Das Zusammenleben der Asylbewerber in der Tegernseer Turnhalle führt immer wieder zu Konflikten. Aber auch Begegnungen mit der Bevölkerung sind häufig schwierig. Als Außenstehender ist es schwer, die Lage zu beurteilen. Die TS sprach deshalb direkt mit zwei Flüchtlingen aus Syrien. Und bekam überraschende Aussagen.
Abdul und sein Vater Hamza flohen aus ihrer Heimatstadt Aleppo. Die im Norden Syriens gelegene Stadt, gehört laut der UNO inzwischen zu den gefährlichsten Orten auf der Welt. Die freie syrische Armee, der Islamische Staat sowie die Regierungstruppen von Machthaber Assad kämpfen um die Vorherrschaft in der strategisch wichtigen Stadt.
Einflussreiche syrische Familie
“Wir haben gewartet und gehofft, dass der Krieg endet. Aber er endete nicht”, erzählt Abdul. Nach einem gezielten Angriff auf ein Nachbarhaus, bei dem Freunde und Verwandte von Abdul und Hamza zu Tode kamen, entschloss sich die Familie nach insgesamt vier Jahren aus dem Kriegsgebiet zu fliehen. Von Aleppo zunächst in die Türkei, wo ein Teil der Familie blieb. Danach ging es für Vater und Sohn weiter über Bulgarien, Serbien, durch Ungarn nach Österreich und schließlich nach Deutschland, zum Tegernsee.
Hamza und Abdul stammen aus einer einflussreichen Familie in Syrien. Hamza hatte einst ein florierendes Logistikunternehmen in Syrien. Durch den Krieg musste er sein Geschäft jedoch aufgeben. Abduls Onkel war ein hochrangiger Militär unter Assad, der desertierte.
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Die einflussreiche Verwandtschaft machte Abdul und seine Familie zur Zielscheibe für die politischen Gegner: “IS Soldaten versuchten, uns in der Türkei zu finden. Sie bezahlten Geld für Informationen über unsere Familie.” Noch immer haben Hamza und Abdul Angst vor Verfolgung.
“Es gibt viele Probleme”
In Deutschland angekommen, landeten sie zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung in München. Von dort auch ging es weiter in die als Asylunterkunft genutzte Turnhalle in Tegernsee. Doch dort sei das Zusammenleben schwierig. Laut Abdul würden in der Turnhalle zu viele Menschen aus verschiedenen Ländern leben, die zudem mit unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen ausgestattet seien.
Es gibt keine Privatsphäre, oft wird auch Alkohol getrunken. Das ist ein echtes Problem. Wenn jemand nachts betrunken in die Halle kommt und rumschreit, sind alle wach. Dann kommt es natürlich zu Streit.
Nach zwei Monaten sind Abdul und Hamza in einer anderen Unterkunft untergekommen. Doch noch immer hätte er Freunde in der Turnhalle, erzählt Abdul. Auf die Frage, ob er sich hier willkommen fühlt, antwortet er mit einem klaren “Ja”. Viele Menschen würden den Flüchtlingen helfen, unterstützen sie mit Essen und Kleidung.
Der junge Syrer und sein Vater sind Muslime. Sie sind froh, dass nicht alle Menschen auf die Propagandavideos der Organisation IS hören. “Das ist nicht unsere Religion. Das ist nicht, was unsere Religion uns predigt. Unsere Religion ist eine des Friedens, und nicht des Tötens!” Er hat Angst, dass die Deutschen glauben könnten, alle Muslime seien so wie in den Videos der Terrororganisation Islamischer Staat. “Denn das ist genau das Ziel.”
Abdul und sein Vater haben mittlerweile eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre erhalten. Abdul begann vor einer Woche seinen Unterricht an einer Berufsschule. In Syrien hat er Medizin studiert. Hier würde er dieses Studium am liebsten beenden. Er und sein Vater möchten Deutsch lernen und sich integrieren. Aber nur auf Zeit, wie Abdul betont.
“Zu Hause in Syrien, da hatten wir Geld”, meint Abdul. Sie seien daher nach Deutschland gekommen, um in Sicherheit zu sein, nicht um hier mehr zu verdienen. So haben die beiden Flüchtlinge auch schon Pläne für den Zeitpunkt, wenn der Krieg in Syrien irgendwann einmal vorbei sein sollte.
Dann werden wir zurückkehren und unser Land wieder aufbauen. Denn wenn wir es nicht tun, macht es sonst keiner. Und hier spreche ich für unser ganzes Volk.
Zunächst einmal möchten Abdul und Hamza sich hier jedoch eine kleine Existenz aufbauen und die Familie aus der Türkei herholen. Doch dafür brauchen sie ein Zuhause. Bisher waren die Versuche, eine Wohnung zu bekommen, jedoch nicht sehr erfolgreich.
“Am Telefon sind die Menschen normalerweise sehr nett. Doch wenn sie hören, dass wir Asylbewerber sind, ist das Gespräch schnell beendet”, erzählt Abdul. Dennoch möchte er nicht aufgeben. Er ist sicher, dass er schon bald jemanden findet, der ihm und seiner Familie eine Wohnung vermieten wird.
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