Zur heutigen Sitzung vor dem Amtsgericht war der Angeklagte nicht erschienen. Richter Walter Leitner verlas ein ärztliches Attest, das besagte, dass der Beschuldigte aufgung einer ernsten Erkrankung weder vor Gericht erscheinen noch aussagen könne. Allerdings war der Verteidiger erschienen und hatte eine Vollmacht, sodass in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt werden konnte.
Rauschende Luxus-Heirat
Die Geschichte begann bereits im November 2014. Auf einer Hochzeitsmesse kamen die Verlobten an den Stand des Otterfinger Event-Planers, der nun der Geschädigte ist. „Der Angeklagte und seine Partnerin erklärten, sie wollen im Juni 2015 heiraten und zwar auf Schloss Hirschberg am Haarsee bei Weilheim“, so der Veranstaltungsorganisator.
Die Firma, deren geschäftsführender Gesellschafter der Bräutigam sei, plane das Schloss als Firmensitz zu kaufen. Zur Zeit der Hochzeit bräuchte man aber Zelte zum Feiern, da sich das Schloss dann im Umbau befände. Und auch für den Rest der Hochzeit hatte das Paar genaue Vorstellungen:
Es sollte eine Zeltlandschaft aufgebaut, sowie ein Limousinen-Service, Künstler und ein Zauberer gebucht werden. Auch spezielle Weine wurden verlangt, die Hochzeitstorte sollte aus Wien kommen.
Gesamtkosten laut Angebot: 102.000 Euro. Man vereinbarte ein Probeessen, die Planungen liefen an. Doch der Hochzeitstag rückte näher, aber eine fixe Buchung war noch nicht zustande gekommen. „Langsam musste ich aber meinerseits einige Zusagen machen“, erklärt der Otterfinger heute vor Gericht. „Der Zeltbauer musste planen und die Künstler wären sonst weg gewesen.“
So kam es dann doch zur Unterschrift zu einem Vorvertrag. Demzufolge waren 75{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63} der Buchungssumme vorab fällig, um Auslagen zu decken. Gezahlt wurde nach Angaben des Zeugen jedoch nicht. Als es nur noch wenige Wochen bis zum vereinbarten Termin waren, hakte der Event-Planer noch einmal intensiv nach.
Absage wegen Krankheit
Nun antwortete die Braut. Ihr Verlobter liege nach einer Operation an den Weisheitszähnen mit Blutvergiftung in einem Londoner Krankenhaus. Der Hochzeitstermin müsse abgesagt werden. Außerdem sei aus dem Immobiliengeschäft nichts geworden. Der Veranstaltungsort stehe also nicht mehr zur Verfügung. Weiter stand in der vor Gericht verlesenen Email der Braut, dass die Hochzeit nun für Ende August angesetzt worden sei und man dann gern wieder mit der Otterfinger Firma arbeiten wolle.
Das Geld blieb das Hochzeitspaar aber auch weiterhin schuldig. Der Planer sagte allen Zulieferern und Künstlern, blieb aber auf Stornokosten sitzen. Zusammen mit von seiner Firma geleisteten Arbeitsstunden belief sich die Rechnung auf 11.000 Euro. “Und dabei habe ich noch nicht einmal von meinen AGB Gebrauch gemacht, die mir 75{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63} der Vertragssumme zugesichert hätten.”
Hochzeitsplaner als Detektiv
Langsam wuchs bei ihm der Verdacht, dass er einem Betrüger aufgesessen war. „Ich habe dann selbst im Internet recherchiert“, erzählte er heute. „Im Internet habe ich herausgefunden, dass der Angeklagte bei einer Firma in London war.“ Weitere Niederlassungen waren auf den Marshallinseln und Zypern. Das erweckte noch mehr Misstrauen.
Der Verteidiger des abwesenden Angeklagten bestätigt diese Angaben weitestgehend. Sein Mandant sei Gesellschafter und Geschäftsführer dieser Londoner Firma. Als dieser habe er zu dem damaligen Zeitpunkt über ein monatliches Nettoeinkommen von 25.000 bis 30.000 Euro verfügt. Somit sei er bei Unterschrift des Vorvertrages willig und vor allem in der Lage gewesen, die Kosten zu tragen. Nur die Krankheit und der missglückte Immobilienverkauf hätten damals die Hochzeit verhindert, welche mitlerweile aber vollzogen wurde:
Die Hochzeit hat dann tatsächlich am 1.September stattgefunden. Dann allerdings in Florida.
Während die Staatsanwaltschaft den Betrug durch die Aussage des Otterfingers als erwiesen ansah, konnte der Verteidiger keinen Betrug erkennen. „Mein Mandant hatte das Geld“, erklärt er weiter. „Tatsächlich hat er die Stornorechnung nur nicht bezahlt, weil er trotz Aufforderung keine Nachweise für die besagten Stornobeträge erhalten habe.“ Das sei aber eine zivilrechtliche Frage. Hier sei strafrechtlich über den Betrugsvorwurf zu entscheiden.
Unbezahlte Rechnung macht noch keinen Betrüger
Da der Angeklagte aber tatsächlich habe feiern und auch dafür bezahlen wollen, da er zudem selbst die Feier abgesagt habe und nicht die Leistung in Anspruch genommen und dann nicht bezahlt habe, liege kein Betrug vor. Das sah auch Richter Leitner in seiner Urteilsbegründung so:
Man darf sich von den Größenordnungen nicht täuschen lassen. Was dem Normalbürger als größenwahnsinnig oder saufrech erscheinen mag, ist für andere durchaus normal.
Der Angeklagte habe über entsprechende Geldsummen verfügt und habe die Hochzeit feiern wollen. Daher liege kein Betrug vor und es erfolgte ein Freispruch. In der Tat bestätigt Leitner, dass die offene Rechnung ein Fall für das Zivilgericht sei. „Aber wenn jeder, der eine unbezahlte Rechnung offen hat, gleich einen Betrüger verklagen wollte“, meinte er weiter: „hätten wir deutlich mehr zu tun.“
Wie die Recherche der Holzkirchner Stimme ergab, muss der nun Freigesprochene dennoch öfter mit dem Vorwurf des Betruges zu tun haben. Denn auf der Webseite der Firma, für die er tätig ist, wird ausdrücklich davor gewarnt, dass ein Betrüger die Identität des Mannes fälschlicherweise nutze.
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