Kurz vor Weihnachten ließ das bayerische Innenministerium die Bombe platzen: Ein neuer Beschluss besagt, dass Flüchtlinge mit einer geringen Bleibeperspektive nicht mehr arbeiten dürfen. In dem Schreiben heißt es:
In Fällen mit geringer Anerkennungsquote spricht die migrationspolitische Erwägung dafür, den Antrag des Asylbewerbers auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis abzulehnen.
Bedeutet im Klartext: Haben Flüchtlinge aufgrund ihres Herkunftslandes eine geringere Chance in Deutschland zu bleiben, so erhalten sie nur noch sehr eingeschränkt, wenn überhaupt, eine Arbeitserlaubnis. “Eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit“ gilt derzeit bei Asylbewerbern aus Eritrea, Irak, Iran, Somalia und Syrien. Doch das ist noch nicht alles. Nicht nur, dass betroffene Flüchtlinge nicht mehr arbeiten dürfen und damit keine Steuern zahlen – sie dürfen auch keine Sprachkurse mehr besuchen.
“Aktuelle Asylpolitik richtet Schaden an”
Stephan Dünnwald, einer der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, kritisierte gegenüber der Süddeutschen Zeitung die aktuelle Asylpolitik ebenso als eine Entwicklung, die auf Jahre Schaden anrichten werde: „Damit werden nicht nur die Integrationsleistungen von Flüchtlingen, sondern auch jene von Ehrenamtlichen, Berufsschulen, Betrieben zunichte gemacht”.
In ein bis zwei Jahren werde dann wieder darüber diskutiert, “was wir mit Zehntausenden geduldeten Flüchtlingen in Bayern machen, die eben nicht abgeschoben werden können”. Dann aber sei wertvolle Zeit sinnlos verstrichen – sinnlos für die Betroffenen selbst, aber auch für die bayerische Gesellschaft.
Im Landkreis Miesbach leben laut Landratsamt derzeit 84 Flüchtlinge aus den Staaten Syrien (18 Personen), Irak (10), Iran (15), Eritrea (17) und Somalia (24), die Länder mit guter Bleibeperspektive. Geflüchtete aus anderen Ländern im Asylverfahren sind momentan 418 Personen. Birger Nemitz, Pressesprecher des Landratsamtes betont:
Allerdings ist es FALSCH, hier davon zu sprechen, dass für diese Personen eine Arbeitserlaubnis nicht erteilt wird, beziehungsweise sogar ein Arbeitsverbot besteht.
Eine geringe Bleibeperspektive wirke sich negativ auf die Entscheidung der Erteilung einer Arbeitserlaubnis aus. Allerdings handle es sich dabei um einen Aspekt von mehreren. Andere Aspekte seien zum Beispiel begangene Straftaten oder Mitwirkung beim BAMF-Verfahren, so Nemitz.
Für den Warngauer Helferkreis trotzdem ein Unding. Alle Mühe, so Andrea Anderssohn auf der Warngauer Gemeinderatsitzung am Dienstag, wäre umsonst. Arbeitgeber hätten Zeit und Geld investiert, der Helferkreis fühle sich „verarscht“. Sorgen, dass sich untätig herumlungernde Asylbewerber mit der Zeit radikalisieren, wurden im Gemeinderat laut. Bürgermeister Klaus Turnhuber sieht hier Landrat Wolfgang Rzehak in der Pflicht und kritisierte dessen Tatenlosigkeit:
Ich wollte den Landrat dazu bewegen, auf den Tisch zu hauen, aber vergebens.
Wie bewerten die Verantwortlichen aus den umliegenden Gemeinden die Situation?
Robert Haunschild, Geschäftsleiter der Gemeinde Holzkirchen bleibt gelassen. Flüchtlinge, die den ganzen Tag nur herumsitzen, gebe es jetzt auch schon. Die Angst vor Radikalisierung teile er nicht. Schließlich komme es immer auch auf das Umfeld an, in dem sich die Flüchtlinge bewegen. Das der Landrat die Entscheidung des Ministeriums beeinflussen könne, bezweifelt er.
Integrationswille zahlt sich nicht aus
Zielführender sei es für Haunschild, wenn sich alle Bürgermeister aus den Gemeinden zusammenschließen und Gespräche führen. ” Ich weiß nicht, ob ein einsamer Landrat da so viel bewirken kann”. Eines sei für ihn jedoch klar: Die Politik muss in diesem Fall tätig werden.
Etwas anders sieht das Andreas Hallmannsecker, Bürgermeister von Valley. Gegen geltende Gesetze könne man nicht verstoßen, das sei klar, aber von der menschlichen Seite betrachtet, finde er den Beschluss “sehr schade”:
Für die Asylbewerber, die sich bereits integriert haben, vollen Willen zeigten und eine Arbeitsstelle gefunden haben, ist dieser Beschluss sehr bitter. Auch für die ganzen Helferkreise, die überall enorme Arbeit geleistet haben. Wir haben uns bemüht engagierte Flüchtlinge in Lohn und Brot zu bringen und jetzt müssen sie ihre Arbeit von heute auf morgen wieder aufgeben.
Wenn die Bewohner in den Unterkünften mit der Zeit “einen Lagerkoller” bekämen, wäre das verständlich, so Hallmannsecker. Dennoch müsse man beide Seiten der Medaille betrachten. Die Gesetzeslage sei eben so. Doch auch er sieht das Landratsamt in der Pflicht und spricht der Behörde eine gewisse “Entscheidungsfreiheit” zu. Gerade in Valley gebe es ein paar spezielle Fälle, welche sich “super” entwickelt hätten. Hallmannsecker erklärt:
Wir haben bestimmte Kandidaten, die sich hervorragend integriert haben und sich toll einbringen. Sie bringen Ruhe in die Container, was enorm wichtig ist. Nicht immer kann jemand vom Helferkreis vor Ort sein. Ich denke, jede Gemeinde hat paar Leute, die sich besonders gut entwickelt haben. Der Landkreis wird wegen ein paar gut integrierten Flüchtlingen mehr, die hier bleiben, auch nicht zusammenbrechen.
Anderssohn vom Warngauer Helferkreis hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Derzeit halte man alles zusammen, was gehe, sagt sie. Sie hoffe darauf, dass die Leute von der Kommunalpolitik, bis hin in die höheren Ebenen verstehen, dass man hier tätig werden müsse. Sie fordert, Flüchtlinge weiter arbeiten und lernen zu lassen, solange noch nicht sicher ist, ob sie in Deutschland bleiben dürfen oder nicht. Zudem plädiert sie dafür, mindestens eine Traglufthalle im Landkreis stehen zu lassen. Zumindest so lange, bis die Kommunen Alternativen für die Unterbringung gefunden haben. “Wir brauchen Wohnraum”.
Rzehak betrachtet neuen Beschluss „kritisch“
Landrats Wolfgang Rzehak verteidigt sich indes gegen die Kritik aus Warngau: „Wir als Landratsamt handeln hier als staatliche Behörde. Die Politik – die Gesetze – werden in Berlin und München gemacht.“ Auch er sehe allerdings die Problematik:
Es ist nicht sinnvoll, Menschen so lange ohne Arbeit zur Untätigkeit zu verurteilen. Es darf nicht sein, dass wir als Behörde gerade stehen müssen für Versäumnisse des Bundes und des Landes.
Doch obwohl Rzehak „dies zum Teil politisch als sehr kritisch betrachte“, da Arbeit seiner Ansicht nach immer der beste Schritt zur Integration sei, „werden wir die Vorgaben der Staatsregierung in der Asylpolitik umsetzen”, so der Landrat.
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