In weiten Teilen Deutschlands ist es üblich, der Öffentlichkeit vor Gemeinderatssitzungen Informationen bereit zu stellen – nur nicht im Tegernseer Tal. Hier gibt es – wenn man Glück hat – nur eine Tagesordnung, auf der die Punkte aufgeführt werden, über die beraten, diskutiert und entschieden wird. Das ist mangelhaft. Die Transparenz bleibt auf der Strecke.
In anderen Städten, Gemeinden und Kommunen ist es teilweise seit Jahrzehnten üblich, dass zu jedem einzelnen Tagesordnungspunkt eine Informationsvorlage erstellt wird, die eine Woche vor der Sitzung öffentlich gemacht wird. Das jüngste Beispiel ist nur wenige Kilometer entfernt: Holzkirchen. Hier ist seit kurzem eine detaillierte Erklärung zu den Tagesordnungspunkten im Internet zu finden.
Dialog auf Augenhöhe? Fehlanzeige
Diese Vorlage umfasst in der Regel alle wesentlichen Details, die für einen Sachverhalt relevant sind: Wie teuer wird ein Projekt genau? Wie viele Bürger sind betroffen? Wie haben sich die Kosten für die Kinderbetreuung über ein Jahrzehnt entwickelt?
Die Angaben der Vorlagen dienen andernorts auch den Gemeinde- und Stadträten als Entscheidungsgrundlage. Natürlich verfügen sie darüber hinaus noch über zusätzliche Informationen, die dem Durchschnittsbürger vorenthalten bleiben – aber es ist ein erster Schritt für einen Dialog auf Augenhöhe, der ein Ziel für die Demokratie sein muss.
Manipulation und Zensur
Ähnliches gilt für die Live-Übertragung von Gemeinderatssitzungen. Die erst jüngst von der Wiesseer Verwaltung geäußerte Ansicht, dass die Bürger ins Rathaus kommen müssten, um sich ihre “Portion Politik” dort abzuholen, ist antiquiert und vorsintflutlich.
So viel sei angemerkt: Es würde nicht mehr oder weniger gesendet, als in einer öffentlichen Sitzung ohnehin zu sehen ist. Nur eben für jeden leicht verfügbar auf dem heimischen Bildschirm. Daher wirken die Ausreden in Sachen Kosten und Datenschutz oft vorgeschoben. Vielleicht hat man sich aber auch schon zu gut darin eingerichtet, dass niemand wirklich erfährt, wie Gemeinderatssitzungen ablaufen.
Dieser mangelnde Wille zur Bürgerbeteiligung ist nicht nur lästig. Er ist unerträglich. Nicht, weil es uns als Journalisten stundenlange Abende in den Rathäusern beschert. Sondern weil es eine Unverschämtheit gegenüber der Bevölkerung ist. Ein im wahrsten Wortsinn bürokratischer Mittelfinger.
Warum werden Informationen vorenthalten oder bewusst nur eingeschränkt zugänglich gemacht? Es gibt eigentlich nur zwei denkbare Möglichkeiten: Entweder man will bewusst verhindern, dass die Bürgerschaft gut informiert wird. Oder die Bürger sind es den Rathäusern einfach nicht wert, informiert zu werden.
Traditionelle Rückständigkeit?
Die verschiedenen Verwaltungen im Tal zeigen sich verwundert, dass es andernorts Vorlagen zu Tagesordnungspunkten gibt. Offenbar haben viele davon noch nie gehört. Der Tenor: Man könne sich das hier kaum vorstellen, das hat es ja noch nie gegeben. “So etwas ist hier nicht üblich.”
Man ist also rückständig und demokratiefeindlich, weil man das schon immer war. Die Tradition um der Tradition Willen – ein Lieblingsargument der Bayerischen Politik. Auch ohne Sinn und Verstand.
Als Bürger sollte man sich nicht einfach damit abfinden, uninformiert zu bleiben und anfangen, Druck auszuüben. Eine funktionierende Demokratie braucht unbedingt Fakten und Transparenz. Nur damit kann man sich fundierte Meinungen bilden und das Handeln von Politik und Verwaltung angemessen beurteilen.
SOCIAL MEDIA SEITEN