Die Gemeinde Waakirchen ist ein Spezialfall. Das hat nicht nur Gemeinderat und 3. Bürgermeister Rudi Reber (Aktive Bürgervereinigung) erkannt. Die Fünftausend-Seelen-Gemeinde ist laut Reber – gemeinsam mit der Gemeinde Huglfing – der einzige an der B472 gelegene Ort, in dem der Verkehr fließt.
Was sich positiv anhört, ist jedoch für die Waakirchner ein tägliches Fiasko. Rund 14.000 Fahrzeuge passieren den Ort jeden Tag, darunter eine Vielzahl an Schwerlastern. Viele wollen nicht nach Waakirchen selbst, sondern hindurch. Dient die B472 doch als Ost-West-Tangente zwischen Irschenberg und Peißenberg.
Zukunftsideen für ein lebendiges Waakirchen
Rudi Reber gehört zu denen, die den täglichen Verkehr nicht mehr mit ansehen wollen. Gemeinsam auch mit weiteren Fraktionen und der unpolitischen Bürgerinitiative um Gerhard Voit und Reinhard Küppers möchte man den Ort entlasten. Der gestrige Infoabend, zu dem die ABV eingeladen hatte, sollte der Aufklärung der Bevölkerung dienen und dazu, das Thema immer wieder „aufzukochen“.
Wir brauchen eine Infrastruktur mit Geschäften und einem zentralen Ort.
Reber präsentierte in dem voll besetzten Saal die Zukunftsidee für Waakirchen. Bereits vor etlichen Wochen hatte sich dazu ein Ortsplanungsausschuss um Gemeinderat Georg Rausch gebildet, der sich einmal im Monat trifft. „Wir haben einen Ort und der soll sich entwickeln. Wie soll er sich entwickeln?“ Diese Frage stellte Reber in den Raum. Und stellte die erarbeiteten Visionen gleich dazu. „Es geht nicht nur darum, eine Straße zu planen“, erläuterte Reber. Das sei die Aufgabe des Straßenbauamtes. Es gehe darum, den Verkehr so zu leiten, dass die Infrastruktur gefördert werde. „Unser Ziel müsste sein, dass dort, wo die jetzige B472 ist, wieder eine kleine Ortsstraße ist.“
So könne man sich Waakirchen in der Zukunft vorstellen. Diese kleine Ortsstraße führe dann auch an dem neu zu bildenden Dorfzentrum vorbei, so Reber weiter. Dort, wo die Gemeinde das sogenannte Bäcka-Voitl-Anwesen mit allen Flächen erworben hat, könnte zukünftig das Waakirchner Leben pulsieren. „Einen Punkt, wo man sich treffen kann, haben wir momentan nicht“, so Reber.
Er erinnerte gleichzeitig an den Ortsteil Marienstein als Beispiel, wie sich der Ortskern einmal nicht entwickeln solle. Noch in seiner Kindheit hatte es dort vier Wirtshäuser, sechs Läden und weitere Einrichtungen wie Zahnarzt oder Bank gegeben. Jetzt sei Marienstein allein zum Schlafen da. „Wenn jemand denkt, das kann Waakirchen nicht treffen, der irrt“, warnte Reber.
Konkret geht es dabei um die Fläche, die zwischen Kirche und Sparkasse mitten im Ortskern von Waakirchen liegt. Einen Treffpunkt für die Menschen kann man sich dort vorstellen, wo man zusammenkommt zum Ratschen, „Bankerlsitzen“ oder Kaffeetrinken. Als Beispiel nannte Reber das Dorfzentrum von Dürnbach. „So ein Dorfzentrum würde auch unseren Wirtschaften – dem Christlwirt und der Pizzeria – guttun.“
Wir brauchen eine Infrastruktur mit Geschäften und einem zentralen Ort.
Neben einem solchen funktionierenden Dorfzentrum kann man sich vorstellen, dass die B472 künftig als Umgehungsstraße um den Ort funktioniert. Entlang dieser stellt man sich belebte Infrastruktur vor. EDEKA, Tankstelle und Weiteres. Wo die Bundesstraße dann entlang führen könnte, das sei gut zu überlegen. Denn es gehe nicht darum, die Leute im Ortskern – die jetzt mit Verkehr belastet sind – zu entlasten, dafür andere aber zu belasten. Das wäre nur eine ungerechtfertigte Verlagerung des Problems. Viele Gespräche mit Betroffenen müssten geführt werden, um eine mögliche Trasse herauszufinden.
