Schneegestöber auf den Zuschauer. Lichtkegel in finsterer Schneelandschaft. Futuristische vereiste Stahlkonstruktionen. Ein unheimliches Gebäude und dumpfe, fast mechanische Musik mit monotonem Brummen. Was ganz bewusst alle Merkmale eines Horrorfilms vereint, ist eigentlich der Kurzfilm über eine polnische Wetterstation in der hohen Tatra.
Ein einsamer Mann liest die Temperaturen ab und schreibt monotone Ansagen aus dem Funkempfänger ab. Erklärungen aus dem Off? Keine. Dialoge? Bis auf einem auf Polnisch mit einem unheimlichen Besucher, bei dem man nicht so richtig versteht, worum es geht – Fehlanzeige. Eigentlich ein stinklangweiliges Thema, ebenso wie der ereignislose Job in der Wetterstation selbst.
„Nicht-Geschehen“ eindrucksvoll interpretiert
Was die Polin Julia Poplawska in dem Film „The Place“ aber aus diesem Thema gemacht hat, ist großes spannendes Kino. Die Musik, gemischt mit vorher aufgenommenen Geräuschen in und außerhalb der Station und die interessante Kameraführung, die fast ständig aus ungewohnten Blickwinkeln das „Nicht-Geschehen“ interpretiert, ist beeindruckend und auf alle Fälle den „Großen Preis der Stadt Tegernsee“ wert. Man fühlt sich wie in eine andere Welt versetzt und ist doch mitten auf der Erde.
Romantisierende „Heimatfilme der Berge“ werden bei dem Tegernseer Bergfilmfestival nicht gezeigt. „Ein Festival muss Denkanstöße geben, eine Diskussion entfachen und etwas bewegen“, sagte der Alpenforscher Professor Werner Bätzing bei dem Kamingespräch am Donnerstag zuvor, das erstmals im Rahmen des Bergfilm-Festivals stattfand. Ansprüche, dem die Macher des Tegernseer Bergfilm-Festival unter Leitung von Michael Pause seit Jahren Rechnung tragen. Und in diesem Jahr, wie man an den Siegerfilmen sah, ganz besonders.
Forum auch für innovative Filmemacher
So dominierten faszinierende Naturaufnahmen, die schärfer als die Wirklichkeit sind, Kletterfilme, die teils mit kleinen Actionkameras von mutigen Akteuren selber gedreht und dann professionell zusammengeschnitten wurden sowie Filme, die Persönliche Geschichten im Lebensraum Berg erzählten.
Dem Bewegenden, das sich abhebt von der Masse, war auch die internationale Jury in den vergangenen Tagen auf der Spur. „So ein Festival ist gerade für innovative Filmemacher, die sich in kein Schema pressen lassen, eine Plattform“, freute sich Jury-Mitglied Karmen Tomšič aus Slowenien. Begeistert waren sie und ihre vier Mitjuroren vor allem von Regisseuren, die nur behutsam mit dem heute technisch Möglichen spielten.
Lieber Fußballspielen als Heiraten
Während die außerirdische Wetterstation die Zuschauer erstarren lässt und die Extrembergsteiger im Karakorum für feuchte Hände sorgen, gewannen junge Fußballerinnen aus einem abgelegenen Dorf in Nepal sofort die Herzen des Publikums: Der nepalesische Regisseur Bhojraj Bhat, der für „Sunakali“ mit dem Preis für den besten Film in der Kategorie Lebensraum ausgezeichnet wurde, ist zufällig auf die Geschichte der Mädchen gestoßen, die lieber Tore schießen als mit 14 Jahren verheiratet zu werden, verriet er bei der Preisverleihung im Barocksaal.
Der Film erzählt eine bewegende unkonventionelle Geschichte, die ein anderes Bild des Himalaya vermittelt, als man es sonst kennt: Unterprivilegierte Mädchen bekommen die Chance auf eine bessere Zukunft. Gleichzeitig regt dieser Film zum Nachdenken an: Sunakali und ihre Mitstreiterinnen begeben sich mit einem Fuß in die Moderne und dürfen kurz spüren, wie es sich anfühlt, aus ihrem Dorf auszubrechen und mit der großen weiten Welt in Kontakt zu kommen.
Ein Film, der ohne großen technischen Schnickschnack auskommt und der einem das Gefühl gibt, selbst mit dabei zu sein – auch dann noch, wenn man den Kinosaal längst verlassen hat.
Alle Informationen über die gezeigten Filme und die Sieger gibt es auf der Homepage des Tegernseer Bergfilm-Festivals.
Große Fotoserie vom Abschlussabend mit Siegerehrung des 13. Tegernseer Bergfilmfestivals von Peter Friedrich Sieben:
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