Prozess von Bad Aibling startet

Nur der beschuldigte Fahrdienstleiter weiß, was in den letzten Minuten vor dem Zugunglück geschah. Heute wird er versuchen sein Handeln vor dem Landgericht Traunstein zu erklären – schon am ersten Verhandlungstag will sich der Angeklagte äußern.

Die Anklageschrift gibt jetzt Aufschluss über den genauen Ablauf vor dem Zugunglück in Bad Aibling Foto: Peter Kneffel/dpa
Bei dem Zugunglück von Bad Aibling starben zwölf Menschen, mehrere wurden verletzt./ Foto: Peter Kneffel/dpa

Fahrlässige Tötung in zwölf Fällen und fahrlässige Körperverletzung in 89 Fällen. So lautet die Anklage von Michael P. – Fahrdienstleiter der Deutschen Bahn, 39 Jahre alt, Familienvater, ein erfahrener Mann, seit 20 Jahren im Dienst. An jenem 09. Februar war er zuständig für den Zugverkehr auf der eingleisigen Strecke zwischen den Bahnhöfen Kolbermoor und Heufeld.

Ablenkung durch Handyspiel?

Er wird beschuldigt, trotz striktem Verbot, während der Arbeit mit seinem Smartphone das Onlinespiel Dungeon Hunter 5 gespielt zu haben. Nur kurz soll er sein Spiel unterbrochen haben, um dem von Rosenheim kommenden Meridian die freie Ein- und Ausfahrt am Bahnhof Kolbermoor zu gewähren. Dieses Signal war der erste Fehler. Die beiden entgegenfahrenden Züge sollten sich planmäßig in Kolbermoor kreuzen – doch Michael P. soll, so vermutet die Staatsanwaltschaft, in der Zeile verrutscht sein. Er dachte die Züge träfen sich in Bad Aibling.

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Dem Zug aus Holzkirchen soll er im Anschluss das Signal zur Einfahrt in den Bahnhof Bad Aibling gegeben haben – sogar das Gleis soll er noch geändert haben. Zeitgleich erreicht nun der Rosenheimer Zug den Bahnhof Kolbermoor. Immer noch soll Michael P. zu diesem Zeitpunkt nebenbei mit seinem Handy beschäftigt gewesen sein. Als er seinen Fehler bemerkte setzte er zweimal ein Notrufsignal ab, mit der Anweisung die Züge sofort zu stoppen. Doch beide Male erreichen die Nachrichten nicht die Zugführer, sondern das Streckenpersonal.

Wie viel Schuld trägt der Fahrdienstleiter?

Michael P. muss den Ermittlungen zufolge beim Funken die falsche Taste gedrückt haben. Hätte er sich nicht vertippt, hätte das Unglück nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zumindest mit dem ersten Notruf noch verhindert werden können. Beim zweiten Notruf waren die Züge bereits mit Tempo 51 und 78 kollidiert.

Heute hat Michael P. die Gelegenheit sein Handeln vor dem Landgericht Traunstein zu erklären, zu beschreiben, versuchen Antworten zu geben, wie es dazu kommen konnte, dass er ein falsches Signal setzte und zwei Züge auf einer eingleisigen Strecke kollidieren ließ. Wie viel Schuld trägt der 39-Jährige, der nach dem Unglück von Psychologen betreut und zu seinem Schutz an einen geheimen Ort gebracht werden musste? Die Überprüfung des gesamten Systems habe laut der Ermittlungen keinen Hinweis auf eine andere mögliche Ursache ergeben, als menschliches Versagen. Aber ist die Bahn frei von Schuld? Trägt das Unternehmen eine Verantwortung an der Tragödie? Michael P. wurde am 12. April festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft.

Der Vorsitzende Richter der Zweiten Strafkammer des Landgerichts Traunstein, Erich Fuchs, hat für den Prozess sieben Verhandlungstage anberaumt. Mehr als zwei Dutzend Opfer und Hinterbliebene treten als Nebenkläger auf. Michael P. hat in den ersten Vernehmungen ein Geständnis abgelegt. Es heißt, er werde sich bereits am ersten Verhandlungstag zu den Vorwürfen äußern – oder seine beiden Verteidiger für sich sprechen lassen. So oder so werden es Worte sein, die das Unerklärliche nicht erklären können.-

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