Mit Pragmatismus gegen Rassismus

„Waakirchen sind wir alle.“ So stand es in einem der letzten TS-Kommentare. Seit einigen Tagen steht die Gemeinde am Nordrand des Tegernseer Tals im Fokus. Der Grund dafür: die Asylbewerber und aufkeimender Rassismus. Sepp Hartl versucht trotz Drohbriefen und Rücktrittsforderungen pragmatisch mit der Situation umzugehen.

Bürgermeister Sepp geht eher pragmatisch mit der Situation in seiner Gemeinde um
Waakirchens Bürgermeister Sepp Hartl geht eher pragmatisch mit der Situation in seiner Gemeinde um.

Waakirchen – das ist aber auch noch eins: der Bürgermeister. Mit Briefen, die er bekommt, die alles andere als „nett“ sind, geht er pragmatisch um. Auch eine Art, sich mit drohendem Rassismus auseinanderzusetzen. Sepp Hartl wirkt im Gespräch wie immer: jovial, nach außen hin stark, pragmatisch. Noch vor ein paar Tagen hatte er „böse Briefe“ bekommen. Rücktrittsforderungen waren enthalten und wohl ziemlich viel Rassistisches.

Von Angst und Ruhe

Sonst hätte Hartl die Briefe auch nicht gleich an die Kriminalpolizei weitergeleitet. „Die Leute fordern meinen Rücktritt, weil ich die Asylbewerber ins Dorf lasse.“ Der Bürgermeister kann es immer noch nicht fassen.

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Das ist unangenehm, wenn man sich einsetzt und dann sowas kassiert.

Stein des Anstoßes für die Schmähbriefe war der Einzug von 21 Asylbewerbern ins Untergeschoss der Waakirchner Turnhalle gewesen. Weil man dort nicht nur sporteln, sondern auch kegeln kann und weil einige Kegler aus der Umgebung wohl nicht Tür an Tür mit den „Schwarzen Männern“ kegeln – und schon gar nicht gemeinsam Pissoir an Pissoir stehen wollten, spitzte sich die Situation vor zwei Wochen plötzlich zu.

Die Kegler sagten ihre Kegelabende bei Wirt Stefan Heuberger ab. Angst führt manchmal zu unverständlichen Aktionen. Beim Wirt führte das wohl zu Existenzangst. Statt sich mit Neuem einzulassen, wählt mancher lieber die Flucht. Andere wiederum schreiben anonyme Briefe an den Bürgermeister, um die Angst herauszulassen.

Dass die Kegler abgesagt haben und der Bürgermeister Post bekommen hat, erfuhr auch der Bayerische Rundfunk. Und kam prompt in den Ort, um darüber zu berichten. Nun weiß ganz Bayern, dass es in Waakirchen „solche“ und „andere“ gibt. Solche, die mit den „Schwarzen Männern“ Fußball spielen und Deutsch lernen und Andere, die lieber daheim bleiben, anstatt zu kegeln.

Mit Pragmatismus gegen Rassismus

Sepp Hartl löst die Angelegenheit eher pragmatisch. Er habe halt eine soziale Ader, meint er. Und die lasse er sich von keinem nehmen. Angst um sein Leben habe er nicht. Und auch nicht um seine Familie:

Ich lass’ mich nicht aus der Ruhe bringen.

Dass sein kleiner Ort so viel Rassismus in sich tragen könnte, kann er gar nicht glauben. Vielleicht sind die Briefe ja gar nicht von einem Waakirchner geschrieben worden, sondern von einem Fremden? Hartl hofft immer noch, dass es keine Einheimischen waren, sondern Auswärtige.

Denn die Drohungen gegen die Flüchtlinge waren so konkret, dass er die Post an die Kripo weiterleiten musste. Von wem die Post stammt, ist noch nicht ermittelt. „Die Ermittlungen laufen noch“, heißt es auf Nachfrage bei der Kriminalpolizei in Miesbach. Erst in ein paar Wochen wird die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit abgeschlossen haben.

„Durch die Infoveranstaltung ist es besser geworden. Jetzt ist es ruhiger.“ So versucht Hartl, mit Pragmatismus gegen den latenten Rassismus zu wirken. Und wenn das nichts bewirkt, dann hilft ihm vielleicht noch etwas anderes, mit der Situation umzugehen: „Ich hab’ einen breiten Buckel”, erklärt er abschließend.

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