Holzkirchen, wer bist du?

Holzkirchen ist praktisch wie eine Fußraspel, aber eben nicht so richtig schön. Ein klassischer Durchfahrtsort. Wo aber bleiben die Lebensqualität und attraktiven Angebote für Bürger? Das führt zu der Frage, was die Marktgemeinde eigentlich sein möchte.

Was möchte die Marktgemeinde sein?
Was möchte die Marktgemeinde sein?

Ein Kommentar von Laura Lorefice – zum ersten Mal erschienen am 29. November 2016
Oft und viel wird gejammert. Holzkirchen habe zu viel Verkehr, zu wenig Parkplätze und eindeutig zu leere Schaufenster – und über das Gejammere lässt sich dann auch nochmal jammern. Schön! Die Marktgemeinde macht derzeit so richtig Spaß. Doch in all dem Jammer steckt leider auch ein wahrer Kern. Denn Holzkirchen ist furchtbar praktisch, jedoch mit überschaubarer Lebensqualität behaftet.

Wo sind die grünen Flächen? Die Naherholungsgebiete? – Vom Kogl mal abgesehen, der gefühlt einzige Platz, an dem man Ruhe vor Verkehr und Lärm findet. Wo sind attraktive Cafés? Ein Freibad im Sommer? eine Flanier- und Fußgängerzone? Das ganze Ausmaß an örtlicher Attraktivität lässt sich an einem einzigen Beispiel gut erklären – und das ist das sonntägliche Frühstücken beziehungsweise Brunchen.

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Sonntags ist Ruhetag, ob man will oder nicht

Sie wollen ihr Frühstücks-Ei nicht wie gewohnt am heimeligen Küchentisch knacken, sondern außerhalb essen? Verlassen Sie bitte Holzkirchen und suchen im Umland. Wo kann man am heiligen Sonntag in Holzkirchen genussvoll frühstücken? Da gibt es das Urgestein-Bistro in der Tegernseer Straße, was schon fast zum Inventar der Marktgemeinde gehört. Und dann? Bäcker, sehr viele Bäcker, die in Anbetracht der großen Nachfrage ihr Frühstücksangebot für hungrige Holzkirchner bereits aufgestockt haben – ebenso wie eine Holzkirchner Eisdiele, in der es neben Stracciatella und Limonen-Sorbet auch Semmeln, Marmeladengläschen und Croissants gibt.

Dankend werden diese Angebote auch angenommen. Aber sonst? Alles andere, was es in Holzkirchen an Cafés gibt (und das ist nicht viel), hat sonntags geschlossen – Natürlich, man ist schließlich in Bayern. Da ist der Sonntag der Tag des Herrn und gesetzlicher Ruhetag, ob man nun glaubt oder später in der Hölle schmort. Ein charmantes Café in gemütlicher Atmosphäre mit der nicht immer gleichen Menükarte? Fehlanzeige! Dafür muss man schon nach Irschenberg oder nach Tölz fahren.

Doch das ist nur ein Beispiel von vielen. Einen Club im Ort – oft diskutiert, doch nichts geändert. Partylöwen und solche die es werden wollen, finden in der Marktgemeinde keine Feier-Locations. Im Vergleich zu Tölz gibt es hier keinen einzigen Club. Also so ’nen richtigen, mit Tanzfläche und Öffnungszeiten bis in die frühen Morgenstunden. Wer feiern will, muss fahren. Doch passt das zusammen? Will der junge Holzkirchner nicht nur am Bahnhof eine Halbe trinken und in die Nacht grölen, muss er nach Rottach oder München fahren. Statt die Leute pendeln zu lassen, braucht es Angebote im Unterhaltungsbereich.

Und auch im Sommer gibt es außer den gut besuchten Eisdielen nur wenig Möglichkeiten seine Freizeit im Ort zu genießen. Für Sonnenanbeter, die keinen eigenen Garten oder Balkon haben, gibt es außer der Liegewiese im Batusa keine wirklichen Alternativen. Da fährt man schon lieber an die umliegenden Seen, wie den Kirchsee oder Tegernsee. Wieder raus aus Holzkirchen.

Nachmieter eine Bereicherung für den Ort?

Dafür ist Holzkirchen eher praktisch veranlagt – von Lidl, Aldi, und Penny bis hin zu Edeka, Rewe und Tengelmann alles da. Dazu ein großes Ärztehaus, wo man wirklich jedes Wehwehchen behandeln lassen kann – und das ist auch gut so! Krank werden darf man in der Marktgemeinde. Aber Spaß haben, das könnte sich schwierig gestalten.

Derweil hätte Holzkirchen viele Kapazitäten frei gehabt. Doch diese, man muss es ehrlicherweise sagen, sind schon wieder verstrichen. Das Geschäftesterben Anfang des Jahres barg auch ganz neue Möglichkeiten für den Ort. Es war die Chance, für ein Stückchen mehr Attraktivität im Ort. Doch sieht man sich die Nachmieter mal genau an, muss man eines feststellen: Allesamt praktisch – und ohne Frage natürlich auch nützlich. Aber tragen die zu mehr Lebensqualität bei?

Neben einem zweiten EMS-Studio in der gleichen Straße, kam sogleich auch noch ein zweiter Handyladen direkt neben den bereits bestehenden Shop. Würde ja sonst auch langweilig werden. Achja, da war ja dann auch noch ein Immobilienbüro, und, wie jüngst bekannt wurde, ein weiterer Optiker, der aber erst nächstes Jahr einziehen wird. Ebenfalls der zweite in der gleichen Straße. Alles sehr spannend.

Nicht Fisch, nicht Fleisch

Was will Holzkirchen eigentlich sein? Praktisch zum Leben wegleben? Ein städtisch geprägter Ort oder doch lieber das kleine Dorf? Derzeit schweben wir in einem undefinierbaren Zustand, der sich vielleicht noch als “städtisch geprägter Ort mit dem typisch ländlichen mageren Angebot” benennen lässt. Wissen es die Verantwortlichen unserer Gemeinde selbst noch nicht so recht?

Viel Zeit, Engagement und Kraft werden in das aktuelle Orts- und Mobilitätskonzept investiert. Immer bemüht, die Bürger und Öffentlichkeit miteinzubeziehen. Die Gespräche meist konstruktiv, immer jedoch gesittet und in angemessenem Ton. Ansätze gibt es also. Dennoch sind wir nicht Fisch und nicht Fleisch. Was möchten wir also sein? Bevor sich die Ortsplaner beraten, Ideen besprechen, Konzepte erstellen und ins Detail gehen, wie Holzkirchen aussehen könnte, sollten sich Bürger und Verantwortliche zuerst die Frage stellen, was Holzkirchen eigentlich sein möchte.

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