seine Liquidität zu beweisen. Aber wie sich auf Nachfrage durch Richter Walter Leitner herausstellte, hatte der Angeklagte gar keinen Grund eine entsprechende Zahlung zu verlangen. Dazu hätten die sechs Millionen Euro nämlich schon überwiesen sein müssen. Richter Leitner:

Ich denke, das war ein reines Luftgeschäft.

Vielseitiger Serienbetrüger

Denn wie ein Blick in das Bundesstrafregister zeigte, ist der Angeklagte einhellig vorbestraft und das seit 1993 bereits acht Mal. Dabei handelt es sich sogar zum Teil um Zusammenfassungen von Straftaten. Der jetzt in Holzkirchen wohnhafte Mann, hatte nach einem immer wiederkehrenden Muster betrogen und sich Geld erschlichen.

Zum einen hatte er in der Vergangenheit Autos gekauft oder gemietet, diese über einen Zeitraum benutzt ohne jemals die Absicht zu haben, dafür zu bezahlen. Des Weiteren hatte er immer wieder die Vermittlung von Krediten angeboten, um dafür eine Provision zu kassieren. Die Kredite sollten anderen zur Existenzgründung dienen oder in einem Fall den Weg aus der Privatinsolvenz bereiten. Auch als Mietnomande und Zechpreller hatte er sich betätigt.

Eine ganze Reihe von Freiheitsstrafen hatte der Angeklagte so schon zuvor gesammelt, etliche Male gegen Bewährungstrafen verstoßen. Zum Zeitpunkt des betrügerischen Kaufs der Otterfinger Immobilie, lebte er mit seiner Familie vom Kindergeld, den Unterhaltszahlungen des leiblichen Vaters der zwei älteren Söhne, dem 450-Euro-Job der Mutter und kleineren Beträgen, die er selbst einnahm.

Der 58-Jährige war damals pleite, die Räumung der Mietwohnung stand bevor. In Fortsetzung seines bisherigen Lebensstils beschloss er daher, sich betrügerisch in eine Immobilie einzuschleichen. Der Staatsanwalt fand klare Worte für das Verhalten:

Sie sind ein Bewährungsversager.

Gemäß der vorher getroffenen Vereinbarung forderte der Staatsanwalt 18 Monate Freiheitsstrafe, plus Übernahme der Kosten des Verfahrens für ein Vergehen, dass fünf Jahre Freiheitsentzug hätte bringen können. Er bescheinigte dem Angeklagten ein gutes Geschäft. Selbstverständlich stimmte die Verteidigung zu.

Richter Leitner akzeptierte den Deal. Er berücksichtigte das Geständnis, die durch den Angeklagten erklärte Bereitschaft zur Rückzahlung der Schulden sowie die Entschuldigung bei der Geschädigten. Auch der fragile Gesundheitszustand und die daraus resultierende Haftempfindlichkeit wurden bei dem Urteil berücksichtigt. Sein Missfallen zum Verhalten des Angeklagten nach der Tat brachte Richter Leitner allerdings ebenso zum Ausdruck:

Sie sind wie die Made im Speck sitzen geblieben bis zur Zwangsräumung.

Aber auch die Verkäufer hätten leichtsinnig gehandelt, indem sie dem Angeklagten trotz Nichtzahlung der Kaufsumme einfach die Schlüsse übergeben hatten.

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