Ortsumgehung mit Grünbrücke und Infrastruktur
Michael Mohrenweiser brachte zudem eine Lösung aus der Schweiz an die Projektionswand, die er sich vorstellen könnte, um die Belastung für Anwohner der Umgehungsstraße zu senken. Er selbst wäre Betroffener, käme es eines Tages zu einer Nord-Umfahrung um den Ort. Alternative dazu wäre eine Süd-Umgehung. Die Grafik zeigte eine sogenannte “Grünbrücke”, wie sie sich auch schon in der Schweiz bewährt habe, so Mohrenweiser:
Ich glaube, wenn man die Straße nicht sieht und nicht hört, dann kann man sich damit anfreunden.
Eine solche Grünbrücke könnte durchaus an die 200 Meter lang sein. Und schütze die Anwohner gegen die Straße. Koste aber auch. Deshalb brauche man ein signifikantes Budget. Man dürfe sich nicht mit Kleckersümmchen abspeisen lassen. „Bisher sind wir im Landkreis stiefmütterlich behandelt worden“, so Reber. Nur wenige Staatsgelder – geschätzte 20 Millionen – seien laut Reber für die Miesbacher geflossen.
Was dagegen möglich ist an Budgets vom Staat zu bekommen, machen andere Orte vor: Ausgaben westlich des Landkreises Miesbach mit mehr als 490 Milliarden oder 1,6 Milliarden östlich des Landkreises wurden aufgezählt. „Mit 30 oder 40 Millionen könnte man eine Umgehung bauen, mit der wir Waakirchner leben können“, so Reber.
Kommunalpolitik – Bürger – Bürgerinitiative – alle an einem Strang
Dafür sollten alle zusammenhelfen. Die Bürgerinitiative um Gerhard Voit und Reinhard Küppers weiß die ABV hinter sich. Diese hatten mit Transparenten wie „Diese Ortsdurchfahrt kann tödlich sein“ auf das Problem aufmerksam gemacht und wollen auch weiterhin aktiv bleiben. Auch andere Fraktionen wollen etwas machen, weiß Reber.
Und auch Bürgermeister Sepp Hartl weiß um die Dringlichkeit des Verkehrsproblems. Er will seinen Teil als Lokalpolitiker dazu beitragen, wie er auch gestern wieder bestätigte. Seinen Worten zufolge weiß er bereits darum, dass Waakirchen gute Chancen hat, in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans zu kommen. Obwohl der Bedarf gesichert scheint, sei aber die Stelle entscheidend, wo man in dem Plan stehe. Und mit 20 bis 30 Jahren Wartezeit müsse man rechnen.
Sieben Millionen Euro will Hartl aus den Bundesmitteln bereits gesichert sehen. Hartl referierte über Aktuelles im Gemeindegebiet wie den Ausbau des Radwegs, Querungshilfen oder Über- und Unterführungen über die Bundesstraße, um kurzfristige kleinere Entlastungen zu erreichen. Auch die Planung um 40 neue Parkplätze am Schaftlacher Bahnhof sei auf den Weg gebracht, so Hartl.
Der Bürgermeister ist sich seiner Verantwortung als Kommunalpolitiker bewusst. Laut seinen Aussagen habe er bereits Fördertöpfe – FAG-Mittel und GVFD-Mittel – ausgemacht. Zusätzlich wird er immer wieder vorstellig bei Politikern wie Ilse Aigner oder Alexander Radwan, wie er sagt. Gleichzeitig fordert Hartl aber auch eine möglichst aktive Bürgerbeteiligung:
Wir brauchen die Bürger.
Das forderte auch Reber am gestrigen Infoabend ein. „Ihr müsst mehr aus der Reserve gehen“, plädierte er, „warum machen wir das alles sonst?“ Die Besucher taten es mit einer regen Diskussion. Die Mehrheit der Bürger kann man in Sachen Verkehrsproblem hinter „den Anschiebern“ wissen. Als nächste Aktion soll es die schon länger geplante Kundgebung geben. Reber würde sich diese bereits vor der Bürgerversammlung im April wünschen.
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