Musterbeispiel Tegernsee

TBC, Seuchen, keine Erstuntersuchungen. Die Ängste zum medizinischen Zustand von Asylbewerbern sind teilweise massiv. Vor allem den Helfern fehlen oft Informationen. Nun haben Ärzte im Rahmen eines Info-Abends versucht die Diskussion zu versachlichen. Dabei wurde auch bekannt, dass in Tegernsee für die rund 150 Flüchtlinge mittlerweile eine medizinische Station entstanden ist.

Vor allem Impfungen sollen die Flüchtlinge und deren Helfer vor Krankheiten schützen.
Vor allem Impfungen sollen die Flüchtlinge und deren Helfer vor Krankheiten schützen.

Am Mittwochabend trafen sich Ärzte und Experten zum Austausch im Krankenhaus Agatharied. Das Thema: Asylbewerber und ihre medizinische Versorgung. Dabei kamen unter den Gästen, vor allem bei den Mitgliedern der Asyl-Helferkreise, einige Fragen auf.

Besonders die jüngsten Tuberkulose (TBC)-Fälle im Landkreis sorgten dabei für Gesprächsstoff. Eine freiwillige Helferin äußerte ihre Sorgen:

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Wir sind sehr nah dran. Die Flüchtlinge kommen zum Teil ohne Erstuntersuchung zu uns. Da macht man sich schon seine Gedanken.

Diese Schilderungen lösten Verwunderung bei den Anwesenden aus. Dr. Thomas Strassmüller erklärte, wie es zu solchen Ängsten kommen kann. “Politiker schüren gezielt Ängste”. Das sei aus seiner Sicht besorgniserregend. Es gebe sicher einige, vor allem logistische Probleme, aber man habe viele engagierte Helfer.

Die (falsche) Angst vor Tuberkulose

Zu den Krankheitsfällen, die unter anderem auch die Tegernseer Turnhalle mit zwei TBC-Fällen betreffen, äußerte sich der Arzt ebenfalls. Nach den Erstuntersuchungen – unter anderem in München – werden die Flüchtlinge zu schnell weiter geschickt, erklärt er. So komme es dazu, dass die Laborbefunde zum Teil erst vorliegen, wenn der Betroffene schon nicht mehr vor Ort ist.

Eine Aussage, die vor allem bei den Helfern für Unruhe sorgte. Allerdings sei, zumindest in Tegernsee, niemand deswegen aus dem Helferkreis ausgetreten. Es habe informierende Gespräche zu dem Thema gegeben, die sicher einige Ängste genommen haben, heißt es aus dem Umfeld des Helferkreises.

Auch der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Christian Auracher, stellte sich den Fragen der Ärzte und Helfer.
Auch der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Christian Auracher, stellte sich den Fragen der Ärzte und Helfer.

Um solche Fälle zukünftig zu verhindern, sollen vor allem die Erstuntersuchungen verbessert werden. Dabei soll verstärkt auf ansteckende Krankheiten geachtet werden. TBC sei dabei weniger das Problem als zum Beispiel das Läuserückfallfieber. Dieses wird über Kleiderläuse übertragen, welche in der Fluchtkleidung der Asylbewerber leben können. Bei schnellem Wechseln der Kleidung und ausreichender Hygiene sei aber auch dies kein unüberwindbares Problem.

Impfungen sind dabei ebenfalls ein wichtiges Thema. “Wir haben den Helfern auf Kosten der Stadt angeboten sich impfen zu lassen”, erklärte Johannes Hagn, Bürgermeister der Stadt Tegernsee. Dies soll zusätzlich die möglichen Ängste vor Krankheiten eindämmen. Zur Bekämpfung dieser Angst trug auch Martin Alberer vom Tropeninstitut der LMU München bei. Er erklärte, dass beispielweise HIV unter den Flüchtlingen kein Thema sei.

In einer Statistik wurden 548 erkrankte Personen aus insgesamt drei Asyleinrichtungen aufgelistet. Darunter waren nur sieben HIV-positiv. Die größeren Probleme seien Infektionen und Malaria. Auch Depressionen kämen öfter vor.

Medizinische Versorgung in Tegernsee

In Tegernsee wurde von vier Ärzten, darunter auch Dr. Thomas Strassmüller, mittlerweile in einem eigens dafür bereitgestellten Raum eine Sprechstunde eingerichtet. Dadurch können viele Krankheiten bereits vor Ort behandelt werden. Auch die Weiterleitung an andere (Fach-)Ärzte oder Krankenhäuser kann so besser organisiert werden. Unnötige Anrufe beim Rettungsdienst sollen dadurch verhindert und die Mitarbeiter vom BRK entlastet werden.

Denn, wie BRK-Rettungsdienstleiter Rudi Scheibenzuber erklärte, wüssten sich Asylbewerber oft nicht anders zu helfen, als den Notruf anzurufen. Dabei können es passieren, dass mitten in der Nacht zuerst der Rettungsdienst losfährt, um daraufhin vom ärztlichen Bereitschaftsdienst abgelöst. Und das nur, weil ein Flüchtling beispielsweise Kopfschmerzen hat, gegen die eine einfache Tablette helfen würde.

Keine Panikmache

Fest stehe, so der Tenor der Experten, dass Panikmache der falsche Weg sei. Die Ansteckungsgefahr für Helfer sei geringer als anfangs gedacht, erklärte Dr. Florian Meier, stellvertretender Landesarzt des Bayerischen Roten Kreuzes. Und Strassmüller betonte:

Da wird man in jeder U-Bahn schneller krank. Solange man sich aber nicht direkt anhusten lässt und man sich regelmäßig die Hände wäscht, dürfte es keine Probleme geben.

Unterdessen hat sich der Bayrische Rundfunk ebenfalls mit der Gesundheitsvorsorge bei Flüchtlingen beschäftigt. Den Recherchen des BR zufolge werden die Asylbewerber auf HIV getestet, ohne zuvor ausreichend darüber aufgeklärt worden zu sein.

Zahlreiche Experten sehen dies kritisch, doch das Gesundheitsministerium pocht auf Paragraf 62 des Asylgesetzes. Demnach ist eine Einwilligung des Betroffenen zur medizinischen Untersuchung aller Flüchtlinge nicht erforderlich.

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